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Gemeinden fehlt Spielraum für Zukunftsinvestitionen

Von Martina Madner

Politik

Anders als das Wifo sagt das WIIW, dass Investitionen 2020 um ein Drittel einbrachen.


Vor drei Wochen zeichnete Wifo-Chef Gabriel Felbermayr mit einer für den Gemeindebund erstellten Studie ein optimistisches Bild der finanziellen Lage von Österreichs Gemeinden: Die Investitionstätigkeit sei 2020 gegenüber 2019 um 5,8 Prozent auf 3,14 Milliarden Euro angewachsen. Auch bei der "Freien Finanzspitze", dem Spielraum für Neuinvestitionen gab in den Gemeinden ohne Wien mit 680 statt 598 Millionen Euro im Jahr davor ein Plus.

Nun zeichnet Philipp Heimberger, Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche, kurz WIIW, mit einer für die Arbeiterkammer erstellten Studie ein weniger rosiges Bild von "erheblichen negativen Auswirkungen" der Pandemie auf die Gemeindefinanzen und einem Rückgang der Investitionen um ein Drittel.

Nettowerte berücksichtigen Wertverluste

Das Wifo rechnet mit den administrativen Gemeindefinanzdaten, also Einnahmen- und Ausgaben ohne die Gemeinde Wien, das WIIW aber mit jenen der Statistik Austria, die auf dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (VGR) beruhen, inklusive Wien. Bei der Erhebung der Gemeindefinanzdaten gab es zwischen 2019 und 2020 eine Umstellung, die "Wiener Zeitung" berichtete. Das ist aber nicht die Ursache für den Unterschied. Er ist auch nicht Wien geschuldet, im Gegenteil: "In Wien sind im Jahr 2020 die Bruttoinvestitionen angestiegen." Die Rechnungen seien unterschiedlich, die VGR etwas "strenger", sagt Heimberger, weshalb Gemeinden etwa weniger Einnahmen ausgegliederter Betriebe als öffentliche für sich verbuchen dürfen. So kommt das WIIW zum Schluss, dass die Bruttoanlageinvestitionen der Gemeinden inklusive Wien um 3,3 Prozent auf rund 3,5 Milliarden absanken.

Ein Minus von 3,3 Prozent entspricht allerdings noch keinem Drittel. Dieses wird aber bei den Nettoinvestitionen sichtbar: Diese sind von 834 Millionen Euro im Jahr 2019 auf 561 Millionen Euro gesunken. Dabei sind auch Abschreibungen, also Wertverluste von Gebäuden, Anlagen oder Fuhrparks berücksichtigt, weshalb er laut Heimberger mehr über den künftigen Investitionsbedarf einer Gemeinde aussagt, als die Bruttoinvestitionen.

Gemeindefinanzen auf sichere Beine stellen

Mehr noch: "Sollen der Bildungs-, Klima- und Pflegebereich zukunftsfit gestaltet werden, müssen Gemeinden mehr und nicht weniger Geld investieren. Ein Investitionsstau aber würde ähnlich jenem nach der Finanzkrise zu folgenschweren langfristigen Problemen führen."

Um einen solchen Stau zu vermeiden, schlägt die Studie ein Maßnahmenbündel vor: In einem neuen Finanzausgleich, der sich an Aufgaben orientiert, könnten etwa auch laufende Personalausgaben bei der Kinderbetreuung finanziert werden. Mit einem neuen Klima-Investitionsfonds könnte der Bund solche steuern, die Gemeinden diese leichter stellen. Eine Grundsteuerreform könnte die Einnahmen stärken, auch Beschäftigungsprogramme in den Gemeinden zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit stärken diese. Offen ist auch, ob der Bund Ausfälle in künftigen Krisen fix ersetzt oder lockerere Fiskalregeln ohne Schuldenbremse, Investitionsspielräume eröffnen sollen.