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Österreichs Russland-Freunde auf Tauchstation

Von Martin Tschiderer

Politik

Die Österreichisch-Russische Freundschaftsgesellschaft gibt aktuell nur ungern Auskunft zu ihren Tätigkeiten.


Die Österreichisch-Russische Freundschaftsgesellschaft (ORFG) "verurteilt den russischen Angriffskrieg auf das Schärfste", teilt der Verein seit Mittwoch in einem Statement auf seiner Website mit. Dieses Handeln könne durch nichts gerechtfertigt werden. "Wir rufen sämtliche Entscheidungsträger in der Russischen Föderation dazu auf, die Waffen schweigen zu lassen", heißt es weiter in dem kurzen Text, der einmal auf Deutsch und einmal auf Russisch auf der Startseite steht.

In einer früheren Version des Statements, das bis Dienstagabend auf der Website stand, kam der Hinweis auf den "russischen Angriffskrieg" indes noch nicht vor. Stattdessen war nur ein allgemeiner Appell "an die Konfliktparteien, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, um sämtliche Konflikte einer friedlichen und gewaltlosen Lösung zuzuführen", zu lesen. "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich unsere Tätigkeit derzeit auf Unterstützungsmaßnahmen der von diesem Konflikt unmittelbar Betroffenen konzentriert", wurde das knappe Statement beschlossen.

Russen und Ukrainer ein "Brudervolk"

"Wir verurteilen den Krieg. Das geht so nicht", sagt Maximilian Habsburg-Lothringen, Präsident der ORFG, nach mehreren Kontaktversuchen auf Nachfrage der "Wiener Zeitung", was zur Änderung des Statements geführt habe. "Es geht hier um das Leid der Menschen." Im aktuellen Statement ist zudem zu lesen, die ORFG stehe stets für Freundschaft, Frieden, Solidarität und "Unabhängigkeit der Völker". Ein klares Bekenntnis zu einer von Russland unabhängigen Ukraine und eine explizite Kritik am Vorgehen des russischen Präsidenten Wladimir Putin? "Die Völker sollen unabhängig sein. Die Ukraine ist ein selbständiges Land, genauso wie Österreich", sagt Habsburg-Lothringen. "Der russische Staat hat den ukrainischen Staat angegriffen."

Natürlich gebe es in der Ukraine viele russischstämmige Menschen, so der ORFG-Präsident. "Das ist eben das Land." Seine eigene Frau komme aus der Ukraine, sei aber russischsprachig aufgewachsen. Der Schwiegersohn eines ukrainischen Freundes sei dagegen Russe und halte sich aktuell bei seinem Schwiegervater in Kiew auf. "Wir wissen nicht, ob er es mit einem russischen Pass überleben wird. Der Bursche ist 24 Jahre alt. Das ist eine Tragödie", sagt Habsburg-Lothringen. Dabei seien Russen und Ukrainer ein "Brudervolk".

Für Medienstatements habe man aber eigentlich keinen Kopf, sagt der ORFG-Präsident, aktuell sei man mit dem Sammeln von Hilfsgütern für Menschen in der Ukraine beschäftigt. Gerade habe man einen Bus mit Wintergewand, Schuhen, Decken und Medikamenten in Richtung der westukrainischen Kleinstadt Tschop geschickt, die an der Grenze zu Ungarn liegt. Auch zwei Kartons mit Antidepressiva seien dabei gewesen. Diese Art der Hilfe sei auch das Einzige, was man aktuell tun könne, sagt Habsburg-Lothringen.

Keine Information zu Projekten

Befragt dazu, was sonst die alltäglichen Tätigkeiten der ORFG sind, ist er kürzer angebunden: "Das steht alles auf der Website." Allerdings: Tatsächlich ist auf der ORFG-Website derzeit nur das genannte Statement zu finden - zusammen mit Kontaktinformationen des Vereins. Zu den Tätigkeiten der ORFG findet sich dagegen kein einziger Eintrag und auch kein Link. "Das wird wieder kommen", sagt Habsburg-Lothringen.

Klickt man sich von der Website weiter auf die Facebook-Seite der ORFG, findet man in der Seitenbeschreibung zumindest ein paar rudimentäre Informationen zum Verein. Die ORFG verstehe sich "als Plattform für die Vernetzung Österreichs und Russlands auf allen Ebenen". Aufbauend auf "unsere ausgezeichnete Verankerung in beiden Staaten, verwirklichen wir Projekte aus verschiedensten Bereichen, mit dem Ziel, zu einer nachhaltigen und positiven Entwicklung der österreichisch-russischen Beziehungen beizutragen". Welche Projekte das zum Beispiel sind, wird auch auf Facebook nicht näher erläutert.

Ein entscheidender Teil der Tätigkeit der im Jahr 2000 vom Unternehmer Florian Stermann gegründeten ORFG bestand jedenfalls immer in der Pflege und Vermittlung wirtschaftlicher Kontakte - zahlreiche österreichische Unternehmen waren und sind bekanntlich am russischen Markt aktiv. Detail am Rande: Bis 2015 war der einstige Generaldirektor der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich Ludwig Scharinger Präsident der ORFG - und in seiner Beziehungspflege nach Russland äußerst umtriebig. Erst am Dienstag hatte sich die Meldung verbreitet, dass die börsennotierte Raiffeisen Bank International (RBI) Insidern zufolge nach Russlands Einmarsch in die Ukraine erwäge, dem russischen Markt den Rücken zu kehren, was die RBI selbst allerdings dementierte.

Verwicklung in den Fall Wirecard

Der Unternehmensberater Habsburg-Lothringen ist seit September 2020 Präsident der ORFG. Bei der damaligen Generalversammlung löste er den Wirtschaftskammer-Vizepräsidenten und Ex-OMV-Generaldirektor Richard Schenz in dieser Funktion ab. Die Wahl des neuen Präsidiums hatte damals allerdings vor dem Hintergrund des Wirecard-Skandals zu gröberen Zerwürfnissen geführt. Sie hatten sich am bis dahin als ORFG-Generalsekretär fungierenden Stermann entzündet, der laut Medienberichten vertrauliche Nachrichten des Wirecard-Managers Jan Marsalek, einst ebenfalls ORFG-Mitglied, an die FPÖ weitergegeben haben soll. Marsalek wird weiterhin mit internationalem Haftbefehl gesucht.

Stermann hatte bei der Generalversammlung 2020 zwar auf allgemeinen Wunsch hin nicht mehr kandidiert. Der neue Generalsekretär, der neue Finanzreferent und eben der neue Präsident kamen aber allesamt aus dem Umfeld Stermanns - auch Habsburg-Lothringen galt als Vertrauter von ihm. Laut Wahlvorschlag im Vorfeld hätte dagegen WKO-Vizepräsident Schenz neuerlich Präsident, der einstige SPÖ-Bundesgeschäftsführer und heutige Nationalratsabgeordnete Christoph Matznetter erneut sein Stellvertreter werden sollen. Dass es letztlich anders kam, ließ manche Beobachter von einem "Umsturz" in der ohnehin schon länger von der FPÖ dominierten Freundschaftsgesellschaft sprechen. Schenz und Matznetter verließen darauf den Verein - mit ihnen fördernde Mitglieder wie OMV und Strabag. Im Juni des vergangenen Jahres gründeten Schenz und Matznetter ihrerseits das "Forum Österreich-Russland".