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Artenpflege für den Gecko

Von Martin Tschiderer

Politik

Nach dem lauten Brodeln im Corona-Expertengremium ist die Politik um Kalmierung bemüht.


Es hat geknatscht in Gecko. Und zwar ganz ordentlich. Vor der letzten regulären Sitzung am Freitagnachmittag war der Ärger unter einzelnen Mitgliedern so groß geworden, dass sie ihren Rücktritt aus der gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination erwogen - die "Wiener Zeitung" berichtete. Geworden ist es dann ein Rücktritt: Gerry Foitik, der Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, gab in der Sitzung das Ausscheiden aus dem Expertengremium bekannt, weil er den Kurs der Bundesregierung nicht mehr mittragen könne.

Auch hinsichtlich der restlichen Gecko-Mitglieder, nunmehr 21 an der Zahl, ist aber Kalmieren nötig. Für den späten Dienstagnachmittag etwa war eine außertourliche Gecko-Sitzung anberaumt. Darin sollte es weniger um die weiter hohen Fallzahlen oder die Frage nach Quarantäneregelungen gehen, sondern mehr um interne Arbeitsweisen von Gecko - und vor allem um das Verhältnis zur Politik.

Der neue Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) war bereits in der von lautem Rumoren geprägten Sitzung am Freitag aufgetaucht und hatte sich für "Ungereimtheiten" und "Unmut, der dort im Laufe der Zeit entstanden ist" entschuldigt. Gecko gebe Empfehlungen ab, hielt Rauch nach der Sitzung fest. Die Entscheidungen aber treffe die Politik. Somit habe diese auch die Verantwortung dafür zu übernehmen.

Mitglieder fordern mehr Transparenz bei Prozessen

Ein wesentlicher Punkt, denn Gecko-Mitglieder hatten zuvor insbesondere beklagt, dass Politiker unpopuläre oder heikle Entscheidungen auf die Experten abzuwälzen versuchten - selbst, wenn diese zuvor etwas anderes empfohlen hatten. Rauch tat in der angespannten Situation also das, was ein erfahrener Politiker in dieser Lage eben tut: Er bemühte sich um Schadensbegrenzung.

Bei den Gecko-Mitgliedern kam die Botschaft durchaus an, wie ein Rundruf der "Wiener Zeitung" zeigt. Auch wenn sie die Chancen auf ein besseres Gelingen der Prozesse zwischen Fachleuten und Politikern naturgemäß unterschiedlich einschätzen. "Es ist jedenfalls gut, dass einmal geredet wird", sagt ein Gecko-Mitglied eher zurückhaltend. Er halte Rauch für politischen Profi genug, dass er einige Dinge besser machen könne als sein Vorgänger Wolfgang Mückstein (ebenfalls Grüne), sagt ein anderes Mitglied.

Simulationsforscher und Gecko-Experte Niki Popper weist im Gespräch mit dieser Zeitung vor allem auf drei Punkte hin, die ihm und anderen Gecko-Fachleuten zur Verbesserung der Abläufe zwischen dem Gremium und den politischen Entscheidern wichtig sind.

Erstens: Das offizielle Reporting könne noch verbessert werden. So sei es internationaler Standard, dabei alle Quellen offenzulegen. Er und seine Mitarbeiter würden das bereits tun, wenn sie Annahmen für Modelle oder zum Wirkungsgrad der Impfung online stellen würden, sagt Popper. Somit seien die Grundlagen transparent. Bei der Entscheidung für eine Strategie könnten andere zu berücksichtigende Faktoren wie etwa wirtschaftliche Schäden dann ebenso offengelegt werden.

Zweitens fordern Forscherinnen und Forscher bereits seit geraumer Zeit einen besseren Zugang zu Pandemie- und Gesundheitsdaten. Hier sei mittlerweile bereits einiges im Aufbau, sagt Popper, man wisse aber nach wie vor nicht genau, wer warum im Krankenhaus liege: "Da muss sich sicher noch vieles weiterbewegen."

Drittens ist für den Simulationsforscher zentral, bei Gecko klarer herauszustreichen, dass Fachleute aus verschiedenen Disziplinen bei konkreten Fragen auch zu unterschiedlichen Antworten kommen können. Gerade die aktuelle Debatte um Quarantäneregeln habe das gezeigt. Es gehe daher darum, Pro- und Kontra-Argumente zu sammeln und transparent darzustellen. Hintergrund ist, dass bei der Schaffung von Gecko bewusst auf eine breite Zusammensetzung mit Fachleuten aus verschiedenen Bereichen geachtet wurde.

Allgemeinmediziner nicht bei Gecko vertreten

Popper hält die Auswahl der Experten dennoch nicht für zu breit, der "gesamtstaatliche" Ansatz habe sich durchaus bewährt. Schlage ein Wissenschafter aufgrund seiner Erkenntnisse eine bestimmte Regelung vor, könne etwa ein Wirtschaftsvertreter direkt einwenden, dass er das praktisch für nicht umsetzbar halte.

Der Gesundheitsminister war jedenfalls in der Vorwoche damit vorgeprescht die vielen Corona-Expertengremien "straffen" zu wollen. Die Frage der Zusammensetzung und der Beteiligung der jeweiligen Disziplinen wird sich spätestens bei der Umsetzung erneut stellen. Beispielsweise ist die Allgemeinmedizin in Gecko nicht vertreten, wohl aber Corona-Kommission und im Covid-19-Fachgremium des Obersten Sanitätsrates. Beide ressortieren beim Gesundheitsministerium.

In der Praxis der Pandemie spielen die Allgemeinärzte aber eine zentrale Rolle, nicht nur rund um die Impfung. So kann etwa das Covid-19-Medikament Paxlovid für infizierte Risikopersonen von Hausärztinnen verschrieben werden, wie das Gesundheitsministerium am Dienstag bestätigte. Den Allgemeinmedizinern obliegt es dabei auch, das Risiko von Wechselwirkungen bei ihren Patientinnen und Patienten einzuschätzen. Eine Auflistung der deutschen Kassenärzte zeigt, dass es bei Paxlovid potenziell zu vielen Wechselwirkungen kommen kann.

Aktuell sei der von Rauch "angeregte Prozess noch als ergebnisoffen zu betrachten", heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Er befinde sich in Austausch mit den Fachleuten, wobei ihm "vor allem an einer bestmöglichen Vernetzung und maximaler Effizienz" gelegen sei.