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Weniger Impfungen in der Pandemie

Von Petra Tempfer

Politik
41 Prozent der Covid-19-Ungeimpften wollen sich laut Umfrage in Zukunft gegen gar nichts mehr impfen lassen.
© mojolo - stock.adobe.com

Die Covid-19-Pandemie ließ unter anderem die Anzahl der FSME-Impfungen sinken.


Langsam, aber kontinuierlich, sinke die Anzahl all jener, die die Impfung gegen FSME auffrischen lassen. Und genauso langsam, aber kontinuierlich, steige die Anzahl der hospitalisierten FSME-Fälle, sagte die Infektiologin und Fachärztin für Tropenmedizin, Ursula Hollenstein, am Dienstag. Vor allem in den vergangenen zwei Jahren seien "mit Fokus auf Covid" andere wesentliche Impfungen in Vergessenheit geraten, so Hollenstein im Rahmen einer Pressekonferenz zum Thema FSME.

Was den Schutz gegen die Viruserkrankung Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), übertragen durch den gemeinen Holzbock (Zecke), betrifft, so seien zwar mehr als 80 Prozent gegen diese geimpft - allerdings nur irgendwann in deren Leben. Die regelmäßigen Auffrischungen alle fünf Jahre nach der dreiteiligen Grundimmunisierung und damit ein aufrechter Impfschutz seien nur noch bei etwas mehr als 60 Prozent gegeben, sagte Hollenstein. Gleichzeitig habe sich die Dynamik der Fallzahlen dramatisch verändert. Im Jahr 2020 gab es mit 215 so viele hospitalisierte FSME-Fälle "wie seit den 80ern nicht mehr". Die Gehirnentzündung FSME kann bleibende neurologische Schäden verursachen.

Mehr Menschen im Grünen

Verstärkend kam hier hinzu, dass die propagierte soziale Isolation zur Vermeidung einer Ansteckung mit Covid-19 dazu geführt hat, dass mehr Menschen ihre Zeit im Grünen verbracht haben - und damit umgeben von Zecken. Denn Österreich, ohnehin schon ein Zecken-Risikogebiet, wird laut Hollenstein von immer mehr Zecken bevölkert. Unter anderem auch deshalb, weil diese ihren Lebensraum ausgedehnt haben. "Galt früher eine Seehöhe von 800 Meter als Grenze, so kommen Zecken heute bis 1.600 Meter Seehöhe auch noch vor."

Aber auch andere Schutzimpfungen wurden in den vergangenen zwei Pandemiejahren vernachlässigt, sagt die Präsidentin des österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller, Renée Gallo-Daniel, zur "Wiener Zeitung". "Dadurch, dass es viel Fernunterricht gab, ist auch die Anzahl der Schulimpfungen stark zurückgegangen." Ob Impfungen gegen Humane Papillomviren, die Krebs verursachen können, gegen Meningokokken oder Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten und Polio: "Die Booster-Impfungen wurden nicht durchgeführt."

Auch gegen Masern wurde dem Gesundheitsministerium zufolge 2020 um ein Drittel weniger geimpft als 2019. Bei den Zwei- bis Fünfjährigen habe man das Ziel einer Durchimpfungsrate von 95 Prozent zwar dennoch erreicht, allerdings nur bei der ersten Dosis. Bei der zweiten, die nach mindestens vier Wochen erfolgen soll und die Grundimmunisierung abschließt, lag sie bei den 18- bis 30-Jährigen nur noch bei 83 Prozent. In Österreich erkranken immer wieder Menschen an Masern. Laut WHO bräuchte man eine Durchimpfungsrate von 95 Prozent mit zwei Dosen, um die Masern auszurotten.

Influenza nimmt, was die Durchimpfungsraten betrifft, laut Gallo-Daniel eine Sonderstellung ein. "Am Anfang der Pandemie in der Saison 2020/21 ist die Influenza-Durchimpfungsrate von 8 auf mehr als 20 Prozent gestiegen", sagt sie, "in der aktuellen Saison ist sie aber wieder auf 17 Prozent gesunken." Die Angst vor schweren Verläufen und Koinfektionen von Influenza und Covid-19 dürfte vor allem zu Beginn der Pandemie in Österreich zur Impfung motiviert haben.

Ganz allgemein steige die Bereitschaft, sich gegen eine Krankheit impfen zu lassen, mit dem eigenen Schutzgefühl und dem seiner engsten Angehörigen, sagt Gallo-Daniel. Eine Impfung gegen FSME zum Beispiel schütze einen selbst gegen die gefährliche Krankheit - nach wie vor ist in kaum einem anderen Land die Durchimpfungsrate ähnlich hoch wie in Österreich. Geht es jedoch vorrangig um den Schutz der Allgemeinheit und Risikogruppen im Speziellen, lasse die Impfbereitschaft offenbar nach, so Gallo-Daniel. "Obwohl jede Impfung für den Schutz der Allgemeinheit ja auch für den eigenen Schutz ist."

Impfpflicht in 12 EU-Staaten

So auch bei der Impfung gegen Covid-19, die nach der Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht mit 5. Februar 2022 und deren Aussetzen per Verordnung vom 12. März ins Stocken geriet. Aktuell verfügen rund 69 Prozent der Österreicher über einen gültigen Impfschutz. Die Impfpflicht-Debatte könnte auch dazu geführt haben, dass sich Skepsis verhärtet. Laut Sozialpsychologe Robert Böhm von der Uni Wien ergaben repräsentative Umfragen: "41 Prozent der Covid-19-Ungeimpften wollen sich in Zukunft gegen gar nichts mehr impfen lassen."

Eine allgemeine, österreichweite Impfpflicht gab es zuletzt von 1948 bis 1980, und zwar gegen die Pocken. 1979 erklärte die WHO diese für ausgerottet. In 12 der 27 EU-Staaten gibt es nach wie vor die Pflicht, dass Eltern ihre Kinder gegen mindestens eine Krankheit immunisieren lassen. In Deutschland ist seit 2020 der Eintritt in Schule oder Kindergarten nur noch mit zwei Masern-Impfungen erlaubt.

Was die FSME-Impfung betrifft, so läuft in Österreich noch bis Ende August eine Impfaktion. In den Apotheken erhält man die Seren um etwa ein Drittel billiger, sie kosten um die 30 Euro. Die wichtigsten Kinderimpfungen, zu denen auch jene gegen Masern zählt, fallen unter das kostenlose Kinderimpfprogramm des Bundes.