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Lehners Plan gegen den Ärztemangel

Von Martina Madner

Politik

Trotz Millionen-Förderung ist man mit 33 von 75 Primärversorgungseinheiten erst auf halbem Weg.


Die regionale Versorgung mit Ärztinnen und Ärzten ist angesichts der Babyboomer-Generation, die bald in Pension geht, "ein Problem, das nicht kleiner wird": "Wir haben einfach zu wenig niedergelassene Ärzte", sagt Peter Lehner, aktuell Vorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger und Obmann der SVS, der Versicherung der Selbständigen. Insbesondere die oft erfolglose Suche nach Kinderärztinnen und -ärzten sei ein "Riesenthema".

Laut Österreichischer Gesundheitskasse (ÖGK) gibt es schon heute Stellen, die nicht besetzt werden können. Zu Jahresbeginn waren es in der Allgemeinmedizin 79 Stellen, also zwei Prozent der Kassenstellen. In der Gynäkologie warten 13 Stellen, 3,4 Prozent, erfolglos auf eine Neubesetzung. Besonders viele Ärztinnen und Ärzte fehlen aber im Bereich Kinderheilkunde: Mit 25 unbesetzten Kassenstellen macht die Versorgungslücke in diesem Fachgebiet bereits 9,3 Prozent aus.

Lehner ist im Klub der Wirtschaftspublizisten deshalb davon überzeugt, dass es "neue Wege braucht, um den niedergelassenen Bereich für Ärztinnen und Ärzte zu attraktivieren". Er erwähnt das "Susi-Sorglos-Paket" der ÖGK. Dabei kümmert sich die Kasse um Administration und Ausstattung neu gegründeter Praxen. Über Lösungen wie beispielsweise Betreuungspauschalen für chronisch Erkrankte anstelle vieler Einzelposten im Leistungs- und Honorarkatalog wird zwar seit Jahren von den Kassen mit der Ärztekammer gesprochen. Umgesetzt sind sie aber nach wie vor nicht. Ein weiterer Weg wären Primärversorgungseinheiten.

Gründungsboom bei Primärversorgungszentren

Mit Primärversorgungseinheiten sind nicht nur Gruppenpraxen, sondern Zusammenschlüsse von Ärztinnen und Ärzten verschiedener Fachrichtungen mit Menschen anderer Professionen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich gemeint, also etwa Physio- oder auch Psychotherapie, Sozialarbeit, Diätologie oder die gehobene Krankenpflege. Für Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) sind sie eine "Ergänzung zur bestehenden hausärztlichen Versorgungsstruktur".

Nach einem Beinahe-Brachliegen der gesetzlichen Grundlagen von 2017 mit gerade mal 23 Gründungen bis zum Frühling des vergangenen Jahres, kam es mit der Ankündigung von den zusätzlichen 100 Millionen Euro aus dem Aufbaufonds der EU-Kommission, dem Recovery and Resilience Facility-Fonds im vergangenen Sommer, zum Gründungsboom: Mittlerweile gibt es 33. Dieser Tage werden zwei neue in Wien und eines in Niederösterreich eröffnet, im Mai folgt eine weitere.

Wobei die konkrete Förderung für Neugründungen erst mit 1. Februar 2022 begonnen hat, jene für Digitalisierungsprojekte sogar erst mit 1. März. Gefördert werden 50 Prozent der Kosten, bei Neugründungen maximal 1,6 Millionen Euro, bei neuen Projekten in bestehenden Primärversorgungseinheiten werden maximal 200.000 von 400.000 Euro gefördert. Anträge können laufend eingebracht werden, spätestens aber am 31. Jänner 2026. Um die medizinische Versorgung zu sichern, braucht es laut Bundes-Zielsteuerungskommission, einem Gremium in dem Bund, Länder und Sozialversicherungen mitreden, allerdings 75 Primärversorgungseinheiten - schon 2023.

Gesetzliche Änderungen von Konstruktionsfehlern nötig

Die Primärversorgungseinheiten können, weil im Team arbeitend, den einzelnen Angestellten eine bessere Work-Life-Balance bieten. Auch Minister Rauch sieht wegen des "anstehenden Generationswechsel in der Allgemeinmedizin" den Bedarf an "neuen und flexibleren Formen der Berufsausübung": "Die kooperative Teamarbeit entlastet die einzelnen Teammitglieder von unnötiger Bürokratie, erlaubt eine Konzentration auf die medizinische, therapeutische und pflegerische Tätigkeit."

Für die Patientinnen und Patienten bedeuten sie längere Öffnungszeiten, weniger Wegzeit von einer Profession zur nächsten. Und laut Rauch auch "die Prävention zu stärken". Für die Beitragszahlenden kosten die Primärversorgungseinheiten weniger als die oft gewählte Alternative zum niedergelassenen Bereich: "Der Weg in Spitalsambulanzen, das ist die teuerste Variante", sagt Lehner.

Der SVS-Obmann sieht allerdings auch gesetzliche Barrieren für einen weiteren Ausbau. Als Leitung sieht das Gesetz im Moment Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner vor, nicht aber welchem mit Fachgebiet Kinderheilkunde.

"Und warum können nur drei gleichberechtigte Mediziner als Gesellschafter tätig sein, nicht ein nichtmedizinischer Geschäftsführer oder eine Hebamme oder ein Physiotherapeut?", fragt sich der SVS-Obmann. Auch Krankenhausbetreiber wären zwar fachlich für die Organisation und Leitung geeignet. Das Gesetz sieht das aber nicht vor.

Immerhin widmen sich die politisch Verantwortlichen der Lösung dieser Probleme: Die Bundes-Zielsteuerungskommission habe erst vergangene Woche beschlossen, diese Konstruktionsfehler bei Primärversorgungseinheiten zu beheben.