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Nationalrat im Zeichen der Teuerung

Von Vilja Schiretz

Politik

Die Opposition übt heftige Kritik an der Bundesregierung. SPÖ, FPÖ und Neos könnten politisch von der Krise profitieren.


"Kostenlawine stoppen - Entlastung jetzt!" Unter dieses Motto hat die FPÖ die Aktuelle Stunde vor der Nationalratssitzung heute, Mittwoch, gestellt. Auch bei dieser wird das Thema Teuerung im Vordergrund stehen - und die Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und Neos haben sich schon im Vorfeld in Stellung gebracht und lange Listen an Forderungen präsentiert.

Denn laut Politologe Peter Hajek ist die Situation für die Opposition günstig. Anders als die Bundesregierung, die vor allem die Umsetzbarkeit etwaiger Maßnahmen im Blick haben muss, können die Oppositionsparteien ihre Forderungen ihren Zielgruppen an den Leib schneidern. SPÖ, FPÖ und Neos haben auf der politischen Bühne die Vorderhand, "solange es die Regierung nicht allen Recht machen kann". Und das ist momentan schwierig: Im März war die Inflation laut Statistik Austria auf 6,8 Prozent geklettert, die Menschen spüren die Preisanstiege im Supermarkt ebenso wie an der Tankstelle.

SPÖ will Mehrwertsteuer auf Lebensmittel aussetzen

Die SPÖ betonte zuletzt besonders ihre Forderung nach der Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. Diese wird Gegenstand einer der beiden Initiativen sein, die die Sozialdemokraten am Mittwoch im Nationalrat einbringen wollen. Die zweite ist ein Fristsetzungsantrag, der der türkis-grünen Koalition die Möglichkeit geben soll, die vor Kurzem erfolgte Erhöhung der Richtwertmieten zurückzunehmen. Außerdem hat die SPÖ die Regierung dazu aufgerufen, die Mehrwertsteuer auf Treibstoffe, Gas und Strom auszusetzen und die Erhöhung der Pensionen vorzuziehen.

Die Neos möchten an der Schraube der Einkommenssteuern drehen, in einem ersten Schritt verlangt Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger eine mit Jahresbeginn rückwirkende Anpassung der Steuerstufen. Außerdem plädiert die Partei - zum wiederholten Mal - für die Abschaffung der kalten Progression. Zuschüsse für Menschen, die aufgrund ihres geringen Einkommens keine Steuern bezahlen, sollen laut Meinl-Reisinger kein "Mascherl" bekommen, also nicht etwa für Energiekosten zweckgebunden sein. Für die Nationalratssitzung ist eine Dringliche Anfrage an ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner geplant.

Besonders umfassend fallen die Forderungen der FPÖ aus. Während manche Vorhaben in ihrem "Zwölf-Punkte Plan" annähernd deckungsgleich mit Vorschlägen der Sozialdemokraten sind - etwa die Senkung oder Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel oder Treibstoffe -, verlangen die Freiheitlichen zusätzlich noch die Reduktion der Mineralölsteuer und eine weitere Erhöhung des Pendlerpauschales. Für die Teuerungen machen sie unter anderem die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung verantwortlich und fordern deshalb deren Ende.

Das Handeln aller Oppositionsparteien nennt Hajek "State of the Art", die vorgeschlagenen Maßnahmen seien optimal an die jeweilige potenzielle Wählerschaft angepasst. Die SPÖ setze vorrangig auf die Entlastung von Haushalten. Dabei gehe es grundsätzlich um soziale Sicherheit, ein Kernthema der Partei. Die FPÖ habe laut Hajek insbesondere Autofahrer ins Visier genommen: Vor allem in einer ersten Phase betonte sie die Senkung der Steuern auf Treibstoff und verlangt nun auch die Abschaffung der CO2-Abgabe, die mit Sommer dieses Jahres eingeführt wird. Den Neos bieten die Teuerungen etwa eine Gelegenheit, ihre langjährige Forderung nach der Abschaffung der Kalten Progression verstärkt ins Gespräch zu bringen.

Bundesregierung verteidigt Entlastungspakete

Gemeinsam ist den drei Parteien die scharfe Kritik an der Bundesregierung. Anstatt aktiv zu werden, gründe Türkis-Grün Kommissionen und Arbeitskreise und beobachte einander gegenseitig, bemängelte etwa der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried. Die FPÖ wirft der Bundesregierung in einer Aussendung "Untätigkeit, Kaltherzigkeit und Desinteresse" vor. Bundeskanzler Karl Nehammer würde sich lieber auf der internationalen Bühne "aufplustern", als sich der Sorgen der Österreicher anzunehmen. Klubobmann Herbert Kickl nannte Neuwahlen einen "Befreiungsschlag." Einen frühzeitigen Urnengang forderte auch SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner in der ORF-Pressestunde am Sonntag.

Die Bundesregierung verteidigt indes ihre bereits beschlossenen Maßnahmenpakete. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) und ÖVP-Klubobmann August Wöginger betonten bei einer Pressekonferenz, dass diese umfangreicher ausgefallen seien als in anderen Ländern.

Weitere Maßnahmen sollen nach Beratung mit der neueingesetzten Preiskommission folgen. Ein bereits von der Bundesregierung in Aussicht gestelltes Paket wurde am Dienstag vom Finanzausschuss angenommen, der Nationalrat soll es am Mittwoch  absegnen. Darin enthalten ist etwa die Erhöhung des Pendlerpauschales um 50 Prozent bis Mitte des kommenden Jahres, außerdem sollen Unternehmen mit einer Senkung der Erdgas- und Elektrizitätsabgabe entlastet werden, Landwirte mit einer Vergünstigung von Agrardiesel.

Davon abgesehen wird der Nationalrat auch die Geltungsdauer des Covid-19-Maßnahmengesetzes bis Ende Juni 2023 verlängern. Abgestimmt wird auch über einen Antrag für einen Frauengesundheitsbericht, dem im Gleichbehandlungsausschuss sämtliche Fraktionen zugestimmt haben. In einer von den Neos veranlassten Aktuellen Europastunde soll der Ausstieg aus russischem Gas debattiert werden.