Die Corona-Pandemie und die damit notwendige Umstellung auf Fernbetrieb war freilich ein kräftiger Schub. Die Digitalisierung an den Universitäten ist jedoch schon seit den frühen 1990er-Jahren Thema. Nun soll das Thema ausgehend vom Digitalen Aktionsplan von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) weiter vorangetrieben werden: Bis zum Herbst soll eine Uni-Digitalstrategie bis 2030 für Forschung, Lehre und Verwaltung erarbeitet werden.
Darin solle es etwa um die Frage gehen, welche Lehrformate die Unis aus der Pandemie in den Regelbetrieb mitnehmen und welche Studienangebote notwendig sind, um besser auf die Bedürfnisse der Studierenden einzugehen, sagte Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) bei einem gemeinsamen Pressetermin am Montag. Dabei geht es zum Beispiel um zeitversetztes Streaming von Vorlesungen oder eine zumindest teilweise digitale Teilnahme an Lehrveranstaltungen. Vorstellbar wäre auch, dass Studierende einzelne Vorlesungen digital an einer Uni im Ausland belegen. Im Bereich der Forschung betrifft das den digitalen Austausch von Forschungsdaten und die gemeinsame, ortsunabhängige Nutzung von digitaler Forschungsinfrastruktur, so Polaschek.
Im Bereich Administration soll es um die Nutzung der digitalen Identität gehen, etwa durch digitale Zeugnisse. Innerhalb der EU sollen sich außerdem Maturanten an jeder Uni in Europa anmelden können, ohne dafür extra dorthin anreisen zu müssen, so Schramböck, deren Ministerium ressortübergreifende Projekte über einen 160 Millionen Euro schweren Digitalisierungsfonds fördert. Die Unis spielen für sie in der Digitalisierung insgesamt eine wichtige Rolle, betonte Schramböck, die diese als "Brutkasten für Innovation" bezeichnete. Die Digitalisierung sei allerdings auch hier kein Selbstläufer, man müsse hart daran arbeiten.
Coronapandemie als "Boost"
Die Coronapandemie habe der Digitalisierung der Unis freilich nicht nur einen "Boost" gegeben, wie Claudia Von der Linden vom Forum Digitalisierung der Universitätenkonferenz (uniko) einräumte. Sie habe auch gewisse Widerstände an den Unis verstärkt - etwa wenn punkto digitaler Lehre vor einer Umstellung auf Fernuniversitäten gewarnt wird. Hier sei es wichtig, für die Betroffenen den Nutzen herauszuarbeiten. Gleichzeitig seien durch Corona Erwartungen bei den Studierenden geweckt worden, was digitale Lehrangebote betrifft, durch die etwa Studium und Arbeit leichter vereinbar sind. An ihrer Uni habe man darauf reagiert, indem in der Satzung den Lehrenden freigestellt wurde, wie viel Prozent einer Lehrveranstaltung sie digital abhalten wollen, so die Vizerektorin für Digitalisierung an der Technischen Uni (TU) Graz.
In der Praxis sieht Polaschek allerdings Grenzen, etwa beim Streaming von Vorlesungen. Bei der großen Zahl an Lehrveranstaltungen sei das auch eine Kostenfrage, bei Formaten wie Seminaren kämen didaktische Probleme dazu. Es sei Aufgabe der Unis zu überlegen, wo und in welchem Ausmaß diese digitale Lehre anbieten und auch ob etwa als Ergänzung digitale Lehrveranstaltungen anderer (auch ausländischer) Hochschulen ins Angebot aufgenommen werden.
In der uniko soll die neue Digitalstrategie u.a. dadurch unterstützt werden, dass man für jene Systemthemen, die alle Unis betreffen, gemeinsame Lösungen andenkt - etwa beim Forschungsdatenmanagement, Open Science, Lehr- und Lernplattformen oder im Bereich der Administration, wo es etwa nicht 22 verschiedene Lösungen für E-Recruiting und Berufungsmanagement brauche, so Von der Linden.
Ausschreibung für "(Digitale) Forschungsinfrastruktur"
Die Universitäten sollen nun in Dialogforen Vorschläge für eine digitale Transformation der Unis bis 2030 erarbeiten, im Sommer sollen diese in ein Strategiepapier des Ministeriums eingearbeitet werden. Im Herbst soll dann die neue Digital-Strategie der Unis präsentiert werden.
Noch heuer stellt das Bildungsministerium zudem über eine Ausschreibung 40 Mio. Euro für "(Digitale) Forschungsinfrastruktur" zur Verfügung, zumindest ein Teil davon kommt aus dem Recovery and Resilience Facility der EU. Gefördert werden damit u.a. Ausbau, Modernisierung oder Neuanschaffung digitaler Forschungsinfrastrukturen sowie Zugang zu europäischen und internationalen Forschungsinfrastrukturen. Das können etwa hochauflösende digitale Mikroskope oder Supercomputer sein.
Nächster Uni-Wien-Rektor will "großen Kurs beibehalten"
Der Kunsthistoriker Sebastian Schütze, der ab Oktober an der Uni Wien das Amt des Rektors von Heinz Engl übernehmen wird, will jedenfalls "den großen Kurs der Universität Wien beibehalten und dynamisch fortsetzen: Exzellenz in der Forschung und Internationalisierung." Gleichzeitig sehe er es als gesellschaftlichen Auftrag, ihrer Rolle als große Ausbildungsuniversität mit 90.000 Studierenden "genügend Raum zu geben". Auch die sogenannte "Third Mission" der Unis nimmt Schütze sehr ernst.
Er habe eine sehr internationale Forschungskarriere hinter sich gebracht, mit viel Begeisterung gelehrt und viele Nachwuchswissenschafter betreut, betonte Schütze im Gespräch mit der APA. Zusätzlich sei ihm auch immer wichtig gewesen, dass seine Forschungsergebnisse nicht nur beim Fachpublikum ankommen, sondern auch darüber hinaus wirken. So habe er diese auch etwa in Gestalt von internationalen Ausstellungen präsentiert und an vielen großen Ausstellungen mitgearbeitet. "Ich denke, dass dieser Ansatz, internationale Forschung zu machen, aber diese auch in die Gesellschaft hineinzutragen und für breitere Kreise zu kommunizieren, für das neue Amt eine wichtige und gute Erfahrung ist." Die Menschen würden heutzutage überflutet mit Informationen. "Umso wichtiger ist es, Kernaspekte der Forschung vernünftig und auf verschiedenen Ebenen so zu kommunizieren, dass sie auch bei verschiedenen Communities ankommen kann", macht er sich für die "Third Mission" der Unis stark.
An der Uni Wien bringe seine Wahl automatisch mehr Sichtbarkeit für die Geistes- und Kulturwissenschaften, so der aktuelle Dekan der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät. Er habe sich aber vorgenommen, wie der amtierende Rektor Heinz Engl ein "sehr fairer, sehr ausgewogener Rektor" zu sein, der alle Bereiche der Uni entwickelt.
Für weitere Zugangsbeschränkungen "kein Handlungsbedarf"
Bedarf nach weiteren Zugangsbeschränkungen in überlaufenen Fächern sieht Schütze zumindest akut nicht, derzeit gibt es an der Uni Wien 20 Fächer mit Aufnahmeverfahren. "Ich denke nicht, dass es direkten Handlungsbedarf gibt - auch weil wir gesehen haben , dass in der Covid-Krisenzeit die Zahlen der Studienanfänger sich sehr dynamisch und auch sehr unvorhersehbar entwickelt haben", so Schütze. So habe es in manchen Fächern im ersten Covid-Jahr stark steigende und im zweiten Jahr stark sinkende Zahlen gegeben. "Ich denke, dass wir mit den gesetzten Maßnahmen derzeit ganz gut unterwegs sind."
Für den künftigen Rektor ist schon absehbar, dass es in den kommenden Monaten oder Jahren an der Uni Wien "budgetär auch schwierig werden könnte, wenn man an Inflationsraten denkt, an Kollateraleffekte der Ukraine Krise oder die weiteren Folgen der Covid-Krise". Es stehe fest, dass mit höheren Energiepreisen auch höhere Kosten auf die Uni zukommen. Er unterstützt deshalb auch die Forderung der Universitätenkonferenz an das Bildungsministerium, diese Kosten zu ersetzen. Um einzuschätzen, wo gegebenenfalls an der Uni Wien eingespart werden könnte, falls das Ministerium das Budget nicht erhöhen sollte, sei es zu früh.
Wie Schützes Team im Vizerektorat aussehen wird, ist noch nicht fix. "Wir sind noch mitten in den Gesprächen." Zentrales Kriterium bei der Besetzung sei jedenfalls, dass alle Fächergruppen mit ihren recht verschiedenen Perspektiven und Bedürfnissen vertreten und bei zentralen Entscheidungen eingebunden sind. "Selbstverständlich" müsse auch die Genderbalance erhalten bleiben. (apa)