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Eine Kaskade nach unten

Von Simon Rosner

Politik

Österreich fällt im Pressefreiheitsindex nach unten - durch Skandale, aber auch durch eine wachsamere Öffentlichkeit.


Der deutliche Rückfall Österreich im Pressefreiheitsindex, der von der NGO Reporter ohne Grenzen (RSF) jährlich herausgegeben wird, hat die Opposition Alarm schlagen lassen. Und auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sich zu Wort gemeldet. "Das muss uns eine Warnung sein", sagte Van der Bellen.

Auch Medienministerin Susanne Raab äußerte sich zum Rückfall Österreichs von Platz 17 auf 31, aber nur zurückhaltend. "Wir werden uns das Bewertungssystem und die Ableitungen genau ansehen", teilte Raab der APA mit. In der Tat wies auch Reporter ohne Grenzen darauf hin, dass sich die Erhebungsmethode geändert habe und daher nur bedingt mit jenen des Vorjahres vergleichbar ist. Fritz Hausjell, Präsident der Organisation in Österreich, sprach von einer Verfeinerung des Algorithmus, der auf fünf Säulen aufbaut. Der Index prüft ökonomische wie gesetzliche Rahmenbedingungen, den soziokulturellen und politischen Kontext sowie die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten.

Zahlreiche Ereignissetrugen zu Rückfall bei

Freilich, kein Algorithmus ist so präzise, dass bei derartigen Indizes nicht auch Wundersames herauskommt. Auch bei diesem hier: Österreich hat sich dramatisch verschlechtert, Ungarn hingegen leicht verbessert - und liegt nun vor Israel. Eine gewisse Skepsis ist bei Rankings grundsätzlich angebracht, selbst im Sport. Andererseits ist in der Republik tatsächlich viel passiert, dass zu diesem Rückfall nachvollziehbar beigetragen hat.

Hausjell nennt etwa den Rücktritt von Kanzler Sebastian Kurz wegen Korruptionsermittlungen, "die auch im Medienbereich angesiedelt sind". Der Medienmanager Horst Pirker (VGN Medien Holding) hat im Vorjahr zudem öffentlich gemacht, dass nach einem kritischen Bericht in "News" das Finanzministerium einen Inseratenstopp verhängt haben soll. Das Ministerium dementierte.

Darüber hinaus waren bei Corona-Demonstrationen Journalistinnen attackiert und in der Berichterstattung behindert worden, übrigens nicht nur in Österreich. Und publik gewordene Nebenabsprachen von Regierungsparteien hatten politische Einflussnahme bei Stellenbesetzungen im ORF offenbart. "Die Slapp-Klagen haben sich auch stark zu Buche geschlagen", sagt Hausjell. Dabei handelt es sich um (meist aussichtslose) Klagen mit sehr hohen Streitwert, die betroffene Medien in ihrer Existenz gefährden.

WachsendePolarisierung als Gefahr

Einige Punkte, die zum Rückfall beitrugen, kamen allerdings gerade wegen freier, seriöse journalistischer Arbeit ans Tageslicht. "Möglicherweise sind wir in den vorangegangenen Jahren zu gut ausgestiegen", sagt Medienwissenschaftler Hausjell. So war die Existenz einer unsauberen Inseratenvergabe nicht einmal ein gut gehütetes Geheimnis. Aber es war eben auch nicht so gut dokumentiert wie nach zahlreichen Berichten darüber im Vorjahr.

Eine nicht nur in Österreich zu bemerkende Gefahr für die Pressefreiheit stellt auch die zunehmende gesellschaftliche und politische Polarisierung dar. Medien können dabei instrumentalisiert oder zur Zielscheibe werden - mit vielfältigen negativen Auswirkungen für Journalisten und ihre Berichterstattung, bis hin zu Angriffen auf Demonstrationen.

Es müsse Medienkompetenz vermittelt werden, sagt Hausjell, das heißt, erklärt werden, wie klassische Medien arbeiten. "Das wussten auch früher viele nicht, aber nun gibt es eben alternative Angebote." Im Umgang mit Fake News empfiehlt er Transparenz und Faktenchecks. "Es geht darum, zu zeigen: ‚Ja, wir sehen, was Ihr auch seht, wir schauen uns das an und kommen zu einem anderen Ergebnis‘."