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"Impfen ist keine Glaubensfrage"

Von Petra Tempfer

Politik

Nächste Woche entscheidet sich, ob die Impfpflicht ausgesetzt bleibt. Doch warum ist diese überhaupt in Diskussion?


Es ist ja nicht so, dass es das einzige Volksbegehren dieser Art wäre. Aber am Donnerstag diskutierte der Nationalrat die Covid-19-Impfpflicht anlässlich jenem unter dem Titel "Impfpflicht: striktes Nein" besonders hitzig. Denn kommende Woche steht die Entscheidung an, wie es nun in Österreich mit dieser weitergeht. Eigentlich hätte sie bereits seit März gelten sollen, aufgrund der Empfehlung einer Experten-Kommission wurde sie jedoch bis 1. Juni ausgesetzt: Angesichts der vorherrschenden Omikron-Variante sei eine Impfpflicht nicht mehr verhältnismäßig, hieß es damals.

Für das "strikte Nein" sprachen sich im Vorjahr rund 269.000 Österreicher aus, das sind 4,23 Prozent der Stimmberechtigten. Anders als alle anderen Parteien stellte sich die FPÖ auf Seite der Unterzeichnenden. Eine Reihe freiheitlicher Redner verlangte die Aufhebung des Impfpflichtgesetzes - basierend darauf, dass dieses einen Eingriff in die Grundrechte darstelle. Zudem sei die Wirkung der Impfung beschränkt und deren Sicherheit zu bezweifeln, hieß es.

Nun wird die Regierung entscheiden, ob die Impfpflicht über den Sommer ausgesetzt bleibt. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) ließ im Vorfeld nicht erkennen, in welche Richtung es gehen könnte. Er warnte jedoch davor, dass "entgegen allen Hoffnungen die Pandemie einfach nicht vorbei ist". In Portugal zum Beispiel sorge gerade die Virusvariante BA.4/BA.5 für einen massiven Anstieg der Zahlen. Vor allem aber müsse man auch vorbereitet in die Herbst- und Wintersaison gehen, in der die Anzahl der Neuinfektionen wieder steigen könnte. Das Ministerium arbeite bereits an einem Maßnahmenplan, so Rauch. Nach seinen Vorgängern Wolfgang Mückstein und Rudolf Anschober (beide Grüne) steht nun also auch Rauchs Amtszeit weiter im Zeichen der Pandemie.

Größere Ausbrüche verhindern

Doch warum kam das Thema Impfpflicht in Österreich überhaupt auf? Aktuell verfügen 66,7 Prozent der Österreicher über einen gültigen Impfschutz. Die Impfbereitschaft nahm zuletzt generell ab. "Auch wenn eine Eliminierung des Virus nicht realistisch erscheint, tragen Impfungen wesentlich dazu bei, die Übertragung einzudämmen. Das ist essenziell, um die Erkrankung so zu kontrollieren, dass größere Ausbrüche verhindert werden und das Gesundheitssystem nicht überlastet wird", heißt es vom Robert-Koch-Institut zu diesem Thema.

Gerade, was die Covid-19-Impfung betrifft, sei es allerdings zu einer "nie dagewesenen Polarisierung gekommen", sagte Rudolf Schmitzberger, Leiter des Referats Impfangelegenheiten der Österreichischen Ärztekammer, am Donnerstag: Im Rahmen der Gesundheitstage des gemeinnützigen Vereins Praevenire, die von 18. bis 20 Mai im Stift Seitenstetten in Niederösterreich stattfinden, werden aktuelle Gesundheitsthemen diskutiert. Praevenire formuliert jedes Jahr mit wissenschaftlicher Begleitung Handlungsempfehlungen beziehungsweise Forderungen an die Politik, um das Gesundheitssystem zu verbessern.

In Hinblick auf die Impfung gehe es dabei vor allem darum, zu einem sachlichen, wissenschaftlichen Diskurs zurückzukehren, so Schmitzberger weiter. Denn: "Impfen ist keine Glaubensfrage." Vielmehr belegen Studien laut Ursula Wiedermann-Schmidt, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Vakzinologie, dass zum Beispiel von den geimpften über 85-Jährigen um 23 Prozent weniger an Covid-19 verstarben als von den ungeimpften. Damit sei ein wesentliches Impfziel erfüllt, so Wiedermann-Schmidt im Rahmen der Gesundheitstage.

Fakten zu wenig kommuniziert

Diese wissenschaftlichen Fakten seien vorhanden - sie wurden aber offenbar zu wenig kommuniziert und seien nicht bei allen angekommen, ergänzte Barbara Schober vom Institut für Bildungspsychologie an der Universität Wien. Denn einer der ersten psychologischen Gründe, sich nicht impfen lassen zu wollen, sei das mangelnde Vertrauen in die Sicherheit und Wirksamkeit und somit in Gesundheitsbehörden und Politik. Die eingangs erwähnten Volksbegehren basieren ebenfalls vor allem darauf.

Auch der Widerstand gegen Zwänge aller Art, die Abwägung, ob eine Impfung wirklich notwendig sei, und die Zuversicht, ein gutes Immunsystem zu haben ("Ich werde eh nie krank"), spielen laut Schober eine Rolle. Freilich gehe es auch um das Ausmaß, inwieweit man bereit sei, durch das eigene Verhalten andere zu schützen.

Um künftig noch niederschwelliger Covid-19-Impfungen anbieten zu können, brach Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer, eine Lanze für das Impfen in den Apotheken. Länder wie Irland, Frankreich, Portugal oder Dänemark hätten es vorgezeigt: Seitdem die Apotheken gegen Influenza impfen, sei die Impfrate gestiegen. "In Irland etwa um 60 Prozent", sagte Mursch-Edlmayr auf den Gesundheitstagen. Mit Beginn der Covid-19-Pandemie habe man jedenfalls 1.600 Apothekerinnen und Apotheker ausgebildet, damit diese künftig impfen können. "Sie sind unser Joker auf Abruf."

Bessere Impfdosen-Logistik

Schmitzberger von der Ärztekammer widersprach dem heftig: "Impfen in der Apotheke ist weder sinnvoll noch notwendig", sagte er. Man solle das weiter den Ärzten überlassen. Das bringe nämlich einen weiteren, ganz wesentlichen Vorteil mit sich, meinte er: die Möglichkeit einer besseren Impfdosen-Logistik. "Die Bestellung erfolgt durch den Arzt, der seine Klientel am besten kennt, und die Apotheke liefert dann den Impfstoff." Das Impfreferat sei bereits dabei, eine generell bessere Impfdosen-Logistik auf die Beine zu stellen. Denn vom Influenza-Impfstoff zum Beispiel müsse man jedes Jahr Tausende Dosen vernichten.