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Wenn der praktische Arzt im Großbus anrollt

Von Karl Ettinger

Politik
Die rollende Arztpraxis wurde in Wien präsentiert.
© Cisco / Christian Husar

Nach Deutschland soll in Österreich mit einer fahrenden Ordination dem Ärztemangel begegnet werden. Gesundheitskasse reagiert abwartend.


Essen auf Rädern kennen die meisten Österreicher. In manchen Orten im ländlichen Raum versorgen fahrende Greißler die Einwohner. In absehbarer Zeit könnte auch ein praktischer Arzt mit einer Ordination, die in einem Großbus untergebracht ist, Gemeinden anfahren, in denen es keinen niedergelassenen Allgemeinmediziner mehr gibt. In Deutschland gibt es das bereits.

In Österreich hat zunächst die Pandemie das um mehr als zwei Jahre verzögert. Bei einem Kongress der Gesundheitswirtschaft in Wien wurde nun der vom Technik- und Digitalisierungsunternehmen Cisco ausgestattete Bus erstmals vorgestellt - als ein Weg, damit auch Patienten in ländlicheren Regionen medizinische Grundversorgung erhalten. Durch die Corona-Impfbusse kennen Niederösterreicher zumindest das System der Busse, die in Orten Halt machen, schon.

Der Patient betritt die rollende Ordination durch die Vordertür des Busses, der von einem eigenen Buslenker gesteuert wird. Bei den ersten Sitzreihen, die als Warteraum dienen, wird er von einem Assistenten empfangen. Dieser kann dann auch online Dolmetscher in 27 Sprachen aufrufen, damit es keine sprachlichen Probleme gibt.

Digital können Fachärzte beigezogen werden

Dann geht es weiter in einen Raum mit Pritsche, in dem einfachere Behandlungen durchgeführt werden. Daneben gibt es eine Umkleidekabine. Anschließend ist ein Labor eingerichtet, in dem etwa Blutabnahmen erfolgen können. Getrennt durch eine Tür kommt der Patient dann im hinteren Teil des Busses in das Arztzimmer, dessen Dimensionen zwar etwas kleiner sind als üblicherweise beim Hausarzt, aber mit Sitzgelegenheit und Liegebett ausreichend Platz bietet. Mittels Digitalplattform kann der Arzt auf Rädern jederzeit auch einen Facharzt zurate ziehen.

Peter Schuller von Cisco
© Cisco / Christian Husar

"Wir wollen mit dem Gesundheitsbus den Ärztemangel bekämpfen", sagt Peter Schuller, der Verantwortliche für Cisco-Digitalisierungsprojekte in Österreich, zur "Wiener Zeitung". In Deutschland sind solche mobilen Arztpraxen schon seit mehreren Jahren im Einsatz - in insgesamt zehn Bussen. In Hessen steuert ein derartiger Medi-Bus der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen seit Juli 2018 regelmäßig ausgewählte Gemeinden an - mit finanzieller Unterstützung des hessischen Sozialministeriums.

"Das Gute ist, die Plattform ist komplett. Wir sind startklar", sagt Schuller. Wann in Österreich die erste als "Gesundheitsbus" bezeichnete rollende Ordination unterwegs sein wird und wo, ist offen und hängt von den Vertragspartnern ab: "Besser gestern als heute, der Bedarf ist schon längst da." Wunsch-Szenario sei, dass ein Kassenarzt die Möglichkeiten der mobilen Praxis nützt. Informelle Gespräche mit der Gesundheitskasse (ÖGK) hat es nach seinen Angaben gegeben, den Kontakt werde man nun auffrischen. Gut vorstellbar sei, dass Jungärztinnen, die eine Babypause gemacht haben, als Teilzeit-Hausärztin unterwegs sind.

Angebot für Ärztinnen in Teilzeit

Der Vorteil sei, dass man bis zu vier Orte am Tag ansteuern könne. "Es muss nah am Patienten sein, das ist das Wichtigste", bekräftigt Schuller. Eine zweite Möglichkeit für den Einsatz des Großbusses ist die Gesundheitsversorgung von Beschäftigten direkt bei Unternehmen.

Für die Ärzte würde sich dann das Problem der Suche nach einer Ordination nicht mehr stellen. Die Gesundheitskasse greift bei der Organisation der Räumlichkeiten für eine Praxis interessierten Ärzten schon jetzt unter die Arme.

Obwohl sich die Besetzung mit Kassenärzten gerade im ländlichen Raum teilweise hinzieht und eine Reihe von Praxen unbesetzt sind, zeigte sich die Gesundheitskasse zurückhaltend. "Wir haben österreichweit ein sehr dichtes Kassenärzte-Netz. 97 Prozent der Vertragsordinationen sind besetzt. Durch die Möglichkeiten im Bereich der Telemedizin können Ärztinnen und Ärzte noch besser erreicht werden. Eine mobile Lösung käme nur in Frage, wenn es sonst nicht mehr gelingt, die Versorgungslücken zu schließen", teilte die ÖGK auf Anfrage mit.

Aus Erfahrungen in Deutschland weiß man, dass der Medi-Bus nicht nur der medizinischen Versorgung dient. "Es gibt Gegenden, da ist der Bus ein sozialer Hotspot geworden", schildert Schuller. Um dies zu unterstreichen und das Warten angenehmen zu gestalten, sind die Busse mit ausrollbaren Markisen ausgestattet. Imbissbude ist damit naturgemäß freilich keine verbunden.