In der Kinder- und Jugendarbeit tätige Einrichtungen und Vereine können seit 2014 auf eine "Strafregisterbescheinigung Kinder- und Jugendfürsorge" zurückgreifen, wenn Job-Bewerber oder ehrenamtliche Mitarbeiter in direkten und regelmäßigen Kontakt mit Kindern kommen. Der Haken an der Sache: länger zurückliegende Verurteilungen zu Sexualstraftaten scheinen selbst in dieser erweiterten Strafregisterbescheinigung mitunter nicht auf.

Kinderschutzorganisationen und der Alpenverein (ÖAV) sehen daher legistischen Handlungsbedarf. In einer Strafregisterbescheinigung sehen sie kein beziehungsweise ein bedingt geeignetes taugliches Mittel, um das Vorleben von Bewerbern oder ehrenamtlichen Mitarbeitern auf allfällige Übergriffe auf Kinder und Jugendliche zu überprüfen.

Aktueller Fall

Beim Alpenverein hat beispielsweise ein zertifizierter Outdoor-Guide und Kletterlehrer bis Mai 2022 Kurse für acht bis zwölf Jahre alte Kinder gehalten, obwohl er einst wegen sexuellen Missbrauchs von Unmündigen, geschlechtlicher Nötigung und Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses verurteilt worden war. Wie ÖAV-Vizepräsidentin Nicole Slupetzky bekräftigte, schien dieser Umstand nicht auf, als die ÖAV-Sektion, über die der Mann seine Kurse anbot, sich seine "Strafregisterbescheinigung Kinder- und Jugendfürsorge" beschaffte. Seine Vorstrafe war getilgt. Der Mann gilt damit als gerichtlich unbescholten.

Tilgung im Strafregister-Auszug

Grundsätzlich werden hierzulande nur Sexualstraftaten bei einer Verurteilung zu einer mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe nicht getilgt und scheinen daher ein Leben lang im Strafregisterauszug auf. In anderen Fällen bleibt die Verurteilung zwar grundsätzlich im Strafregister der Polizei erhalten, das sämtliche rechtskräftige Verurteilungen er- und umfasst. In puncto Strafregisterauszug tritt allerdings nach Ablauf bestimmter Fristen eine Tilgung ein. Die Verurteilung scheint dann nicht mehr auf, das Urteil wird aus dem Register gelöscht.

Generell gilt: bei Verurteilungen zu maximal einem Jahr Haft tritt die Tilgung fünf Jahre ab Vollzug der Freiheitsstrafe ein. Bei einer Verurteilung zu Haftstrafen zwischen einem und drei Jahren beträgt die Tilgungsfrist zehn Jahre, bei einer mehr als dreijährigen Freiheitsstrafe erhöht sich die Frist auf 15 Jahre. Für Sexualstraftäter verlängern sich gemäß Tilgungsgesetz bei unbedingten Freiheitsstrafen die Tilgungsfristen grundsätzlich um die Hälfte. In besonders schweren Fällen wie Vergewaltigung verdoppelt sich die Tilgungsfrist.

In der Praxis bedeutet das, dass minderschwere Sexualdelikte nach einem gewissen Zeitablauf im Strafregisterauszug keinen Niederschlag mehr finden. ÖAV-Vizepräsidentin Slupetzky, die auch Bundesjugendleiterin des Alpenvereins ist, fordert daher für wegen Kindesmissbrauchs und ähnlicher Delikte Vorbestrafte ein grundsätzliches Berufs- und Tätigkeitsverbot in der Kinder- und Jugendarbeit ("Wir brauchen ein Mittel, das Kinder und Jugendliche schützt"). "Man sollte die Überprüfung, ob ehrenamtliche Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendarbeit ein einwandfreies Vorleben aufweisen, im Sinne des Opferschutzes nicht uns Vereinen umhängen", meinte sie.

Experten fordern Bundesgesetz

Expertinnen wie die Leiterin des Kinderschutzzentrums Möwe, Hedwig Wölfl, oder Martina Wolf, Geschäftsführerin im Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren, forderten zuletzt ein österreichweit geltendes Kinderschutzgesetz, in dem geregelt wird, wer mit Kindern unter welchen Voraussetzungen tätig werden darf. Sie machten sich für ein Zertifizierungsverfahren stark, das man zukünftig durchlaufen muss, ehe man beruflich mit Kindern und Jugendlichen arbeiten darf. Diese Forderung wird von den Grünen unterstützt. Dass es wegen sexuellen Missbrauchs vorbestraften Personen möglich sei, sich mittels freiem Gewerbe für Freizeit- oder Sport-Kurse für Kinder ein Gelegenheitsverhältnis zu schaffen, sei problematisch, hatte zuletzt Grünen-Sportsprecherin Agnes Prammer eingeräumt.

Politik denkt nach

Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) denkt nun über Berufs-und Tätigkeitsverbote in der Kinder- und Jugendarbeit für wegen Kindesmissbrauchs und ähnliche Delikte rechtskräftig abgeurteilte Täter nach.

"Wir müssen gemeinsam mit der Justiz schleunigst weitreichendere Berufsverbote für Täter in diesem Bereich abwägen, denn ehrenamtliche Vereine und Organisationen brauchen Instrumente, um Sicherheit gewähren zu können", meinte Plakolm Mittwochmittag. Wer sich an unmündigen Kindern oder Minderjährigen vergangen oder diese gar vergewaltigt habe, "hat in der Jugendarbeit nichts verloren", betonte Plakolm.

Plakolm appellierte in diesem Zusammenhang an alle Vereine und ehrenamtlichen Organisationen, bei der Überprüfung von Bewerbern und Mitarbeitern die vorhandenen Möglichkeiten - etwa die seit 2014 vorgesehene erweiterte Strafregisterbescheinigung - zu nutzen und auszuschöpfen. Neben der speziellen "Strafregisterbescheinigung Kinder- und Jugendfürsorge" gibt es seit knapp zwei Jahren auch eine erweiterte "Strafregisterbescheinigung Pflege und Betreuung" für berufliche und ehrenamtliche Tätigkeiten in diesem Bereich. Bereits getilgte Vorstrafen scheinen aber auch in diesen Strafregisterauszügen nicht auf. (apa)