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Wenn Politiker übers Zocken reden

Von Daniel Bischof

Politik

Österreichs Politik hat sich bisher kaum für die Videospiel-Szene interessiert. Ein Tauwetter deutet sich an.


Computerspiele und Österreichs Politik: Das war bisher keine Liebesgeschichte. Zwar boomte das Videospielen in den vergangenen Jahrzehnten. Die heimische Politik interessierte sich dafür aber kaum. Wenn Videospiele politisch aufschlugen, dann meist mit bitterem Beigeschmack. So etwa bei Debatten über das Verbot von "Killerspielen" oder das Suchtpotenzial der Spiele. Positive Bilder waren rar.

Ein zarter Paradigmenwechsel deutet sich an. Videospiele sind in der Politik und im Nationalrat angekommen. Teils sogar mit einer positiven Konnotation. Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler (Grüne) richtete eine Arbeitsgruppe zum E-Sport - der Wettkampf in Videospielen - ein. Diese Woche wurde deren Endbericht im Nationalrat diskutiert. Jugend-Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) rührte für Videospiele bereits im Mai die Werbetrommel: "Was kann es Cooleres geben, als neben einer Ski- auch eine Gaming-Nation zu werden?"

Von einer solchen Gaming-Nation ist Österreich aber weit entfernt. Während die Videospielentwicklung in mehreren Staaten als Wirtschaftsfaktor gilt, ist sie hierzulande überschaubar. Laut Daten der Wirtschaftskammer und Branchenvertretern aus 2020 gibt es in Österreich 87 Studios, die jährlich insgesamt 24 Millionen Euro Umsatz machen. Rund 500 Mitarbeiter sind in der Branche beschäftigt. Zum Vergleich: Dem polnischen Gaming-Branchenreport 2021 zufolge bringt es Polen auf 470 Videospielentwickler und Herausgeber. 12.110 Menschen arbeiten in der Industrie, die 2020 insgesamt 969 Millionen Euro erwirtschaftete. In anderen EU-Länder wie Finnland und Schweden hat sich in den vergangenen Jahren ebenfalls eine starke Videospiel-Branche etabliert.

Höhere Wertschätzung in Polen

Von anderen EU-Staaten abgehängt wird Österreich zudem im E-Sport. Das polnische Katowice hat sich etwa zum bedeutenden Austragungsort für Videospiel-Turniere gemausert. 174.000 Besucher zählte das Turnier in Vor-Corona-Zeiten im Jahr 2019, um 2,5 Millionen Euro Preisgeld wurde damals gespielt.

Beim A1 Austrian E-Sports-Festival, der größten Veranstaltung dieser Art in Österreich, beträgt das Preisgeld 14.000 Euro. Es geht diesen Samstag in Wien über die Bühne. Die im Vergleich zu anderen Staaten geringe Bedeutung schlägt sich auch bei den Wettkämpfen selbst nieder: Österreichische Spieler, die an der Spitze mitmischen, sind Raritäten. Dem E-Sport Verband Österreich ist ein gutes Dutzend E-Sportler bekannt, das hauptberuflich davon leben kann. Die Zahl der E-Sportler insgesamt liegt hierzulande bei geschätzten 50.000 Personen.

Der Erfolg der polnischen Szene liegt nicht zuletzt am gesellschaftlichen und politischen Ansehen, das sie in ihrer Heimat genießt. Steuererleichterung für Videospiel-Unternehmen wurden frühzeitig geschaffen. Die Erfolge polnischer Unternehmen hatten Vorbildwirkung und nahmen Investoren die Angst. In Ländern wie Deutschland habe es viel länger gedauert, bis Videospiele in der Mitte der Gesellschaft als Kulturgut und wertvolle Industrie angekommen seien, sagte Odile Limpach, Professorin am "Cologne Game Lab" an der Technischen Hochschule Köln. "Es musste lange gegen Vorurteile angekämpft werden", so Limpach.

Im E-Sport will nun auch die österreichische Politik Impulse setzen. Die von Vizekanzler Kogler gegründete Arbeitsgruppe will Rahmenbedingungen und Strukturen für die heimische Szene schaffen. In der Gruppe waren E-Sport- und Sportfunktionäre, Politiker, Juristen und Forscher vertreten. Ihr Endbericht liegt der "Wiener Zeitung" vor.

Eine umstrittene Gleichstellung

Der Bericht fordert die politische Integration des E-Sports ein. Diese könne durch eine interministerielle Stelle zwischen Sport- und Digitalisierungsministerium angetrieben werden. Zudem mahnt der Bericht die Angleichung zwischen traditionellen Sportarten und E-Sport ein. Er verweist etwa auf Probleme bei der Gemeinnützigkeit von E-Sport-Vereinen. Ansuchen dazu würden derzeit von Fall zu Fall entschieden werden, es gebe damit keine Rechtssicherheit für die Vereine. Daher solle E-Sport als gemeinnütziger Zweck anerkannt werden, sofern ein Verein auch alle anderen steuerrechtlichen Vorgaben erfülle. Zugleich solle wie für andere Sportler auch die Sportlerpauschalierung für E-Sportler verfügbar sein.

Eine politisch klare Sache ist das nicht. Im Nationalrat waren diese Woche bei der Debatte des Berichts unterschiedliche Meinungen zu hören. Skeptisch zu einer Anerkennung des E-Sports als Sportart war Nationalratsabgeordnete Petra Steger (FPÖ). Ihr fehlte in dem Bericht die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema.

So habe der Deutsche Olympische Sportbund in einem Gutachten festgestellt, dass E-Sport gerade kein Sport sei, so Steger. "Als ehemalige Profisportlerin tut es mir fast richtiggehend weh, E-Sport als Sport zu bezeichnen." Auch müsse gerade jetzt wegen der Corona-Pandemie "alles getan werden, die Kinder weg von den Bildschirmen und Computern zu bekommen".

Es sei auch ihr Anliegen, dass Kinder und Jugendliche ein abwechslungsreiches Freizeitangebot nützen können, so Mandatarin Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP). Zugleich dürften aber nicht die Lebensrealitäten von jungen Menschen und positive Seiten verkannt werden. So könne das Spielen das logische und kooperative Denken fördern. Rahmenbedingungen für den E-Sport seien in Österreich notwendig.

Mandatar Süleyman Zorba (Grüne) sah viele Gemeinsamkeiten zwischen E-Sport und traditionellem Sport. Erfolgreiche E-Sportler würden "nicht selten über die Geschicklichkeit eines Bogenschützens verfügen". "Dass Schach ein Sport ist, steht außer Streit", sagte SPÖ-Politikerin Ruth Becher. Ihre Partei stehe der Entwicklung offen gegenüber, sie dürfe aber nicht auf Kosten der klassischen Sportförderung gehen. Ihre Parteikollegin Petra Vorderwinkel sagte wiederum: "Shooter-Spiele haben meiner Meinung nach gar nichts mit Sport zu tun."

Bericht wird geprüft

Manuel Haselberger, Funktionär des E-Sport Verbandes Österreich, sieht im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" bereits den Bericht und die Diskussion darüber als Erfolg an. Politisch und gesellschaftlich sei die Wertschätzung der Gaming-Szene bereits in den vergangenen Jahren gestiegen, so Haselberger, der auch Mitglied der E-Sport-Arbeitsgruppe war.

Bei der Gründung des E-Sport Verbandes 2007 sei man noch vielfach damit beschäftigt gewesen, Aufklärungsarbeit in der "Killerspiel"-Debatte zu leisten. Dank Initiativen wie der Game City - eine jährliche Videospielmesse im Wiener Rathaus - sei es gelungen, das Image der Szene über die Jahre zu verbessern. Mittlerweile sei die häufigste an ihn gestellte Frage: "Wie viele E-Sportler können hauptberuflich davon leben?" Vorbehalte wie etwa von Sportfunktionären gegenüber dem E-Sport gebe es zwar nach wie vor. Allerdings sei es in der Arbeitsgruppe auch gelungen, gut miteinander zu diskutieren und Vorschläge zu erarbeiten.

Wie es nun mit dem Bericht weitergeht, entscheidet die Politik. Aus dem Sportministerium heißt es, dass dieser nun studiert wird und dann weitere Schritte gesetzt werden.