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Was "Reichensteuern" bringen (könnten)

Von Martina Madner

Politik
Auch wer eine Luxusimmobilie in Wien erbt, muss dafür keine Erbschaftssteuer bezahlen.
© stock.adobe.com / Roman Babakin

Höhere Grund- und neue Erbschaftssteuern könnten den Faktor Arbeit entlasten und Investitionen finanzieren.


Die Grünen im Bund, konkret Sozialminister Johannes Rauch, hatte das Thema in der "Tiroler Tageszeitung" aufgebracht: Steuern auf Millionenerbschaften. "Jene Menschen, die in den vergangenen 15 Jahren durch ein Erbe enorm profitiert haben, müssen jetzt einen gerechten Beitrag leisten zur Bewältigung der Krisen", sagte Rauch. "Ich weiß schon, diese Debatte will man in der ÖVP nicht führen. Für mich ist jedenfalls eine Steuer auf große Erbschaften eine Frage der sozialen Gerechtigkeit."

Vor dem Ministerrat sagte Rauch dann: "Die ÖVP wird sagen, das geht sich nicht aus." Ihm gehe es darum, die "Debatte in Gang zu halten". Es dauerte trotzdem nicht lange, sondern gerade einmal bis nach dem Ministerrat, und ÖVP-Klubobmann August Wöginger erklärte die Debatte für beendet: "Aktuell ist nicht die Zeit dafür, die Leute zu be-, sondern zu entlasten".

Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erklären Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller und Karoline Mitterer, Expertin für Finanzwirtschaft und Steuerung öffentlicher Leistungen beim KDZ-Zentrum für Verwaltungsforschung, dass mehr oder höhere Steuern auf Vermögenswerte, konkret Erbschafts-, Schenkungs- wie Grundsteuern nicht sofort eingeführt werden sollten, um den Teuerungsausgleich gegenzufinanzieren. "Das schafft nur Verunsicherung und kann ökonomische Aktivitäten dämpfen", sagt Schratzenstaller.

Wohl aber macht die Wiedereinführung solcher Steuern und Erhöhung bei den Grundsteuern mittel- und langfristig in den Augen der Expertinnen Sinn, um Ungleichgewichte im Steueraufkommen zu beseitigen und auch strukturell umzusteuern.

Österreich ist bei Vermögen ein Niedrigsteuerland

Auch international ist der Anteil, den vermögensbezogene Steuern an den gesamten öffentlichen Einnahmen aus Abgaben ausmachen mit einem nicht einmal fünfprozentigen Anteil nicht sehr groß. Allerdings gehört Österreich im Vergleich mit 37 anderen OECD-Ländern selbst dabei zu den Schlusslichtern: und landet an siebentletzter Stelle, wie die eigens für die "Wiener Zeitung" erstellte Wifo-Berechnung der Durchschnittswerte von 2018 bis 2020 zeigt.

© OECD, Wifo, WZ-Grafik

Konkret machen die Grundsteuern in Österreich nur einen Anteil von 0,21 Prozent aus, die Kapitalverkehrsteuern weitere 0,33 Prozent. Steuern auf Bestandsvermögen gibt es seit Mitte der 1990er-Jahre in Österreich nicht mehr. 2008 wurde die Erbschafts- und Schenkungssteuer ersatzlos abgeschafft.

Der Verfassungsgerichtshof hatte davor eine Neuregelung verlangt, weil Kapital- und Immobilienvermögen wegen der zu niedrigen Bewertung zweiterer ungleich behandelt worden waren. Die damalige Regierung unter Führung von Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) und Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) konnte sich auf kein neues Modell einigen, deshalb lief die alte Regelung mit 31. Juli 2008 einfach aus.

Nach einem "Es reicht" Molterers wurde im Herbst neu gewählt, aber auch SPÖ-Kanzler Werner Faymann und ÖVP-Vizekanzler Josef Pröll schufen kein Ersatzmodell. So kommt es, dass der Anteil an vermögensbezogenen Steuern mit einem minimalsten Anteil an 0,01 Prozent an anderen Steuern nur 0,56 Prozent am gesamten steuerlichen Aufkommen ausmacht.

Steuerstrukturreform vorbereiten

Trotzdem sagt Wifo-Expertin Schratzenstaller, dass kurzfristige Änderungen nicht nur nicht sinnvoll, sondern auch nicht notwendig sind: "Die Fiskalregeln sind bis Ende 2023 ausgesetzt, und es sieht im Moment nicht so aus, als ob sich die konjunkturelle Lage deutlich verschlechtern würde." Das sei auf den sogenannten BIP-Nenner-Effekt zurückzuführen, schließlich blähen die Einnahmen wegen der hohen Inflation und aus den Einkommenssteuern das Bruttoinlandsprodukt im Moment auf.

Prognosen halten derzeit zwar nicht lange – laut der mittelfristigen des Fiskalrates vom 6. Juni aber ist in Österreich heuer mit einem Budgetdefizit von 2,9 Prozent und einer Schuldenquote von 79,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu rechnen, bis 2026 werde diese kontinuierlich auf 67,7 Prozent des BIPs sinken.

"Was man aber schon tun sollte, ist, strukturelle Reformen vorzubereiten", sagt Schratzenstaller. Der Grund: Die Belastung des Faktors Arbeit sei mit Einkommenssteuern, Sozialversicherungsabgaben und Lohnnebenkosten hoch. Auch die Einnahmen aus Umweltsteuern, darunter die Mineralölsteuer als größter Posten, spielten zuletzt eine geringere Rolle. "Vermögen aber wird kaum besteuert, das sorgt auch für ein soziales Ungleichgewicht", sagt Schratzenstaller.

Ein Wiedereinführen von Erbschafts- und Schenkungssteuern, "weil es hierbei empirische Evidenz für weniger Ausweichreaktionen gibt als bei laufenden Steuern auf Vermögen". Mit Wegzugsbesteuerungsregelungen, also dass die Steuerpflichtigkeit nicht sofort, sondern auch nach einem Umzug in ein anderes Land erst nach einigen Jahren endet, könnte man Ausweichreaktionen zusätzlich vermindern.

"Wichtig und richtig wäre es, sich auf hohe Erbschaften zu konzentrieren und nicht die breite Masse", sagt Schratzenstaller. "Das Vererben oder Verschenken eines durchschnittlichen Eigenheims muss jedenfalls steuerfrei bleiben." Auch bei Unternehmen brauche es Ausnahmen und Stundungsregelungen, damit diese nicht Zahlungsschwierigkeiten kommen. "Außerdem ist es unbedingt notwendig, über Privatstiftungen zu reden, in denen die großen Vermögen enthalten sind."

Erhöhung der Grundsteuern hilft Gemeindefinanzen

Um Erbschafts- und Schenkungssteuern wieder einzuführen, aber auch, um die Grundsteuern zu erhöhen, ist laut Schratzenstaller ein "vernünftiges Bewertungssystem von Wohnimmobilien und Grundstücken Voraussetzung". Denn: "Die dramatische Unterbewertung von Immobilien- im Vergleich zu Kapitalvermögen war ja der Grund für den Verfassungsgerichtshof, diese Steuern aufzuheben." Die Grundsteuern orientieren sich im Wesentlichen am Wert der Immobilien in den 1970ern, sagt auch Mitterer.

Die Einnahmen der Gemeinden aus Grundsteuern seien innerhalb der vergangenen zehn Jahre nur um 23 Prozent angestiegen, die Ertragsanteile an den Steuern des Bundes aber um 44 Prozent, "also nur halb so stark", rechnet die Verwaltungsexpertin vor. Deshalb rät auch sie mittelfristig zur Vorbereitung der "seit vielen Jahren aufgeschobenen" Grundsteuerreform.

Die Berechnung der Einheitswerte ist im Übrigen nicht nur lange her, sie war auch kompliziert. "Für die Bewertung sollte es aber keine Rolle spielen, mit welchem Dach ein Gebäude gedeckt ist, sondern künftig die Lage entscheidend sein", schlägt Mitterer vor. Ein Zinshaus in der Leopoldstadt in Wien wäre damit höher bewertet als eines in Floridsdorf, ein Grundstück in Mödling jedenfalls noch deutlicher als im Waldviertel – und damit mehr Grund- genauso wie Erbschafts- und Schenkungssteuern fällig.

Mittelfristig sollten sich diese oder künftige Bundesregierungen auch wieder mit der Effizienz in der Verwaltung beschäftigen. "Ich verstehe schon, dass es in den kurzfristigen Feuerlöschaktionen in der Krise dafür wenig Zeit bleibt", sagt Schratzenstaller, die dabei an Ineffizienzen im Bildung- und im Gesundheitswesen erinnert.

Auch Mitterer erinnert an das notwendige Geld für Zukunftsinvestitionen – Stichworte: Klimaschutz, Kinderbetreuung, Bildung. "Auf der Gemeindeebene könnte man mit Kooperation und Fusionen Effizienzen heben, also größere Einheiten schaffen."