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Türkis-blaues "Kasperltheater" mit Nachspiel

Von Karl Ettinger

Politik

SPÖ-Kassenvertreter sehen nach Höchstgerichtsurteil das Sozialministerium als Aufsicht gefordert.


Die roten Funktionäre in der Sozialversicherung sprechen auch drei Jahre danach noch erbost von einem "Kasperltheater". Sie schämen sich sogar, wie Andreas Huss betonte, weil darunter das Image der selbstverwalteten Sozialversicherungsträger leidet. Dies, obwohl der Verwaltungsgerichtshof (nicht wie am Dienstag berichtet das Bundesverwaltungsgericht) ihrer Beschwerde gegen die Vorgänge 2019 rund um die Bestellung des Topmanagements mit türkis-blauer Mehrheit stattgegeben hat. In dem Höchstgerichtsurteil wird nun festgehalten, dass formale Erfordernisse vor der Bestellung des Büroleiters und seines Stellvertreters im Dachverband der Sozialversicherung im Juni 2019 "rechtswidrig" nicht eingehalten worden sind.

Welche nachträglichen Konsequenzen das knapp 30 Seiten umfassende Höchstgerichtsurteil tatsächlich hat, ist allerdings ungewiss. Die drei SPÖ-Vertreter, darunter mit der Leitenden ÖGB-Sekretärin Ingrid Reischl die derzeitige Vorsitzende der zehn Mitglieder umfassenden Konferenz der Sozialversicherungsträger, sehen Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) als Aufsichtsbehörde am Zug. Anwalt Dominik Öllerer hat die Beschwerde mit Berufung bis vor den Verwaltungsgerichtshof durchgefochten.

Sozialministerium will bei Bedarf Konsequenzen ziehen

Noch ungewisser ist, ob und welche Konsequenzen die rechtswidrige Vorgangsweise durch die türkis-blaue Mehrheit im Vorfeld der Büroleiterbestellung für die Krankenversicherten hat oder haben könnte. Im Büro vom Sozialministerium hat man am Dienstag das schon am 14. Juli ergangene Urteil noch nicht zugestellt bekommen. Daher könne man vorerst nichts dazu sagen, wurde erklärt. Wenn das Erkenntnis vorliege, werde man dieses prüfen. Dann werde man Stellung beziehen. Bei Bedarf werde man in der Funktion als Aufsichtsbehörde der Sozialversicherung auch notwendige Konsequenzen ziehen.

In die Vorgänge im Frühsommer 2019 war auch Matthias Krenn auf Dienstgeberseite involviert, ein Hotelier, der für die FPÖ Bürgermeister in Bad Kleinkirchheim in Kärnten ist und somit klar den Freiheitlichen zugeordnet werden kann. Er ist jeweils halbjährlich Obmann im Verwaltungsrat der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). In dieser ist es nach der Fusion der neun Gebietskrankenkassen 2020 durch die türkis-blaue, heftig umstrittene Reform des Sozialversicherungsimperiums zum Machtwechsel gekommen, die SPÖ-Kassenvertreter wurden in die Minderheitenrolle gedrängt.

Als nicht zulässig stuften die Höchstrichter unter anderem ein, dass die Kür am 27. Juni rechtswidrig mit zwei Sitzungen innerhalb von nur zehn Minuten durchgepeitscht wurde; in der kurzen Zeit sollten rund 400 Seiten an Unterlagen über sechs Bewerber und acht Kandidaten für den Stellvertreterposten durchgelesen werden; mit nicht rechtzeitigen Einladungen wurden ebenfalls Pflichten verletzt.

Mit türkis-blauer Unterstützung wurde dennoch Martin Brunninger als Büroleiter und damit Topmanager bestellt und als Stellvertreter Alexander Burz. Ausgerechnet in der Vorwoche hat die Trägerkonferenz Brunninger nunmehr einstimmig als Büroleiter suspendiert, er hat dann von sich aus den Job quittiert, Burz ist als Büroleiter nachgerückt. Die SPÖ-Kassenvertreter sind wegen der Vorgänge vor der Bestellung 2019 nun jedenfalls gegen Burz und wollen eine Neuausschreibung.

Arbeitsrechtlicher Konflikt nach Suspendierung droht

Katharina Körber-Risak, Anwältin Brunnigers, betonte: "Die Bestellung ist für uns nicht das Thema." Denn ihr Mandat sei nicht in das Bestellverfahren eingebunden gewesen. Arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen stehen offenkundig bevor. So hat die Anwältin offizielle Anfragen an den Dachverband und das Sozialressort gestellt, was Brunninger konkret vorgeworfen werde. Außerdem werde man Klage wegen Verdienstentgangs einbringen.(ett)