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Der Bund finanziert bessere Betreuungsschlüssel

Von Martina Madner

Politik
Bei einer Verbesserung des Betreuungsschlüssels auf 1 zu 4 in Kinderkrippen und auf 1 zu 10 in Kindergartengruppen für Drei- bis Sechsjährige gibt es Geld vom Bund. 
© Family Business

Länder mit schlechtem Fachkraft-Kind-Verhältnis wie beispielsweise Vorarlberg und Tirol müssen es allerdings abholen.


Eine Pädagogin spielt mit zwei Kindern Memory. In der Puppenecke geraten sich drei weitere wegen einer Babypuppe in die Haare. In der Bauecke fällt ein wackeliger Turm um, das Kind weint enttäuscht, benötigt emotionale Unterstützung. Und ein weiteres Kind ruft aus der Toilette, dass es fertig ist und Hilfe braucht. Die Pädagogin kann sich aber nicht teilen. Sie hat bei bis zu 25 Kindern nur eine Assistentin als Unterstützung – und diese bereitet gerade die Jause vor.

"Und wenn noch Abholzeit ist und man Eltern Wichtiges sagen muss, dann ist es noch schlimmer", skizziert Karin Samer, Betriebsratsvorsitzende für den pädagogischen Bereich der Wiener Kinderfreunde, den Alltag in vielen Kindergärten. Es brauche mehr bezahlte Vorbereitungszeit, bessere Personalschüssel als heute, bessere Arbeitsbedingungen: "Weil, wenn wir das nicht schaffen, verschiedet sich noch mehr Personal", sagt Samer.

Personelle Engpässe werden dramatischer

Beim Personal in Kindergärten gibt es ohnehin bereits Engpässe: Die "Wiener Zeitung" berichtete, dass steirische Kindergärten per Elternbrief "Alarm" schlagen und wegen des Personalmangels im Herbst Öffnungszeiten reduzieren, eventuell müssen sie sogar Gruppen schließen.

Mittelfristig wird die Personalnot noch stärker, weil 13 Prozent der im Kindergarten Beschäftigten bereits im Alter über 55 Jahren sind. Dabei bräuchte es laut Samer auch ganz ohne Pensionierungswelle Verbesserungen der Rahmenbedingungen, damit die Pädagoginnen und Assistentinnen (nur 3,2 Prozent sind männlich) in den Beruf einsteigen "und nicht bald wieder aussteigen".

Ingrid Moritz, Leiterin der Frauen- und Familienabteilung der Arbeiterkammer, erinnert im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" an die Sozialpartner-Forderung nach einer Milliarde Euro jährlich an Investitionen für Kinderbetreuung statt der 200 Millionen Euro jährlich, die die Regierung den Ländern per 15a-Vereinbarung zusichert. Ein Teil des Geldes müsse unbedingt für mehr Personal aufgewendet werden: "Man kann Kinder ganz anders fördern, wenn Gruppen kleiner sind", begründet Moritz. Außerdem sei ein Bundesrahmengesetz mit hohen Mindeststandards für die Qualität der Elementarbildung notwendig.

Die Nationalratsabgeordnete Sibylle Hamann, Bildungssprecherin der Grünen, stellt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" klar, dass in der kürzlich im Parlament verabschiedeten 15a-Vereinbarung für die Kindergartenjahre 2022/23 bis 2026/27 Bundesfördergeld vorgesehen ist, wenn der Betreuungsschlüssel verbessert werde: "Für die Verbesserung des Personalschlüssels gibt es Personalkostenzuschüsse. Wir subventionieren das, wenn die Länder Fach- und Assistenzkräfte anstellen", sagt Hamann.

Bundesrahmen scheitert auch an der SPÖ und den Neos in den Bundesländern

Ein einheitlicher Bundesrahmen oder auch vorgegebene Personalschlüssel seien zwar grüne Linie, aber selbst wenn die ÖVP mit an Bord wäre, könne die Regierung den Bundesländern solche nicht vorschreiben, weil das nicht Bundeskompetenz ist: "Wir können nichts gegen den Widerstand der Länder durchsetzen. Und gegen einen bundesweit einheitlichen Rahmen haben sich alle neun Bundesländer ausgesprochen – auch die, in denen die Neos und die SPÖ verantwortlich sind", sagt Hamann mit einer Spitze gegen diese beiden Parteien. Denn im Bund sprechen sich sowohl die Neos als auch die SPÖ für die Milliarde Euro jährlich an Investitionen aus, und kritisierten die Regierung für die "kleinen Summen" (O-Ton Neos-Abgeordnete Martina Künsberg Sarre) und die "Mogelpackung" (O-Ton SPÖ-Abgeordnete Petra Tanzler).

Konkret sieht die 15a-Vereinbarung ab Herbst nun Personalkostenzuschüsse für maximal drei Betriebsjahre zur Verbesserung "des Betreuungsschlüssels auf 1:4 in elementaren Bildungseinrichtungen für unter Dreijährige" vor, und "1:10" für Drei- bis Sechsjährige. Dafür gibt es maximal 45.000 Euro pro vollzeitbeschäftigter Fachkraft und maximal 30.000 Euro pro vollzeitbeschäftigter Hilfskraft und Jahr.

Der Aufholbedarf ist unterschiedlich: Im Österreich-Durchschnitt kommt eine pädagogische Fachkraft oder Assistenzkraft auf 3,6 Krippenkinder. Pro ausgebildete Pädagogin oder Pädagogen verschlechtert sich der Personal-Kind-Schlüssel auf 1 zu 7 in der Kinderkrippe. In Vorarlberg ist das Verhältnis Fachkraft zu Kind mit 1 zu 9,5 besonders schlecht, in Tirol mit 1 zu 8,6 kaum besser. Kärnten steht mit 1 zu 4,1 dagegen besonders gut da bei Krippenplätzen.

In Kindergärten haben Vorarlberg, Salzburg und Kärnten dagegen die besten Personalschlüssel österreichweit. Dafür müssen sich durchschnittlich 14,7 steirische Drei- bis Sechsjährige eine Pädagogin oder einen Pädagogen teilen, in Tirol sind es 13,7 Kinder und in Niederösterreich 12,3.

Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Genauso viel Geld sowie Investitionskostenzuschüsse in der Höhe von maximal 15.000 Euro pro Gruppe gibt es, wenn in Kindergärten vereinbarkeitsfreundliche Öffnungszeiten geschaffen werden. Die "Wiener Zeitung" berichtete bereits, dass es in Oberösterreich nur für 19,6 Prozent der Null- bis Zweijährigen Kinderkrippenplätze gibt. Davon einsprechen nur ein gutes Viertel (26,4 Prozent) dem Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf (ViF), sind also mit einer Berufstätigkeit vereinbar.

Bei der Vereinbarkeit sind aber auch Niederösterreich mit nur 31,4 Prozent ViF-konformen Kinderkrippen-Plätzen und Kärnten mit 36,3 Prozent Nachzügler.
Samer wünscht sich jedenfalls in Gruppen mit 20 Drei- bis Sechsjährigen zwei Pädagoginnen und eine Assistentin in Vollzeit: "Gleichzeitig und nicht nacheinander – und bei den jüngeren bei weniger Kindern noch mehr Personal."