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Zangenangriff von links und rechts

Von Karl Ettinger

Politik

Der ÖGB macht am 17. September mit Protesten mobil, Kickl bei seiner Wiederwahl zum FPÖ-Bundesparteiobmann.


Immer mehr Leute seien inzwischen "angefressen, sie wollen ihren Unmut ausdrücken". ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian nimmt sich selten ein Blatt vor den Mund. Entsprechend vollmundig klingt seine Ankündigung, wenn der Chef des 1,2 Millionen Mitglieder zählenden Gewerkschaftsbundes in Richtung Bundesregierung, Wirtschaft und Industrie losdonnert. Der ÖGB werde ein deutliches Zeichen setzen. Mit dem Ende der Schulferien werden die schon länger laufenden Vorkehrungen für einen bundesweiten Protesttag am Samstag, 17. September, abgeschlossen. Es geht um eine Machtdemonstration von links zur Durchsetzung weiterer Entlastungen wegen der Rekordpreissteigerungen und ein Signal vor den Lohnverhandlungen für einen "heißen Herbst".

Der Wahlkalender will es, dass am gleichen Tag die FPÖ in St. Pölten zu ihrem nächsten Bundesparteitag zusammentreffen wird. Nur eine Woche später steht in Tirol die vorgezogene Landtagswahl auf dem Programm, bei der die FPÖ vor allem auf Kosten der Landeshauptmannpartei ÖVP mit ihrem neuen Spitzenkandidaten Anton Mattle zulegen möchte. Am 9. Oktober folgt dann der erste Durchgang der Bundespräsidentenwahl.

Rosenkranz hat ausreichend Unterstützungserklärungen

Erklärtes Ziel der Freiheitlichen ist es, mit ihrem Hofburgbewerber Walter Rosenkranz, der am Dienstag 18.500 Unterstützungsunterschriften bei der Bundeswahlbehörde abgegeben hat, zu verhindern, dass Amtsinhaber Alexander Van der Bellen in der ersten Runde ohne Stichwahl wieder in die Hofburg durchmarschiert. Ein Auftritt von Rosenkranz ist Fixpunkt beim FPÖ-Parteitag.

Ein Angriff von rechts auf die Bundesregierung ist am 17. September in St. Pölten ebenfalls sicher. Dies nicht nur, weil der blaue Bundespräsidentschaftskandidat bisher nicht nur mit markigen Ansagen aufhorchen hat lassen. So würde er mit mehr als 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit die Bundesregierung entlassen, sollte er - was nach Umfragen höchst unwahrscheinlich ist - den Sprung in die Hofburg schaffen. Rosenkranz hat ganz nach dem Drehbuch des erprobten Wahlkampfmanagers im Hintergrund, Herbert Kickl, Kampfansagen an ÖVP und Grüne gerichtet, obwohl es sich nicht um eine Nationalratswahl handelt. Der FPÖ ist die Regierung zu nachlässig bei Maßnahmen gegen die Teuerung. Außerdem gehen der Partei, die einen Kooperationsvertrag mit der Partei des russischen Kriegsherrn Wladimir Putin geschlossen hat, die Sanktionen gegen Russland wegen des Kriegs gegen die Ukraine gegen den Strich.

Von Kickl ist zu erwarten, dass er am 17. September seine Attacken gegen die Regierung noch verstärken wird. Er steht selbst auf dem Prüfstand. Seine erste reguläre Wahl durch die Delegierten ist fixer Tagesordnungspunkt. Im Juni des Vorjahres ist er in Wiener Neustadt noch bei einem außerordentlichen FPÖ-Bundesparteitag zum Nachfolger von Norbert Hofer gewählt worden. Dieser musste im Frühjahr 2021 mit seiner konzilianten Art dem harten Oppositionskurs Kickls weichen. Norbert Hofer ist 2016 erst in einer Stichwahl und nach Wahlwiederholung dem früheren grünen Bundesparteichef Alexander Van der Bellen unterlegen.

Der FPÖ-Parteitag und die Wahl Kickls werden ein Maßstab sein, wie groß die Widerstände gegen ihn an der FPÖ-Spitze in den Reihen der Freiheitlichen tatsächlich sind. Zuletzt hat eine Anzeige gegen die Wiener FPÖ und die Meldung über Ex-FPÖ-Parlamentarier Hans-Jörg Jenewein, der mutmaßlich einen Suizidversuch unternommen haben soll, die Spekulationen um einen FPÖ-internen Machtkampf mit der Wiener Partei um Obmann Dominik Nepp befeuert. Bei seiner Kür im Juni des Vorjahres wurde Kickl mit 88,2 Prozent der Delegiertenstimmen zum FPÖ-Bundesobmann gewählt.

Gewerkschaft will sich nicht abspeisen lassen

Der Bundesregierung steht damit in der anhaltenden Krise um die Folgen des Krieges gegen die Ukraine und der galoppierenden Inflation ein Zangenangriff bevor. Von links marschiert Katzian mit seinen Gewerkschaftsmitgliedern am 17. September auf. Der Zeitpunkt ist nicht zufällig gewählt. Nur zwei Tage später beginnen die Lohnverhandlungen in der Metallindustrie, bei denen der Chef der roten Gewerkschaftsfraktion (FSG), der Oberösterreicher Rainer Wimmer, als Arbeitnehmervertreter der Produktionsgewerkschaft (ProGe) den Arbeitgebervertretern gegenübersitzen wird. Mit Warnstreiks wurde schon in den vergangenen Jahren nicht nur gedroht.

Katzian und Wimmer haben bereits klargemacht, dass ein Lohnabschluss unter der Inflationsrunde nicht akzeptiert wird. Mit Einmalzahlungen, wie von der Wirtschaft angedacht, wollen sich die nicht zufriedengeben. "Einmal und dann nix mehr", so sagte der ÖGB-Chef als Gast im ORF-Radio-"Mittagsjournal", könne nie ein Ersatz für eine dauerhafte Lohnerhöhung sein. Auch die Entlastungsmaßnahmen der Regierung sind für die Gewerkschaft kein Ersatz für kräftige Lohnerhöhungen.

Ein Punkt, auf den SPÖ und ÖGB seit Wochen drängen, ist ausständig: Die von ÖVP und Grünen zugesagte Strompreisbremse wird vor dem ÖGB-Protesttag präsentiert werden. Die Gewerkschaft mit Katzian an der Spitze verstärkt den Druck, weil die Teuerung längst nicht mehr nur Bezieher niedriger Einkommen betrifft, sondern "voll in der Mitte der Gesellschaft angekommen" sei.