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Regierung will weitere Anstrengungen für Gewaltschutz setzen

Von Martina Madner

Politik
Im Eingangsbereich ihres Wohnhauses in Bludenz wurde Ende August eine Frau von ihrem Ehemann erstochen.
© Mathis Fotografie / Dietmar Mathis

Angesichts von bereits 27 weiblichen Mordopfern 2022 und einer Evaluierung werden die Maßnahmen erweitert.


Am Abend des 30. August stach ein 36-Jähriger in Bludenz auf seine bereits von ihm getrennt lebende 32-jährige Ehefrau im Eingangsbereich ihres Wohnhauses ein. Die Frau verstarb noch an Ort und Stelle - und hinterlässt drei Kinder. Der mehrfach Vorbestrafte, gegen den auch mehrere Betretungs- und Annäherungsverbote verhängt wurden, befindet sich nun in Untersuchungshaft.

Insgesamt sind heuer bereits "27 weibliche Mordopfer im Alter zwischen sechs und 87 Jahren" zu verzeichnen, verdeutlichte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in einer Pressekonferenz mit Frauenministerin Susanne Raab, ebenfalls ÖVP, sowie Sozialforscherin und Gewaltpräventionsexpertin Sandra Messner und Marina Sorgo, Vorsitzende des Bundesverbands der Gewaltschutzzentren.

Justiz könnte häufiger U-Haft verhängen

Die hohe Anzahl an Frauenmorden war bereits 2021 der Grund für ÖVP und Grüne, den Schutz von Frauen vor der Gewalt ihrer aktuellen und ehemaligen Partner zu intensivieren und mit knapp 25 Millionen Euro jährlich auszustatten, die "Wiener Zeitung" berichtete. Die damals bereits angekündigte Evaluierung der Maßnahmen zeigt einige Stärken dieser auf, aber auch, dass manche noch verbessert werden müssen: "Mitarbeiterinnen von Gewaltschutzzentren wünschen sich, dass häufiger U-Haft gegen Täter verhängt wird. Das wird zwar von der Polizei häufig angeregt, aber von der Justiz nicht gemacht", sagt Messner beispielsweise.

Betretungs- und Annäherungsverbote würden hingegen "einhellig" als sehr geeignetes Mittel gesehen, um das subjektive Sicherheitsgefühl zu erhöhen: "Das ist eine Entlastung der Opfer." Die Befürchtung, dass zu häufig Ausnahmen gewährt würde, sei nicht eingetreten. Was bislang fehlt, ist, dass Betretungs- und Annäherungsverbote auch alleine wegen Stalkings oder Cyberstalkings verhängt werden können. Auch das Kontaktverbot könnte auf Anrufe und Textnachrichten ausgeweitet werden. Zudem könnten häufiger Haftbefehle bei Verstößen erlassen werden.

Ein bis zwei Prozent Hochrisikofälle

Auch die sechs Stunden Gewaltpräventionsberatung, die nach Betretungs- und oder Annäherungsverboten seit einem Jahr Pflicht für Täterinnen und Täter sind, um weitere Gewalt zu verhindern, werde von Gewaltschutz-Expertinnen positiv bewertet, weil es Menschen erreicht, die sonst keine Beratung in Anspruch genommen hätten, "40 Prozent nehmen weitere Unterstützung danach in Anspruch", sagt Gewaltpräventionsexpertin Messner.

Fallkonferenzen in Hochrisikofällen wurden laut Innenminister Karner bereits ausgeweitet: 2020 gab es 27, 2021 57 - bis Mitte September "fast 120". Sie seien aber "keine Methode, um Frauenmorde einhundertprozentig zu verhindern". Karner denkt deshalb Fallkonferenzen, wo Polizei, Justiz und NGOs besprechen, auch nach Morden an, um aus diesen zu lernen.

Sorgo geht davon aus, dass ein bis zwei Prozent der Täter, "es sind in den meisten Fällen Männer", Frauen sehr schwer zu verletzen drohen. Da die meisten der Täter - anders als der Mann in Bludenz - nicht amtsbekannt sind, trifft das vermutlich auf weit mehr als die 120 mit Fallkonferenzen heuer zu.