Die Verhandlungen über die Pensionserhöhung für 2023 ziehen sich. Die zweite Gesprächsrunde von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) mit Seniorenvertretern endete am Mittwochnachmittag ohne Ergebnis, wie der "Wiener Zeitung" erklärt wurde. Ein neuer Verhandlungstermin wird gesucht. Vor allem zwischen der Forderung des SPÖ-Pensionistenverbandes nach einer Erhöhung um zehn Prozent und den Vorstellungen des Sozialministers klafft eine große Lücke. Für den ÖVP-Seniorenbund sind die vor allem Heizkosten ein Unsicherheitsfaktor.

"Wie soll das jemand stemmen mit einer Pension von 1300 Euro?", erklärte ÖVP-Seniorenbundchefin Ingrid Korosec nach den Beratungen der "Wiener Zeitung". Zwar habe die Regierung inzwischen eine Strompreisbremse beschlossen. Offen sei aber die Entwicklung vor allem bei Gas, aber etwa auch für Hackschnitzel. Sie sei daher froh, dass es noch keinen Abschluss gebe, bevor es nicht mehr Klarheit um die künftigen Heizkosten, die für viele Pensionisten entscheidend seien, gebe. Das Gespräch mit dem Sozialminister sei jedenfalls "konstruktiv" gewesen.

Bevor am frühen Nachmittag die Gespräche mit den Seniorenvertretern fortgesetzt wurden, stellte Sozialminister Rauch im Parlament jedoch klar, dass es 2023 unterschiedliche Erhöhungen der Pensionen geben werde. Es müsse einen Unterschied geben zwischen jenen mit einer Mindestpension und einer niedrigen Pension und jenen, die "gut ausgestattet" seien, kündigte der Grün-Politiker am Vormittag in der ersten Sitzung des Nationalrats an. Während die SPÖ auf eine Pensionserhöhung von 8,4 Prozent drängte, um die Teuerung im gesamten Jahr 2022 abzugelten, winkte der Sozialminister ab, weil das Mehrkosten von 4,5 Milliarden Euro zur Folge habe.

Der Auftakt im Hohen Haus für den Herbst begann so, wie die letzte Sitzung vor der Sommerpause im Juli geendet hatte: mit dem Thema Teuerungen, mit Kontroversen um die Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung, mit erhitzten Gemütern, wessen Abfederungsvorschläge besser wirken und mit einem Mammutprogramm von 30 Tagesordnungspunkten. Das Vorspiel zu den Verhandlungen um die Pensionserhöhung im kommenden Jahr gab es gleich zu Sitzungsbeginn im Rahmen einer aktuellen Stunde der SPÖ zur "Rekordinflation".

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch warf den Vertretern der Koalitionsparteien um die Ohren: "Ihre Einmalzahlungen wirken nicht." Man müsse sich nur die Menschenschlangen vor den Sozialmärkten ansehen. Milliarden aus den Übergewinnen von Energiekonzernen sollten verwendet werden, die Pensionen deutlich zu erhöhen. "Ja, geht’s noch?", hielt er Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) entgegen, die sich gegen Erhöhungen über der Inflationsrate für hohe Pensionen ausgesprochen hat. Einmal mehr bekräftigte er die Forderung seiner Partei nach einem Preisdeckel bei Grundnahrungsmitteln und Energie: "Deckel drauf!"

SPÖ will neues Modell für Pensionserhöhung

Wie auch der SPÖ-Pensionistenverband mit Präsident Peter Kostelka fordert die SPÖ eine Umstellung beim Modell der Pensionserhöhungen. Ab 2023 solle dafür die aktuelle Teuerung für das Gesamtjahr 2022 herangezogen werden. Derzeit sieht das Gesetz die Abdeckung der Inflationsrate von August 2021 bis Juli 2022 vor, wodurch sich eine errechnete Erhöhung für 2023 von 5,8 Prozent ergibt. Der SPÖ-Sozialsprecher kommt mit der Abgeltung der Teuerung für 2022 hingegen auf 8,4 Prozent. Die SPÖ-Pensionisten verlangten vor den Beratungen mit dem Sozialminister sogar eine Anhebung um satte zehn Prozent. Ebenfalls am Verhandlungstisch ist die Chefin des ÖVP-Seniorenbundes, Ingrid Korosec, die auch auf andere Entlastungsmaßnahmen für die rund 2,5 Millionen Pensionsbezieher drängt.

Beim Sozialminister auf der Regierungsbank war aber gleich Endstation für eine generelle Anhebung der Pensionen um 8,4 Prozent, weil dies das Budget nachhaltig mit 4,5 Milliarden Euro belasten würde. Allein die errechnete Erhöhung um 5,8 Prozent koste 2,8 Milliarden Euro mehr, die der Staat zu den Pensionen zuschießen muss. Ein Mindestpensionist mit 969 Euro im Monat erhalte 1450 Euro zusätzlich. Daher halte er die SPÖ-Vorwürfe, dass Einmalzahlungen nicht wirken würden, für "frivol": "In welcher Welt leben Sie?" Der Sozialminister versprach eine ausgewogene Pensionserhöhung für 2023 mit je nach Höhe unterschiedlichen Anhebungen.

ÖVP-Klubobmann und Sozialsprecher August Wöginger ließ es sich nicht nehmen, der größten Oppositinonspartei gleich in der ersten Sitzungsstunde des Nationalrats nach der Sommerpause mit einem Konter entgegenzutreten. "Gebührenerhöhungen in Wien", schmetterte er den SPÖ-Abgeordneten und der Parteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner in der ersten Reihe vom Rednerpult aus entgegen. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sei der "Sheriff von Wien", meinte er unter Anspielung auf den Sheriff von Nottingham und Robin Hood.

Wöginger an SPÖ: "Stimmt’s einfach zu"

Generell verwies er auf die zahlreichen Entlastungsmaßnahmen der beiden Regierungsparteien. "Das ist alles nichts?", wollte er rhetorisch von den Sozialdemokraten wissen. Sein einfaches Rezept an die größte Oppositionspartei: "Liebe SPÖ, stimmt’s einfach den Maßnahmen zu."

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger empfahl eine umfassendere Antwort auf die Rekordinflation. Vor allem müsste es eine Entlastung bei Steuern und Lohnnebenkosten geben, damit den Menschen mehr Geld zur Verfügung stehe. Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker warf Koalition wie SPÖ "primitiven Brachialpopulismus" vor.

Vor dem Hintergrund der von Wladimir Putin in der Früh angekündigten Teilmobilisierung im russischen Krieg gegen die Ukraine versprach auch die folgende Europastunde auf Betreiben der FPÖ Brisanz. Denn die Freiheitlichen kündigten dabei einen neuen Anlauf gegen die Sanktionen der EU und Österreichs gegen Russland an.

Das Thema Corona fehlt allerdings am ersten Sitzungstag des Nationalrats nach der Sommerpause auch nicht. Dafür sorgte allein der Bundesrechnungsabschluss für 2021 samt Milliarden Euro an Corona-Hilfszahlungen, der ebenfalls im Laufe des Mittwochs auf der Tagesordnung stand. Die umfangreiche Tagesordnung wurde vor allem auch von mehreren Rechnungshofberichten aufgefüllt.