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Warum der Wald sich wandelt

Von Petra Tempfer

Politik
Die Fichte wächst vor allem über 650 Metern gut. Als der Mensch mit der Forstwirtschaft begann, pflanzte er sie allerdings auch in tieferen Lagen - und zwar exzessiv.
© adobe.stock / Serghei Velusceac

Klimaerwärmung und Schädlingsbefall setzen Österreichs Bäumen zu. Noch gibt es genug Holz.


Brennholz gebe es jedenfalls genug, sagt der Obmann des Waldverbandes Österreich, Rudolf Rosenstatter. "Aufgrund der derzeit hohen Energiepreise ist die Nachfrage groß, wir haben aber Maßnahmen gesetzt, sodass die weiteren Preissteigerungen moderat ausfallen." Die Waldbauern hätten "zusammengeholfen" und einander mit Maschinen oder der Verteilung des Holzes unterstützt. Dennoch zahlt man in so manchem Baumarkt aufgrund des Ukraine-Krieges, der Russland-Sanktionen und der damit verbundenen Energiekrise aktuell für Holz etwa doppelt so viel wie vor einem Jahr. Mitunter war das Brennholz auch ausverkauft.

Holz als Energielieferant könnte jedoch bald Geschichte sein. Denn das EU-Parlament in Straßburg hat vor Kurzem entschieden, dass hölzerne Biomasse nicht mehr im selben Ausmaß wie bisher mit EU-Geldern gefördert werden soll. Grundlage ist die Abstimmung über die Erneuerbare-Energien-Richtlinie "Red III", wonach der Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 auf 45 Prozent steigen und der Wald als CO2-Speicher erhalten bleiben soll. Diese Abstimmung ist noch nicht bindend, sie bietet aber die Basis für die Trilogverhandlungen zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und Rat.

Arten zum "Weiterarbeiten"

Das, worin die einen, wie der Biomasse-Verband Österreich, eine Gefährdung einer ganzen Branche sehen, könnte für den Wald selbst eine üppige Zukunft bedeuten. Der Anteil des Holzes, das energetisch genutzt wird, liegt laut Landwirtschaftskammer allerdings nur bei rund einem Viertel. Der Rest ist Nutzholz, vor allem Sägerundholz etwa für Möbel sowie Industrieholz, und somit von vornherein für einen anderen Weg als in die Heizanlage bestimmt. Dieses Holz wird nach wie vor geschlägert -und es ist von ganz anderer Seite bedroht. Die Klimaerwärmung und der damit verbundene Trockenstress und Schädlingsbefall haben den Bestand gewisser Baumarten schon jetzt dezimiert. Vor allem die Fichte und die Rotbuche sind durch den Borkenkäfer gefährdet, die Esche ist es durch einen Pilz.

Im Moment wächst Österreichs Wald zwar noch: Durch Aufforstung und Wiederbewaldung ehemaliger landwirtschaftlicher Flächen breitet er sich laut pro:Holz Austria, einer Einrichtung der Forst- und Holzwirtschaft, um 2.300 Hektar jährlich aus, was etwa 3.200 Fußballfeldern entspricht. Will man den Wald weiterhin wirtschaftlich nutzen, sei die entscheidende Frage bei der Aufforstung jedoch: "Mit welchen Baumarten kann ich weiterarbeiten?", sagt Silvio Schüler vom Institut für Waldwachstum, Waldbau und Genetik am Bundesforschungszentrum für Wald (BFW). Bäume wachsen bis zu 140 Jahre, bis sie geschlägert werden können. Man muss also in zeitlichen Dimensionen denken, die erst spätere Generationen betreffen werden - und daran arbeiten, dass sie der Klimawandel nicht überholt.

Vom einstigen Brotbaum der Forstwirtschaft, der Fichte, deren Anteil in der Bauindustrie bei 90 Prozent liegt, aber auch von Rotbuche und Esche wird man sich daher mehr und mehr verabschieden müssen. Seit sechs bis sieben Jahren nehmen die Trockenschäden im Wald deutlich zu, sagt Schüler zur "Wiener Zeitung": Vor allem, was die Fichte betrifft. Das Kieferngewächs, das um die Jahrtausendwende Österreichs Wälder zu 70 Prozent dominierte, ist mittlerweile laut österreichischer Waldinventur nur noch mit 46 Prozent vertreten. Auf den Flächen der Österreichischen Bundesforste (ÖBf) sind es rund 60 Prozent, bis 2100 wird deren Anteil hier auf etwa 40 Prozent geschrumpft sein, haben Hochrechnungen der ÖBf ergeben.

Es habe mit längeren Hitze- und Trockenperioden in ganz Mitteleuropa begonnen. "In diesen Perioden hat sich der Borkenkäfer ausgebreitet, wie wir es zuvor noch nie erlebt haben", so Schüler. Nicht, dass man ihn nicht gekannt hätte. "Da war er schon immer, seit 60, 70 Jahren. Er hat die Fichten aber erst dann befallen, wenn sie vorher durch einen Sturm oder Schneebruch bereits geschädigt waren."

Das sei heute anders. Aufgrund der Klimaerwärmung - aktuell ist es in Österreich schon um zwei Grad wärmer als 1880 - könne der hitze- und trockenheitsliebende Borkenkäfer zusätzliche Generationen pro Jahr produzieren. Die Anzahl der Borkenkäfer steige mit der Wärme exponentiell an. Das bedeute: "Ganz egal, ob der Baum gesund ist oder nicht - der Borkenkäfer ist trotzdem drauf", sagt Schüler. Hitze, Trockenheit und Käfer sind für den Wald sogar in zweifacher Hinsicht eine bedrohliche Kombination: Es gibt nicht nur mehr Borkenkäfer, sondern die Fichte ist durch Hitze und Trockenheit auch noch zusätzlich gestresst. Das Harz, das ein gesunder Baum in ausreichender Menge zur Abwehr produziert, kann dem Käfer dann nicht mehr so effizient den Weg versperren.

Mit Gütern eingeschleppt

Die Rotbuche, mit einem Anteil von rund zehn Prozent nach der Fichte der zweithäufigste Baum in Österreich, ist ebenfalls anfällig für Trockenheit und Borkenkäfer. Das falsche weiße Stengelbecherchen, auch Hymenoscyphus fraxineus genannt, befällt wiederum die Esche, den zweithäufigsten Laubbaum und mit etwas mehr als drei Prozent im Wald vertreten. In seiner ursprünglichen Heimat Ostasien gilt dieser millimetergroße Pilz als harmlos. Seitdem er aber vor etwa 30 Jahren über den Nordosten Polens über Gütertransporte nach Europa gekommen ist, bedroht er zunehmend die heimischen Eschen. Er befällt die Blätter, die Rinde und Wurzeln des eigentlich robusten Laubbaumes und breitet sich so lange aus, bis dieser stirbt.

Heuer wieder mehr Schadholz

Gemeinsam mit diesem und dem Befall des Borkenkäfers sowie Sturmereignissen, die aufgrund des Klimawandels ebenfalls häufiger sind, stieg der Anteil des Schadholzes. "2018 hatten wir das erste Mal mehr Schadholz als Holz für die reguläre Nutzung", sagt dazu Herbert Jöbstl, Vize-Obmann des Fachverbands der Holzindustrie in der Wirtschaftskammer Österreich. Die Situation sei erstmals gekippt. Konkret standen den rund zehn Millionen Festmetern (entspricht einem Kubikmeter) Schadholz acht Millionen für die reguläre Nutzung gesunder Bäume gegenüber. Danach ging die Menge des Schadholzes zurück, im heurigen Jahr werde sie aber voraussichtlich wieder steigen, schätzt Thomas Leitner von der Landwirtschaftskammer Österreich. Das Jahr war trocken und heiß.

Für die Holzindustrie bedeutet das: Bei großen Schadholzmengen durch Käferbefall, Sturm und Schnee steigt das Holzaufkommen in ganz Mitteleuropa an, was die Preise sinken lässt und die Verbrauchermärkte unter Druck bringt. Nur wenn der Forstwirt schnell genug ist, könne man auch "Käferholz" vollwertig verwerten und zu einem guten Preis verkaufen, sagt Michael Grabner von der Universität für Bodenkultur Wien. Ist er nicht ganz so schnell, könne es immerhin noch zu Papier oder Spanplatten verarbeitet werden. Ist er zu langsam, werde es als Biomasse verbrannt.

Für die Waldbauern bedeutet eine thermische Nutzung um zwei Drittel weniger Geld, als sie für die gleiche Menge Nutzholz bekommen würden. Und auch die Krux hinsichtlich Klimaschutz ist, dass nur die Verarbeitung vor dem Verbrennen oder Verrotten CO2 speichert, das dann somit nicht in der Luft zur Belastung werden kann. In Kästen, Fußböden und Dachstühlen kann es Jahrhunderte verharren.

Die Frage nach Lösungen wie das Pflanzen hitzeresistenterer, auch nicht-heimischer Baumarten ist somit in jeder Hinsicht dringlicher denn je. Die Douglasie zum Beispiel kommt an die Eigenschaften der Fichte am ehesten heran. Das Kieferngewächs aus Nordamerika, dessen Verwandte vor Beginn der letzten Eiszeit schon einmal in Europa heimisch waren, kann mit Trockenheit besser umgehen. Das macht es weniger anfällig für den Borkenkäfer. Es wächst vor allem in höheren Lagen über 650 Metern gut: eine Höhe, die früher auch für die Fichten typisch war. Als der Mensch mit der Forstwirtschaft begann, pflanzte er die Fichte allerdings auch in tieferen Lagen - und zwar exzessiv.

Douglasie nur Teil der Lösung

Im Moment sind erst 0,2 Prozent der Baumarten auf Flächen der ÖBf Douglasien. Im Jahr 2100 werden es deren Prognosen zufolge sieben Mal so viele sein, nämlich 1,4 Prozent. An die Verbreitung der Fichte kommt die Douglasie damit noch lange nicht heran. Und auch, was ihre klimatische Eignung betrifft, hat sie so ihre Schwächen. "Vor allem die Frostgefährdung ist auf vielen Waldstandorten ein Ausschlussgrund", sagt Schüler vom BFW.

Man müsse also an weiteren Alternativen forschen - und das tue man auch. "Die ersten Versuche des BFW stammen aus dem 19. Jahrhundert", sagt Schüler. Die Beamten der k.k. forstlichen Versuchsanstalt Mariabrunn zählten zu den Vorreitern. Heute baue das BFW auf mehreren Versuchsflächen sieben nicht-heimische Baumarten an. Allen voran die Douglasie, gefolgt vom Gelbkiefer, der Küstentanne und dem Mammutbaum. Auch die Roteiche, Scheinzypresse sowie der Riesen-Lebensbaum werden hier getestet. Auf neuen Versuchsanbauten mit mehr als 30 Arten werden laut Schüler zudem deren Auswirkungen auf die Biodiversität, Trinkwasserressource, Erholung und Kohlenstoffspeicher geprüft.

Eine weitere Möglichkeit, um den Wald der Zukunft zu formen, ist die assistierte Migration. Dabei unterstütze man die Aufforstung jener Baumarten in Mittel- und Nordeuropa, die durch eine fortschreitende Erwärmung verloren gehen, mit Saatgut aus dem wärmeren Süden, sagt Schüler. "Denn natürliche Prozesse sind zu langsam, um eine Anpassung innerhalb einer Baumgeneration zu ermöglichen." Anders ausgedrückt: Das Klima wandelt sich zu schnell, schneller, als es in der geologischen Vergangenheit je vorkam.

Voraussetzung für eine erfolgreiche assistierte Migration sei der Datenaustausch, "um lokale Anpassungen der Baumarten zu verstehen". Für europäische Herkunftsversuche gebe es schon eine Datenbank. Es gehe darum, europäisch und dynamisch zu denken. Die nationale Umsetzung sei jedoch sehr unterschiedlich, so Schüler. Genauer gesagt, habe außer Schweden kaum ein anderes Land die assistierte Migration und den grenzüberschreitenden Samentransfer in seine Modelle integriert. Auch Österreich nicht.

Mehr Mischwald für mehr Resilienz

Bleibt noch eine dritte Option: Das Pflanzen heimischer Baumarten an neuen Standorten. Die ÖBf praktizierten das seit vielen Jahren, heißt es von diesen. Schon jetzt pflanze man zum Beispiel die hitzeresistenteren Lärchen statt Fichten im alpinen Raum.

Mischwald ist grundsätzlich das Zauberwort. Die Entwicklung gehe weg von den Monokulturen hin zum Mischwald, bestehend aus vier bis fünf Baumarten, so die ÖBf. Denn ein gemischter Wald hält leichter die Balance, indem er Schäden abpuffert.

Ein kranker Wald kann indes gefährlich werden. Und zwar nicht nur, was die Verletzungsgefahr der Waldbesucher durch umstürzende Bäume betrifft. Auch, wenn ein Besitzer nichts oder zu wenig gegen Schädlinge unternimmt und sich diese weiter ausbreiten, kann das den Nachbarwald gefährden.

Wer haftet bei Schäden wie diesen? 18 Prozent des Waldes, der vier Millionen Hektar und damit fast die Hälfte Österreichs einnimmt, sind in öffentlichem Besitz, der Rest ist Privatwald. Es gibt etwa 145.000 Waldbesitzer.

Laut Forstgesetz, ein Bundesgesetz, darf "jedermann den Wald zu Erholungszwecken zu jeder Tages- oder Nachtzeit betreten und sich dort aufhalten", sagt Rechtsanwalt Bernhard Hofer zur "Wiener Zeitung". Radfahren oder Reiten gehen über den "Erholungszweck" hinaus, dafür brauche es die Genehmigung des Besitzers. Als Wald gelte jede "bestockte Grundfläche mit mindestens 1.000 Quadratmetern und einer durchschnittlichen Breite von zehn Metern".

Stürzt ein vom Borkenkäfer befallener Baum um und verursacht einen Schaden, hafte allerdings "grundsätzlich niemand", sagt Hofer. Den Waldeigentümer treffe zwar eine Handlungspflicht, den Schädling zu bekämpfen, sobald er einen befallenen Baum entdeckt - das Forstgesetz gehe in erster Linie aber nicht davon aus, "dass ein vom Borkenkäfer befallener Baum sogleich eine konkrete Gefahr auslöst", sagt Hofer. Der Besitzer habe lediglich darauf "zu achten", ob es Forstschädlinge gibt, ist im Gesetz zu lesen. Das impliziere eine abgeschwächte Überwachungs- respektive Kontrollpflicht. Schließlich sei es auch "offenkundig, dass ein Waldeigentümer nicht jeden Tag jeden Baum seines Waldes kontrollieren kann". In einem gerichtlichen Verfahren müsse der Geschädigte den Schaden, die kausale Verursachung durch den umgestürzten Baum sowie dessen mangelhaften Zustand nachweisen. "Der Waldeigentümer kann sich anschließend freibeweisen", sagt Hofer. Jeder, der die öffentlichen Wege eines Waldes verlässt, habe generell selbst auf alle Gefahren zu achten.

Schädlingsbekämpfung ist für Waldbesitzer Pflicht

Strenger verhält es sich, wenn ein Waldbesitzer nichts gegen den Schädlingsbefall unternimmt. Auch Forstschutzorgane nimmt das Gesetz laut Hofer in die Pflicht: Sie haben darauf zu achten, ob Schädlinge auftreten, und eine "gefahrenbedrohende Vermehrung" unmittelbar der Behörde zu melden. Und: Die Schädlinge müssen bekämpft werden, "indem man die betroffenen Bäume sofort herausnimmt, entrindet und weit außerhalb des Waldes lagert oder am besten sofort ins Sägewerk bringt", sagt Schüler vom BFW. Passiert das nicht, droht laut Hofer eine Verwaltungsstrafe von bis zu 7.270 Euro oder eine Freiheitsstrafe von bis zu vier Wochen. Der Bezirksförster führe regelmäßig Kontrollen durch, sagt Hofer. Aber auch andere Waldbesitzer erstatten oft Anzeige, wie die Praxis zeige.

Die Politik hat ebenfalls bereits auf den Borkenkäfer reagiert und diesem ein Borkenkäfermaßnahmenpaket gewidmet. Im Zuge dessen hat man etwa die Möglichkeit der vorübergehenden Lagerung von Schadholz auf beihilfefähigen Agrarflächen verlängert. Auch im aktuellen Regierungsprogramm sind dem Kapitel Forstwirtschaft mehrere Punkte gewidmet. Dabei geht es unter anderem um die Stärkung der nachhaltigen Waldbewirtschaftung, wie es darin heißt, unter Berücksichtigung der "Multifunktionalität der heimischen Wälder als wesentlicher Wirtschaftsfaktor zur Sicherstellung der Schutz-, Erholungs-, Wirtschafts- und Wohlfahrtsfunktion".