Zum Hauptinhalt springen

Schwarz-Rot in Tirol fast ein Ausnahmefall

Von Karl Ettinger

Politik
Im Wahlkampf hat Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer dem Stillstand in der Landespolitik den Kampf angesagt.
© Ettinger

In den Bundesländern gibt es nur in der Steiermark diese Konstellation. Für SPÖ-Chef Dornauer birgt das ein Risiko.


Günther Platter genießt nach 14 Jahren im Amt seine letzten Tage als Tiroler Landeshauptmann. Am Donnerstagabend war er als Gast beim Festakt des 50-jährigen Bestehens der Arge Alp in Seefeld angesagt, bevor Tirols ÖVP-Chef Anton Mattle am kommenden Dienstag im Landtag zu seinem Nachfolger als Landeshauptmann gewählt wird.

Mattles künftiger Stellvertreter als Landeshauptmann, SPÖ-Landeschef Georg Dornauer, musste am Donnerstagabend in der ÖGB-Zentrale in Innsbruck noch den Sanktus des roten Landesparteirates zur schwarz-roten Koalition einholen. Er bemühte sich um eine breite Zustimmung. Deswegen sollte nicht der SPÖ-Landesparteivorstand, sondern das zweithöchste Gremium nach dem Landesparteitag die Entscheidung treffen. Für den heutigen Freitag ist nach der Sitzung des ÖVP-Parteivorstandes die gemeinsame Präsentation der Koalitionsvereinbarung mit Mattle vorgesehen.

Rückkehr nach achtjährigem schwarz-grünen Intermezzo

Nach 2013 und einem achtjährigen schwarz-grünen Intermezzo kehrt die SPÖ, die erwartete Zustimmung im Parteirat vorausgesetzt, in die Tiroler Landesregierung zurück. Während ÖVP und SPÖ jahrzehntelang die Landesregierungen in vielen Bundesländern dominiert haben, ist Tirol mit Schwarz-Rot inzwischen fast ein Sonderfall in der Republik. Nur in der Steiermark setzt die ÖVP unter dem seit Juli amtierenden Landeshauptmann Christopher Drexler demonstrativ auf die Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie. In Kärnten ist es unter der Führung von SPÖ-Landeschef Peter Kaiser umgekehrt.

In Wien hat die SPÖ seit Jahrzehnten als Bürgermeisterpartei das Sagen, seit Herbst 2020 mit den Neos als Juniorpartner. Im Burgenland regiert die SPÖ mit Landeshauptmann Hans Peter Doskozil mit absoluter Mehrheit.

In der Landesregierung ist die SPÖ zwar auch in Niederösterreich und in Oberösterreich, dort allerdings nur wegen des Proporzsystems, nachdem jeder Partei ab einer gewissen Stimmenstärke bei Landtagswahlen von rund zehn Prozent ein Sitz in der Landesregierung zusteht. Die Schattenseiten dieses Daseins auf Landesebene hat die SPÖ in Oberösterreich nach der Landtagswahl Ende September des Vorjahres voll zu spüren bekommen. Denn gleichzeitig wurde die Neuauflage der Koalition von ÖVP und FPÖ auf Landesebene besiegelt. Damit verbunden war, dass die Kompetenzen der roten Landesrätin Birgit Gerstorfer einem Kahlschnitt unterzogen wurden, bei dem sie vor allem die Pflegeagenden verloren hat. Abgesehen davon ist die SPÖ schon seit 2015 letztlich davon abhängig, was die schwarz-
blaue Koalition in Linz zulässt.

In Niederösterreich geht es SPÖ-Parteichef Franz Schnabl mit einer absoluten Mehrheit der ÖVP unter Johanna Mikl-Leitner nicht viel besser. Er ist zwar Landeshauptmannstellvertreter, kann aber de facto nur mit Einverständnis der ÖVP Vorhaben umsetzen. Es sei denn, es gelingt, wie zuletzt mit den Forderungen zum Ausbau der Kinderbetreuung, so viel Druck aufzubauen, dass sich die starke niederösterreichische ÖVP dem nicht mehr verschließen kann. Selbst da gehen die Pläne der ÖVP mit der Öffnung der Kindergärten ab zwei Jahren und der Ausweitung der Nachmittagsbetreuung ab dem Herbst 2023 der SPÖ nicht weit genug.

Vor der Landtagswahl im ersten Quartal 2023 lässt die SPÖ, die seit 2018 etwa halb so stark ist wie die ÖVP, öffentlich nichts unversucht, um der ÖVP bis zum Beschluss im November mehr in Sachen Kinderbetreuung abzuringen. Die SPÖ setzt dabei durch den Präsidenten des SPÖ-Gemeindeverbandes, Rupert Dworak, auf Unterstützung von kommunaler Ebene. Niederösterreich illustriert auch das Hauptproblem der Rolle der SPÖ als Zweite in einem Bundesland. Der Erste wird oft ungleich stärker wahrgenommen als die deutlich kleinere zweite Kraft.

Schlimmer geht es der SPÖ aber in zwei Bundesländern. In Salzburg und Vorarlberg fristen die Sozialdemokraten ihr Dasein auf der harten Oppositionsbank.

Nur Dritter bei der Wahl, aber drei SPÖ-Landesräte

Diese Erfahrungen kennt Dornauer neben der schwarz-grünen Koalition in Tirol. Entsprechend wichtig war dem SPÖ-Landeschef die Rückkehr seiner Partei in die Landesregierung. Dabei konnte die SPÖ bei der Landtagswahl Ende September mit 17,5 Prozent nur magere 0,2 Prozentpunkte zulegen und ist damit knapp hinter die FPÖ zurückgefallen.

Auf der Habenseite kann Dornauer verbuchen, dass es künftig drei SPÖ-Mitglieder in der Landesregierung geben soll, während die Grünen nun zwei stellten. Mattles ÖVP büßt einen Regierungssitz ein. Nach dem, was bis Donnerstag bekannt war, hat die SPÖ freilich bei ihren Ressorts als Preis für die Koalition und das Mitregieren Abstriche bei den Kompetenzen machen müssen.

FPÖ-Chef Markus Abwerzger höhnte, Dornauer sei wie ein Christbaum abgeräumt worden. Dabei hat der Blaue selbst das im Wahlkampf ausgerufene "Duell" um den Landeshauptmann gegen die ÖVP haushoch verloren.

Risiko ist es für den SPÖ-Chef dennoch. Er wird von der Bevölkerung in Tirol daran gemessen werden, wie es gelingt, den von ihm im Wahlkampf beklagten "Stillstand" in der Landespolitik zu beenden. Da werden sich einige in den kommenden fünf Jahren vor allem an die Ankündigungen zum Zurückschrauben des für viele Menschen im "Heiligen Land" zur Qual gewordenen Transitverkehrs erinnern.