Zum Hauptinhalt springen

Rote Anträge und rote Karten

Politik

Die Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP waren Anlass für eine weitgehend ergebnislose Sondersitzung des Nationalrates.


Am Ende wurden die Anträge abgelehnt. Weder konnte die FPÖ bei der Sondersitzung des Nationalrats am Mittwoch eine Mehrheit hinter ihrem Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung vereinen – auch die beiden anderen Oppositionsparteien stimmten dagegen. Noch konnte sie eine Änderung der Verfassung erwirken und damit eine Möglichkeit schaffen, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka aus dem Amt zu entfernen.

Erfolglos blieb auch der Neuwahlantrag der SPÖ sowie der Dringliche Antrag "ÖVP Korruption beenden statt aussitzen", mit dem die Sozialdemokraten Bundeskanzler Nehammer (ÖVP) ins Hohe Haus zitiert hatten. Mit ihrem Antrag forderte die SPÖ Regierungsvorlagen zu einem umfassenden Antikorruptionspaket, etwa um Mandatskauf und Kandidatenbestechung strafbar zu machen, Korruptionsstrafbestimmungen für Spitzenpolitiker zu verschärfen oder das Amtsgeheimnis abzuschaffen.

Zum siebenten Mal in dieser Legislaturperiode sei der Nationalrat zu einer Sondersitzung zusammengetreten, um sich mit Korruptionsvorwürfen der ÖVP zu befassen, merkte Neos-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger an. Diesmal fand die Sitzung auf Wunsch von SPÖ und FPÖ statt, Grund waren die schweren Vorwürfe des ehemaligen Öbag-Chefs Thomas Schmid gegen ehemalige und aktive ÖVP-Funktionäre.

Leichtfried sieht demokratiepolitische Krise

Zusätzlich zu den zahlreichen aktuellen Krisen habe die Bundesregierung noch eine demokratiepolitische Krise ins Land gebracht, begründete der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried den Dringlichen Antrag. Es sei nicht gut, wenn Menschen den Eindruck hätten, wer reich ist, habe mehr Einfluss auf die Politik. Noch schlimmer sei es, "wenn es sich als wahr herausstellt, dass reiche Menschen es sich richten können." Die ÖVP als christlich-soziale Partei handle weder sozial, noch christlich. Indem sie das Strafrecht als Grenze der poltischen Verantwortung sehe, seien ihr "7,5 von zehn Geboten wurscht", so Leichtfried.

Der Vize-Klubchef forderte die ÖVP auf, dem roten Antikorruptionspaket zuzustimmen. Es sei ein Paket, mit dem die Volkspartei mitgehen könnte, "ohne, dass ihr ein Zacken aus der Krone fällt".

Der Bundesregierung fehle es an Strategie, Plan und Entschlossenheit im Umgang mit der Krise, appellierte wiederum SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner in Richtung Neuwahlen. "Haben Sie keine Angst vor den Wählern, lassen Sie die Menschen über die Zukunft des Landes entscheiden".

Neuwahlen fordern mittlerweile auch die Neos, die sich kürzlich noch gegen einen früheren Urnengang ausgesprochen hatten. "Wir drehen uns im Kreis", bemängelte Meinl-Reisinger. "Wir wissen, was gemacht gehört, seit Jahren liegt verdammt noch einmal alles auf dem Tisch." Doch es passiere nichts, weshalb man einen Schlussstrich ziehen müsse. Der Wahlsieg der ÖVP sei zudem "getürkt und erkauft", so die Neos-Chefin. "Die ÖVP hat ein Korruptionsproblem und ist vielleicht ein Korruptionsproblem."

"Das hätte heute Ihr großer Tag sein können", sagte FPÖ-Obmann Kickl in Richtung Nehammer. Der Bundeskanzler hätte seine Pläne zur Erneuerung der Partei bekanntmachen oder Neuwahlen zustimmen können, befand Kickl. "Aber Sie haben es vergeigt." Einmal mehr kritisierte er die Regierung für ihren Umgang mit der Pandemie ebenso wie für die Beteiligung an den Russland- Sanktionen und ihre Migrationspolitik. Auch die Forderung nach einer Abwahlmöglichkeit für Sobotka wiederholte der blaue Klubobmann. "Wir misstrauen Herrn Sobotka schon lange, das hat es das Geständnis von Herrn Schmid gar nicht gebraucht." Anschließend holte er eine rote Karte aus seinem Sakko und streckte sie dem Nationalratspräsidenten entgegen, um ihm "symbolisch" sein Misstrauen auszusprechen.

Nehammer entschuldigt sich für raue Umgangsformen

Bundeskanzler Nehammer reagierte auf die scharfen Worte der Opposition mit einer teilweisen Entschuldigung, allerdings vorrangig für den rauen Umgangston in der Politik und weniger für das der ÖVP vorgeworfene Fehlverhalten. "Es tut mir leid, was die Politik derzeit bietet. Es tut mir leid, dass der Eindruck entsteht, dass wir die Sorgen der Menschen nicht erst nehmen." Sollte es die von Thomas Schmid geschilderten Vorgänge tatsächlich gegeben haben, würde er diese aufs Schärfste verurteilen, betonte der Bundeskanzler, den Korruption dürfe in Österreich keinen Platz haben. "So bin ich nicht und so sind wir nicht." Gleichzeitig warf er der Opposition Vorverurteilung und damit eine "Aushebelung des Rechtsstaats" vor. "Über Recht und Unrecht entscheiden nur unabhängige Gerichte", sagte Nehammer, die Gesetze seien der Maßstab des Zusammenlebens. Die Justiz müsse ermitteln, während die Politik das Land durch die aktuellen Krisen zu führen habe.

Gleichzeitig betonte er die bisherigen Errungenschaften der türkis-grünen Bundesregierung, etwa die Abfederungsmaßnahmen gegen die Teuerung oder die Aufstockung des Verteidigungsbudgets.

Maurer: "Machen wir Ernst und Tempo"

Auch die Grüne Klubobfrau Maurer lobte einzelne Punkte der Regierungsbeteiligung ihrer Partei, etwa das strengere Parteiengesetz, das im Sommer beschlossen wurde. Die Grünen "meinen es auch ernst mit einem strengeren Antikorruptionsstrafrecht", betonte Maurer, der fertige Entwurf liege bei der ÖVP. "Machen wir auch hier Ernst und Tempo", appellierte sie an den Koalitionspartner.

Gleichzeitig sparte sie nicht mit Kritik an der SPÖ, es seien etwa auch rot regierte Bundesländer, die das Informationsfreiheitsgesetz blockieren würden. "Das mit der Transparenz nimmt die SPÖ nur ernst, so lange sie in der Opposition ist", meinte die Grüne Klubobfrau.  (vis)