Zum Hauptinhalt springen

Über Schulden und Schuldfrage

Von Patrick Krammer

Politik

Der Stadtrechnungshof warnt vor Liquiditätsengpässen, Grazer Regierung spricht von Altlasten.


Die Stadt Graz hat ein Finanzproblem, warnt der Grazer Stadtrechnungshof in einem vertraulichen Schreiben, das bei Medien gelandet ist. Es geht zwar um die mittelfristige Planung, der Stadtrechnungshof befürchtet aber, dass eine Zahlungsunfähigkeit schon 2023 eintreten könnte. Der Direktor des Stadtrechnungshofes Hans-Georg Windhaber habe laut der "Kleinen Zeitung", der das Schreiben vorliegt, mehrfach darauf hingewiesen, dass die mittelfristige Budgetplanung bereits 2023 an ihre Grenzen kommen könnte. Eine neue Planung sei von Finanzstadtrat Manfred Eber (KPÖ) zwar bis Ende Oktober zugesagt, aber nie übermittelt worden, zitiert der ORF Steiermark das Schreiben.

Das Grazer Rathaus erklärt die verpasste Frist mit Zahlen der ausgelagerten Graz Holding, auf die man noch hätte warten müssen, um die steigenden Energiekosten besser einschätzen zu können. Das sei wohl der Grund für den publik gewordenen Brief des Stadtrechnungshofes, wird dort vermutet. Nachdem die nötigen Zahlen mittlerweile geliefert worden seien, will man dem Stadtrechnungshof am Mittwoch einen neuen mittelfristigen Finanzplan vorlegen.

In der Grazer Stadtregierung ist man um Beruhigung bemüht. Man stehe nicht vor der Pleite, sagte KPÖ-Bürgermeisterin Elke Kahr. Und in der Schuldfrage für die Schulden verweist man auf die Vorgänger. Kahr sprach von "erheblichen Altlasten der Vorgängerregierung".

Schulden betrugen schon bei Amtsantritt 1,6 Milliarden Euro

Die Finanzen von Graz sind tatsächlich schon länger auffällig: Die Koalition von KPÖ, Grünen und SPÖ hat von ihrem Vorgänger, der Regierung von Langzeit-Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP), einen Schuldenberg von 1,6 Milliarden Euro übernommen. Von 2016 auf 2021 waren die Schulden von 1,16 auf 1,6 Milliarden Eurogestiegen. Aber auch Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) wurde nicht gewählt, weil sie 2021 ein strenges Sparprogramm versprach. Und so stiegen die Schulden heuer weiter auf 1,73 Milliarden. Bereits 2024 könnte man die Zwei-Milliarden-Euro-Marke überspringen, bis 2027 sollen es nach derzeitiger Planung 2,4 Milliarden Euro werden.

Dass die Stadtregierung die finanzielle Lage vermutlich nicht so gut im Blick gehabt haben dürfte, zeigt auch die Präsentation einer Studie, die just an dem Tag präsentiert wurde, als das Schreiben des Stadtrechnungshofs eintrudelte: Die Stadt will einen S-Bahn-Tunnel bauen, um mehr Leute vom Individualverkehr abzubringen. Kostenpunkt: 3,1 Milliarden Euro.

Nur im schlimmsten Fall Neuwahlen und Kommissär

Die Finanzierung sei aber noch zu klären, Bund und Land sollen in einer Klimapartnerschaft mithelfen, so die Vize-Bürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne).

Sollte es der Stadtregierung nicht gelingen, einen gesetzeskonformen Budgetvorschlag zu erstellen, stehen im äußersten Fall sogar eine Auflösung des Gemeinderates und Neuwahlen im Raum. Das könnte passieren, wenn das Land Steiermark tätig wird und Aufsichtsmaßnahmen ergreift: Per Bescheid kann das Land den Gemeinderat auflösen und einen sogenannten Regierungskommissär entsenden, der provisorisch die Gemeindegeschäfte führt und die Neuwahl vorbereitet. In der Steiermark kamen Regierungskommissäre öfters bei Gemeindezusammenlegungen zum Einsatz, wenn die neu entstandenen Gemeinden noch keine Gemeindeorgane hatten.

In diesem Fall ist das Eingreifen der steirischen Landesregierung aber eher als politischer Spin einer Oppositionspartei als eine spruchreife Alternative zu werten. Man sei zwar besorgt, doch noch "ist die Auflösung des Gemeinderates und die Einsetzung eines Regierungskommissärs kein realistisches Szenario", teilten Landeshauptmann Christopher Drexler und Stellvertreter Anton Lang in einer gemeinsamen Aussendung mit.

Für Karoline Mitterer, Finanzexpertin beim Zentrum von Verwaltungsforschung (KDZ), ist die finanzielle Situation in Graz kein Einzelfall. Eher sei die Landeshauptstadt eine Vorbotin. Denn aufgrund der Inflation würden die Ausgaben viel stärker steigen als die Einnahmen, zumal die Kommunen durch das Ende der kalten Progression auch Ertragsanteile an den Steuereinnahmen des Bundes verlieren. Als Lösung empfiehlt die KDZ-Expertin Liquiditätshilfen und Förderungen für Investitionen.