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Das verschwundene Referat

Politik
Das Referat Besuchermanagement hat weder eine Leitung noch Mitarbeiter.
© Stanislav Kogiku

Das "Besuchermanagement" wurde von langer Hand geplant. Jetzt geistert es durchs Kanzleramt.


Erst am Montag veröffentlichte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) eines seiner ersten Videos auf der Videoplattform TikTok. Es zeigt ihn, wie er beim Tag der offenen Tür durchs Bundeskanzleramt führt. Derzeit folgen ihm auf TikTok rund 200 Accounts, Tendenz steigend. Sein Vorvorgänger ging die Sache professioneller an. Sebastian Kurz plante in seiner ersten türkis-blauen Kanzlerschaft ein eigenes Besucherzentrum. Für ein Planspiel mit Virtual-Reality für Schülerinnen und Schüler gab es schon Anschaffungen und räumliche Umbaumaßnahmen. Koordiniert sollte das von einem neuen Referat "Besuchermanagement" werden, das von langer Hand geplant wurde, wie Unterlagen aus dem ÖVP-U-Ausschuss zeigen. Doch das Referat - und vor allem dessen Entstehung - wirft viele Fragen auf.

Unklare Entstehungsgeschichte

Schon der Ursprung des Referats schafft Verwirrung. Am 1. Mai 2019 wurde das Referat Besuchermanagement in der Präsidialsektion angesiedelt, geplant soll es schon länger worden sein. Und zwar im Büro des damaligen Regierungssprechers Peter Launsky-Tieffenthal. "Das Referat Besuchermanagement war zu keinem Zeitpunkt im Büro des Regierungssprechers angesiedelt", heißt es auf Anfrage der "Wiener Zeitung" aus dem Kanzleramt. Dem widersprechen aber Mails aus März 2019: Eine Mitarbeiterin des Regierungssprecherbüros, die dafür zuständig gewesen sein soll, wünscht sich darin eine Dame "als Verwaltungspraktikantin bei uns im Büro, konkret bei mir im Besuchermanagement" mit April 2019 - also bevor das Referat in der Präsidialsektion war. Sie soll auch für die Arbeitsplatzbeschreibung des Referatsleiters zuständig gewesen sein. Die Mitarbeiterin reagierte nicht auf eine Anfrage.

Das Büro des Regierungssprechers hatte damals überhaupt eine Sonderstellung: Es war außerhalb der Organisationsstruktur angesiedelt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden deshalb nicht nach den Gehaltsschemata des Beamtendienstrechts entlohnt, sondern über sogenannte Sonderverträge. Mitarbeiter konnten so zwar mehr verdienen. Dafür waren die Verträge auch zeitlich an die Tätigkeit von Launsky-Tieffenthal gebunden. Ähnliche Vorgangsweisen gibt es auch in den Kabinetten.

Bis Ende 2021 wurde das Besuchermanagement noch von Arno M. geleitet, jenem Kabinettsmitarbeiter, der vor der Nationalratswahl 2019 Festplatten aus dem Kanzleramt schreddern ließ. Als Sebastian Kurz zum zweiten Mal Kanzler wurde, kam M. zurück ins Bundeskanzleramt und wurde im März 2020 Leiter des Referats Besuchermanagement. Auch er hatte einen Sondervertrag und bekam dadurch ein höheres Gehalt.

Derzeit ist Arno M. in den Kabinetten von Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm und Bundeskanzler Karl Nehammer tätig. Seit elf Monaten geistert das Besuchermanagement ohne Leitung und ohne Mitarbeiter durch die Organisationseinteilung der Präsidialsektion. Laut Bundeskanzleramt war die Abteilung für die Koordinierung von Besuchergruppen, Führungen und institutionsübergreifender Besucherangebote zuständig. Aktuell werde "eine Neuausrichtung der inhaltlichen Schwerpunkte" geprüft.

Schüler-Planspiel im Bundeskanzleramt

Verwirrung gibt es auch wegen eines Planspiels für Schülerinnen und Schüler im Kanzleramt. Unterlagen deuten darauf hin, dass es im Büro des Regierungssprechers Teil des Besuchermanagements war. Laut Kanzleramt wurde es im Büro des Regierungssprechers aber nur konzipiert und sollte dann dem Besuchermanagement übergeben werden. Dafür wurde der Säulensaal umgebaut, Firmen wurden mit der Konzeptentwicklung beauftragt und Apple-Equipment wurde angeschafft. 32 Virtual-Reality-Brillen mussten ausgeliehen werden. Über die tatsächlichen Kosten will das Bundeskanzleramt nichts sagen, allein in der Abteilung für technische Infrastruktur lagen sie im April 2019 bei 49.000 Euro.

Auch der ehemalige Generalsekretär Dieter Kandlhofer kommt im Zusammenhang mit dem Planspiel in den Unterlagen vor. Und das, obwohl er im ÖVP-U-Ausschuss den Eindruck machte, beim Besucherzentrum und Planspiel nicht involviert gewesen zu sein. Die FPÖ zeigte sich deshalb von Kandlhofers Unwissenheit überrascht, hatte Fraktionsführer Christian Hafenecker doch Mails vor sich liegen, in denen sich der Ex-Generalsekretär mit seinem Kabinettschef Andreas Grad und einer Beamtin sogar über Kosten von Agenturen austauschte. Ab einem gewissen Punkt war die Kostenobergrenze erreicht und Kandlhofer musste persönlich weitere Kosten freigeben. Was dann auch passiert sein dürfte.

Mails zeigen zudem, wie wichtig das Planspiel Kurz persönlich gewesen sein dürfte: Neben dem Generalsekretär und dem Büro des Regierungssprechers waren außerdem Kurz’ Kabinettschef Bernhard Bonelli und zwei weitere Kabinettsmitarbeiter involviert. In einer Mail wird sogar der Eindruck erweckt, dass Kurz bei der Idee zum Planspiel zumindest beteiligt war: "Es geht in der Grobkonzeption darum abzustecken, welche Kosten für die von HBK (Herr Bundeskanzler, Anm. der Redaktion) geäußerten Vorstellungen auf uns zukommen würden", steht darin.

Für die Fraktionen im ÖVP-U-Ausschuss zeigt die Entstehung des Referats Besuchermanagement, wie die Verwaltung dazu verwendet wird, um ein Ministerium umzufärben: Im Büro des Regierungssprechers entstand eine Parallelstruktur zur Linie, in der es schon ein Veranstaltungsmanagement gab. Als die Präsidialsektion um das Referat erweitert wurde - zusammen mit der Datenschutzbeauftragten und potenziell noch anderen Referaten -, führte das zu einer Veränderung, die eine Neuausschreibung der Sektionsleitung bedingt. Das Bundeskanzleramt meint dazu, dass ein einziges Referat zu keiner Neuausschreibung führe. (pak)