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"Demokratie kommt nicht aus der Steckdose"

Politik

Acht NGOs haben einen neuen Demokratie-Index für Österreich errechnet. Das Ergebnis ist ernüchternd.


Es geht nicht allein um die Zahl. Das betonen die Vertreter jener acht demokratiepolitischen NGOs, die über einen Zeitraum von sechs Monaten einen neuen Demokratie-Index speziell für Österreich erarbeitet haben. Und doch machen die errechneten 57 Prozent deutlich, dass es in der Ausgestaltung der heimischen Demokratie Luft nach oben gibt. Dabei geht es den beteiligten Organisationen – darunter das Rechtsstaats- und Antikorruptionsvolksbegehren, Wahlbeobachtung.org, das Forum Informationsfreiheit oder der Presseclub Concordia – vorrangig darum, ein Bild von der Ausgestaltung der österreichischen Demokratie zu zeichnen, aufzuzeigen, wo es Handlungsbedarf gibt.

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Über 100 einzelne Indikatoren hat man untersucht, Vergleiche mit bestehenden Indizes angestellt und die Situation hierzulande mit den jeweils fortschrittlichsten und liberalsten Regelungen von Demokratien innerhalb der EU verglichen. Herausgekommen ist ein Überblick darüber, wie es in Österreich um die sieben "Säulen" der Demokratie – Souverän, Parteien, Legislative, Exekutive, Judikative, Medien und Zivilgesellschaft bestellt ist.

Pragmatischer Ansatz

Man habe bewusst keinen wissenschaftlichen Anspruch gewählt, erklären Vertreter der beteiligten NGOs bei der Präsentation am Mittwoch, sondern einen praktischen und pragmatischen Zugang gewählt. Das Ergebnis sei keine Messung, sondern eine Bewertung mit subjektiven Anteilen, so Paul Grohma von Wahlbeobachtung.org. Außerdem handle es sich um ein Pilotprojekt, die Werte könnten sich also noch ändern.

Man wollte nicht "Äpfel mit Birnen vergleichen", erklären die Vertreter und habe deshalb nur andere liberale Demokratien in Europa zum Vergleich herangezogen. Andere Regionen, wo die Situation mit der österreichischen nicht vergleichbar ist, hat man außen vor gelassen.

Unter den sieben Säulen schneiden die Medien mit 67,8 Prozent am besten ab, wobei die Autoren zur weiteren Verbesserung etwa eine Reform der Aufsichtsgremien im ORF, eine neue, transparente Journalismusförderung und einen Erhalt der "Wiener Zeitung" als unabhängiges Qualitätsmedium fordern.
Ebenfalls über dem Gesamtwert liegt der Bereich Souverän, wobei den Organisationen hier das zunehmende Auseinanderklaffen zwischen Wohn- und Wahlbevölkerung Sorgen bereitet. Auch der Bereich Parteien schneidet mit 66,5 Prozent besser ab, der Unterpunkt Parteienstruktur erreicht mit fast 90 Prozent den höchsten Wert. Grund dafür sei etwa, das breite vorhandene Parteienspektrum und die Tatsache, dass grundsätzlich jeder eine Partei gründen kann, erklärt Marion Breitschopf von der Transparenzplattform Meine Abgeordneten.

Exekutive hat Aufholbedarf

Großen Aufholbedarf sehen die NGOs hingegen im Bereich der Legislative, wo es den Autoren neben Bürgerbeteiligung vor allem an Transparenz fehle: Etwa sei für Wähler das Abstimmungsverhalten von einzelnen Abgeordneten im Nationalrat nicht einsehbar, bemängelt Breitschopf.

Noch schlechter wird nur die Exekutive bewertet. Dringend brauche es etwa ein zeitgemäßes Informationsfreiheitsgesetz, fordern die Autoren. Außerdem seien umfassende Veröffentlichungspflichten für Behörden nötig, ebenso wie das Schließen von Lücken im Korruptionsstrafrecht. Zudem dürfe das Strafrecht nicht der Maßstab für politisches Handeln sein, betont Martin Kreutner, Mitinitiator des Antikorruptionsvolksbegehrens, sondern "Anstand und Integrität. Das fordern wir schon von unseren Kindern ein."

In Zukunft wollen die acht NGOs jedenfalls jährlich den Demokratie-Index berechnen und damit einen Beitrag zur "Generalsanierung der Demokratie" leisten. In den letzten Jahren entstandene Schäden müssten nun repariert, das Vertrauen der Bevölkerung gegenüber Entscheidungsträgern wieder aufgebaut werden. "Demokratie kommt nicht aus der Steckdose", sagt Kreutner. Frühere Generationen hätten für diese gekämpft, nun gelte es, die Demokratie für kommende Generationen zu bewahren. (vis)