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Zufriedenheit mit politischem System auf Rekordtief

Von Patrick Krammer

Politik

Seit der Einführung des Demokratiemonitors 2018 hat sich der Wert fast halbiert.


Es ist ein relativ dramatisches Bild", stellte Günther Ogris, Chef des Sozialforschungsinstituts Sora, bei der Präsentation des diesjährigen Demokratiemonitors fest. Ein Jahr, nachdem man den schlechtesten Wert bei der Zufriedenheit mit dem politischen System in Österreich präsentieren musste, verkündete die Studienautorin Martina Zandonella: "Heuer müssen wir mitteilen, dass wir den Tiefpunkt von 2022 unterschritten haben." Nur noch 34 Prozent der repräsentativ Befragten glauben, dass das politische System sehr gut oder ziemlich gut funktioniert. 2018 lag der Wert noch bei 64 Prozent. Und selbst 2021, im zweiten Jahr der Pandemie, lag der Wert zuerst noch bei 52 Prozent - bevor die Veröffentlichung der Chatprotokolle von Thomas Schmid die Studienautoren vergangenes Jahr dazu veranlassten, eine zweite Befragung durchzuführen, die zu dem bisherigen Negativwert von 41 Prozent führte.

Zandonella stellt auch klar, dass es eine Krise der Repräsentation ist: "Es betrifft die Akteure, die wir wählen." Die Werte für Polizei, Justiz und Behörden verändern sich seit der Einführung des Monitors 2018 kaum, während sie für das Parlament, den Bundespräsidenten und die Regierung konstant nach unten gehen. Und: 38 Prozent gaben an, dass derzeit keine Partei ihre politischen Anliegen aufgreife. 2018 waren es noch 25 Prozentpunkte weniger. Die Entwicklung liege aber auch daran, dass die Politik viel präsenter ist, während die meisten Befragten kaum Berührungspunkte mit dem Justizsystem oder anderen Behörden haben.

Ökonomische Zugehörigkeit mitentscheidend

Die Systemzufriedenheit hat auch eine ökonomische Komponente. Obwohl die ökonomisch Schwächsten am wenigsten an ein funktionierendes System glauben, ist es vor allem die am besten dastehende Sozialschicht, die ihr Vertrauen ins System verloren hat. Seit 2018 sank der Wert um 40 Prozentpunkte auf 45. Diese Gruppe hat "bei der Pandemie zum ersten Mal erfahren, was es bedeutet, wenn der Staat die eigene Freiheit einschränkt", so Zandonella. Die Mittelschicht habe Vertrauen verloren, weil sie durch mehrere Skandale den Eindruck bekommen hat, dass das politische System kein Gemeingut mehr sei, sondern "ein Selbstbedienungsladen".

Die schwächste Schicht hatte von Beginn an weniger Systemvertrauen. Die nüchterne Feststellung des Demokratiemonitors: Das ökonomisch schwächste Drittel fühlt sich von der Demokratie belogen, da zentrale Versprechen nicht eingehalten worden sind. Mehr als zwei Drittel davon fühlen sich von der Politik als "Menschen zweiter Klasse" behandelt, auch die Werte der politischen Mitbestimmung sind im Keller.

Für libertär Autoritäre zählt nur individuelle Freiheit

Zum ersten Mal in den vergangenen fünf Jahren gibt es keine klare Mehrheit mehr, die einen "starken Führer" ablehnt, der sich "nicht um das Parlament oder Wahlen kümmern muss". Nur noch 46 Prozent sagten, so einen "starken Führer" sollte es "gar nicht" geben, 2021 waren es noch 56 Prozent. Studienautorin Zandonella stellte aber auch klar, dass man diesen Wert nur in Kombination mit einer anderen Frage bewerten könne: "Wir haben nach wie vor neun von zehn Personen, die sagen, die Demokratie sei die beste Staatsform", erklärte Zandonella. Aber die Zwischentöne würden sich ändern.

Die Folge ist eine erstmals messbare "libertäre, autoritäre Gruppe", die sich als Reaktion auf das staatliche Eingreifen in die persönliche Freiheit auf "diesem Freiheitsbegriff aufhängt", sagte die Studienautorin. Dieser Gruppe fehle ein Freiheitskonzept, das in ein gesellschaftliches Konzept eingebettet ist, es gehe nur um eine "Systemfreiheit als individuelles Recht", woraus sich eine autoritäre Tendenz ergeben kann.