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Warum die Asyl-Zahlen sinken

Von Vilja Schiretz

Politik

Seit November werden an der Grenze deutlich weniger Geflüchtete aufgegriffen. Entlastung der Grundversorgung zeichnet sich trotzdem nicht ab.


Konsequent auf die Asylbremse steigen": Das erwartet sich Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) von jenen österreichischen Polizisten, die im Zuge der am Dienstag angelaufenen "Operation Fox" auf ungarischem Staatsgebiet Geflüchtete aufgreifen und Schlepper festnehmen sollen. So sollen diese erst gar nicht über die Grenze nach Österreich gelangen.

Doch schon eine Woche, bevor die österreichischen Beamten mit Drohnen, Hunden und Wärmebildkameras nach Ungarn entsandt wurden, konnte Karner einen Rückgang der Aufgriffe von Migranten an der österreichischen Grenze vermelden. Wurden in den Monaten davor noch täglich durchschnittlich 700 Personen aufgegriffen, waren es Ende November im Schnitt 200. Eine ähnliche Entwicklung sei auch bei den Asylanträgen zu beobachten. Dass es im November weniger Grenzkontrollen und deshalb weniger Aufgriffe gegeben haben könnte, kann das Ministerium "völlig ausschließen". Die Anzahl der Beamten im Grenzeinsatz sei "gleichbleibend bis steigend".

Woran liegt es also, dass aktuell um zwei Drittel weniger Geflüchtete nach Österreich kommen als noch vor wenigen Wochen? Für Migrationsforscherin Judith Kohlenberger sind es banale Gründe, die den Ausschlag geben dürften: Viele Menschen, die geplant hatten, in die EU oder Österreich einzureisen, hätten das einfach schon getan, meint Kohlenberger. Eine Rolle dürfte aber vor allem die kälter werdende Witterung spielen, ein "saisonaler Effekt" also. Dieser setzte heuer früher ein als noch im Vorjahr: Im November 2021 war die Zahl der Asylanträge im Vergleich zum Vormonat sogar um rund zehn Prozent angestiegen, erst im Dezember und Jänner wurde ein Rückgang um etwa je ein Viertel in der Statistik sichtbar. All das allerdings auf einem deutlich niedrigeren Niveau als heuer: Im Oktober 2021 wurden 5.360 Asylanträge gestellt, im Oktober dieses Jahres waren es fast 18.000.

Serbien ändert Einreiseregeln

Ein weiterer Faktor für den Rückgang dürfte auch die Änderung der Visabestimmungen Serbiens sein. Bisher erlaubte der Balkanstaat tunesischen sowie indischen Staatsbürgern die visafreie Einreise. Von Serbien aus führte deren Weg oft über Ungarn nach Österreich. Denn Ungarn betreibt eine Politik des "Durchwinkens", Menschen bekommen kaum die Möglichkeit, um Asyl anzusuchen. Eurostat verzeichnet für das Jahr 2022 in Ungarn bisher weniger als 50 Asylanträge. Dass Österreich in der Asylfrage ausgerechnet die Zusammenarbeit mit Ungarn betont, führte deshalb nach der Präsentation der "Operation Fox" etwa zu Kritik vonseiten der Diakonie, aber auch Kohlenberger spricht von "Widersprüchen in der Asylpolitik".

Doch seit Ende November gelten in Serbien strengere Einreiseregeln für Tunesier, die Aufgriffe von tunesischen Staatsbürgern in Österreich gehen seither "gegen null", heißt es aus dem Innenministerium. Mit Jänner 2023 sollen auch die Visabestimmungen für Inder verschärft werden, wodurch sich das Innenministerium einen weiteren Rückgang der Aufgriffe und in Folge auch der Asylanträge erwartet. Denn zwischen Jänner und Oktober dieses Jahres hatten rund 15.000 Inder und 11.400 Tunesier um Schutz angesucht.

Kaum Inder in Grundversorgung

In der Grundversorgung spielen Menschen aus diesen Ländern hingegen eine untergeordnete Rolle, sowohl der Anteil von Indern als auch der von Tunesiern liegt unter einem Prozent. Denn häufig dürften diese Menschen nicht mit der Absicht nach Europa kommen, in Österreich - ohne Aussicht auf Anerkennung -- um Asyl anzusuchen. Viele versuchen wohl, in Länder wie Spanien oder Frankreich weiterzureisen, um dort etwa als Erntehelfer zu arbeiten.

Das bedeutet wiederum, dass durch einen Rückgang von Asylanträgen von Indern und Tunesiern keine größere Entlastung der Grundversorgung zu erwartet ist. Seit Monaten stellen die meisten Bundesländer zu wenige Unterkünfte zu Verfügung, Einrichtungen des Bundes sind überlastet. Das Innenministerium hofft durch den allgemeinen Rückgang von Anträgen auf sinkende Zahlen in der Grundversorgung, wie sich diese tatsächlich entwickeln werden, sei aber nicht abzusehen.

Lukas Gahleitner-Gertz vom Verein Asylkoordination warnt jedenfalls davor, angesichts geringerer Antragszahlen bei der Schaffung von Quartieren "die Hände in den Schoß zu legen". Derzeit sei keine wirkliche Entlastung des Systems abzusehen, nur ein "Explodieren" der Zahlen werde verhindert. Auch werde der saisonale Knick nicht von Dauer sein: Steigen die Temperaturen wieder, werden sich auch wieder mehr Menschen auf den Weg nach Österreich machen und Versorgung benötigen.