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Sehnsucht nach Heimkehr ins Hohe Haus

Von Karl Ettinger

Politik

Die letzte Nationalratssitzung im Ausweichquartier in der Hofburg hatte speziell für die Grünen Symbolwert.


Das nahende Weihnachtsfest besänftigt selbst streitbare Parlamentarier. Der letzte von drei Sitzungstagen im Nationalrat in dieser Woche verläuft über weite Strecken viel ruhiger und gedämpft. Nicht einmal die Opposition hat am Donnerstag Lust auf eine Dringliche Anfrage an ein Regierungsmitglied.

Vor drei Jahrzehnten hat noch die grüne Abgeordnete Christine Heindl mit ihrem Säugling im Plenum für Riesenaufregung gesorgt. Jetzt wird das Baby der niederösterreichischen ÖVP-Mandatarin Eva-Maria Himmelbauer seelenruhig im engen Gang neben dem Plenarsaal in der Hofburg von Parlamentsmitarbeitern geherzt. Der Blick durch das verglaste Bullauge ins Plenum zeigt, dass drinnen die letzten der gut 30 Gesetzesbeschlüsse im Nationalrat im heurigen Jahr diszipliniert abgespult werden.

Es ist diesmal allerdings mehr als der Kehraus vor Weihnachten. Nach fünf Jahren im Ausweichquartier wegen der überfälligen Generalsanierung des historischen Parlamentsgebäudes am Ring werden während der Feiertage noch Kisten übersiedelt. Am 12. Jänner folgt die feierliche Wiedereröffnung des Theophil-Hansen-Baus und wenig später die erste reguläre Sitzung des Nationalrats im renovierten Parlamentsgebäude.

Verbunden mit Erinnerungenan die Corona-Zeit

Seine Vorfreude darüber äußert der langgediente steirische ÖVP-Abgeordnete Reinhold Lopatka: "Es ist eine Heimkehr. Es ist das schönste Gebäude in Wien. Das ist kein Parlament, das hier ist ein Ausweichquartier. Ich werde das nicht vermissen, das Parlament hingegen habe ich vermisst." Es ist nicht nur das Ambiente, das anders ist. Bei Lopatka, der bereits für die ÖVP Regierungsmitglied war, kommt eine besondere Erfahrung seit März 2020 im Ausweichquartier dazu: "Ich verbinde die Corona-Zeit damit." Der ÖVP-Parlamentsklub hat freilich dennoch ein Erinnerungsfoto vor der letzten Nationalratsitzung im Ausweichquartier gemacht.

Drinnen sitzt Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) verlassen auf der Regierungsbank. Eine für Mütter und Väter wichtige Änderung wird recht einhellig beschlossen: Die Zuverdienstgrenze beim Kindergeld wird auf 7.800 Euro bei der einkommensabhängigen Variante und sonst auf 18.000 Euro angehoben.

Ein letzter Blick durchs Bullauge ins Innere des temporären Sitzungssaals des Parlaments.
© Ettinger

Für die SPÖ-Parlamentarierin und ehemalige Bildungs- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek dominiert die Freude über Kunstinstallationen im renovierten Hohen Haus: "Das Parlament muss ein offenes Haus sein für Kunst." Sie werde auch aus praktischen Gründen dem Ausweichquartier "eher nicht nachweinen". Denn es gebe hier wenig Rückzugsmöglichkeiten etwa für Besprechungen. Für die SPÖ-Politikerin sind die letzten fünf Jahre in Opposition nicht nur durch zwei Nationalratswahlen gekennzeichnet, sondern vor allem auch von Regierungen unter Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, die die Parlamentarier "despektierlich" behandelt hätten, und verbunden mit dem "Infragestellen des Parlamentarismus".

Ähnliche Gedanken gehen dem Vizeklubobmann der Neos, Nikolaus Scherak, am Rande der letzten Nationalratsitzung in der Hofburg durch den Kopf. Es seien "hier schon sehr viele historische Dinge" passiert. Das reicht von der Abwahl von Kurz als Bundeskanzler im Frühjahr 2019 bis zur "Missachtung" des Parlaments durch Minister, "die nie da sind", wie zuletzt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler von den Grünen.

Vorfreude auf die Rückkehr ins historische Parlamentsgebäude ist mehr als genug vorhanden: "Das ist der Ort der Demokratie", sagt Scherak, der ähnlich wie Lopotka, meint: "Da ist man schon sehr ehrfürchtig."

Historische Säulenhalle und kurze Wege vermisst

Der FPÖ-Abgeordnete und frühere Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs findet zwar auch die Hofburg sehr schön. Aber: "Ich habe die wunderschöne Säulenhalle schon sehr vermisst. Auf das freue ich mich am meisten." Bei den Freiheitlichen kommt ein pragmatischer Grund dazu. Sie haben ihre Büroräume in der Reichsratsstraße hinter dem historischen Parlamentsgebäude. In der Hofburg sei man "schon etwas abgeschnitten", während man sonst rasch zu Fuß ins Hohe Haus gelange.

Ein bisschen historisch auch das Geschehen im Plenum in der Hofburg. Nach jahrelangen Forderungen wird die Reform des Maßnahmenvollzugs für psychisch kranke Rechtsbrecher von Justizministerin Alma Zadic (Grüne), wenn auch wieder begleitet von Kritik, verabschiedet.

Für die Grünen hat das Ausweichquartier in der Hofburg besondere Bedeutung. Bei der Nationalratswahl 2017 sind sie aus dem Hohen Haus geflogen, im Herbst 2019 mit Parteichef Werner Kogler, der schon lange Jahre und lange Reden im Hohen Haus am Ring erlebt hat, sind die Grünen nicht nur triumphal ins Parlament zurückgekehrt, sondern danach auch erstmals in eine Bundesregierung eingezogen. Fast alle im grünen Klub haben wie Senioren- und Behindertensprecherin Bedrana Ribo bisher nur das Ausweichquartier als Arbeitsplatz kennengelernt: "Das hat für uns auch einen Symbolwert."

Es sei daher bei der Übersiedlung "ein bisschen Wehmut dabei", verrät die aus der Steiermark kommende Parlamentarierin. Sie freue sich aber wirklich schon sehr auf das renovierte Parlamentsgebäude: "Es ist für mich etwas ganz Neues."

Im Haus am Ring wird der traditionelle Christbaum wieder einen besonderen Platz unweit des Eingangs bei der Rampe erhalten. Im Foyer der Hofburg ist zwar ebenfalls längst ein geschmückter Tannenbaum. Der steht freilich am letzten Sitzungstag schon etwas schief. Vielleicht auch ein bisschen symbolisch.