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Grippewelle leert die Apotheken

Von Simon Rosner

Politik

Pharma-Verbände sehen medizinische Versorgung gesichert: Engpässe bei einzelnen Medikamenten, nicht bei Wirkstoffen.


Die gute Nachricht vorweg: Die Welle knickt. Die Zahl der wöchentlichen Grippemeldungen hat sich in Wien leicht reduziert. Freilich, es könnte sich auch um weniger Meldungen in der Ferienzeit und nicht um weniger Erkrankungen handeln. Gut möglich also, dass die Nachricht weniger gut ist, als sie scheint. Umgekehrt verhält es sich beim Medikamentenmangel. Mehr als 500 Präparate mit Versorgungsengpässen werden aktuell vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (Basg) gelistet. Dieses Problem ist aber kleiner, als die Zahl aussagt.

Wie so oft, ist auch in diesem Fall die nackte, absolute Zahl weniger substanzvoll als die genaue Analyse. Auf der Liste beim Basg sind nämlich auch Medikamente enthalten, die sehr wohl lieferbar sind, aber nur mit Einschränkung. Am Dienstag waren 298 Präparate wirklich als "nicht verfügbar" registriert. Knapp 300 sind aber immer noch viel.

Alexander Herzog, Generalsekretär des Verbandes der pharmazeutischen Industrie (Pharmig) verweist darauf, dass auf dieser Liste auch nicht verfügbare Packungsgrößen enthalten sind. Vor allem aber: Es geht um Medikamente, nicht um Wirkstoffe. So finden sich etwa auf der Liste einige klassische Erkältungsmittel mit Ibuprofen, die von anderen Herstellern aber weitgehend identisch verfügbar sind. Die meisten gelisteten Mittel sind Generika.

Sowohl die Pharmig als auch der Verband der Großhändler (Phargo) sehen weniger ein Angebots- als ein Nachfrageproblem. Simpler formuliert: Es gibt nicht viel weniger Medikamente, sondern viel mehr Erkrankte. Der starke Anstieg hat das durch globale Arbeitsteilung fragile System gestört. Umso wichtiger wäre daher, dass sich der Knick in der Grippewelle nach Ferienende tatsächlich als Rückgang der Erkrankungen materialisiert.

Großer Aufwand fürArzt und Apotheken

Die Engpässe, so die beiden Pharma-Verbände, würden vor allem Mittel betreffen, die bei Erkältungserkrankungen eingenommen werden, also fiebersenkend und schmerzstillend sind. Wobei in der Regel auf verwandte Präparate umgestiegen werden könne. Das mag unangenehm sein, stellt aber noch keine Notlage dar.

Gegenwärtig werden jedoch auffallend viele virale Infektionen von bakteriellen Infektionen begleitet. Deshalb ist auch die Nachfrage nach Antibiotika stark gestiegen - stärker als die Produzenten kalkuliert haben. Laut Andreas Windischbauer, dem Präsidenten der Großhändler, könnte sich daher bei manchen Antibiotika tatsächlich ein Problem auftun, wenn die Welle weiter rollen sollte. Das wäre das größere medizinische Problem, wobei Herzog von der Pharmig einen solch manifesten Engpass für nicht wahrscheinlich hält.

Bei Medikamenten für chronisch Kranke gebe es keinen Mangel, erklären beide Pharma-Verbände unisono. Auch das Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) berichtet von keinen Meldungen aus Spitälern, die darauf hinweisen würden.

Wenn gängige Präparate temporär nicht verfügbar seien, so Windischbauer, erzeuge das aber bei Ärzten und Apotheken einen Mehraufwand, da auf andere Produkte, vielleicht sogar auf andere Wirkstoffe ausgewichen werden muss. "Es braucht sicher einen regen Austausch zwischen Arzt und Apotheke", sagt Windischbauer. Das sei aber nicht neu.

Nicht teilen können den Pharma-Vertreter den Vorwurf der Ärztekammer, aus der Pandemie nichts gelernt zu haben, wie das Vizepräsident Harald Mayer gegenüber Ö1 formulierte. Die Basg-Liste sei nämlich ein direktes Ergebnis der Erfahrungen von Pandemiebeginn, als tatsächlich Lieferketten zusammenbrachen. Für alle Präparate, die in dieses Register gemeldet werden, gelte ein Exportverbot, sagt Herzog.

Die Ausfuhr von Medikamenten in andere EU-Länder sei eine der wesentlichen Ursachen für die Engpässe, sagt Herzog, weit mehr als Lieferketten-Probleme. "Wir sind eines der reichsten Länder, haben aber die niedrigsten Preise", so Herzog weiter. In großen Mengen würden Präparate in Österreich eingekauft und teurer in anderen Staaten verkauft werden.

"Hände Wegvon Notfalllagern!"

ÖVP und FPÖ sehen beim Preis auch einen Hebel für eine bessere Versorgungssicherheit. Jedes in Österreich verkaufte Medikament, auch rezeptfreie, müssen sich einem Preissetzungsverfahren unterziehen. In diesem, so Herzog von den Produzenten, sei der Preisdruck groß. Für Konsumenten und Krankenkassen sind billige Medikamente naturgemäß ein Vorteil.

Die SPÖ lehnt höhere Preise ab, will dafür die nach Asien ausgelagerte Produktion mittels Förderungen nach Österreich holen und zudem Krisenlager für Medizinprodukte einrichten. "Hände weg von Notfalllager!", antwortet Herzog. "Das klingt zwar gut, funktioniert aber nicht." Würde ein Land damit beginnen, werden andere nachziehen. "Dann haben wir den Klopapiereffekt und die Engpässe verschärfen sich." Man müsse aber auf europäischer Ebene koordinieren und zwischen den Staaten besser kooperieren, so die Pharmig.