Die Volksanwaltschaft prüfte das Behördenverhalten vor dem Terroranschlag am 2. November 2020 in Wien, bei dem der dschihadistische Attentäter K.F. vier Menschen tötete, bevor er von der Polizei erschossen wurde. Drei Prüfer, die dem Geschäftsbereich von Walter Rosenkranz (FPÖ) zugeteilt sind, interessierten sich vor allem für den nicht erfolgreichen Munitionskauf in der Slowakei und den behördenübergreifenden Informationsaustausch zwischen Stellen des Verfassungsschutzes und der Staatsanwaltschaft.

Heftige Kritik übt die Behörde am Verhalten des Innenministeriums, das zwar von dem versuchten Munitionskauf wusste, das aber nicht der Staatsanwaltschaft meldete, die sonst Schritte gegen K.F. hätte einleiten können. Das Innenministerium hat das gegenüber der Volksanwaltschaft mit einer rein "vagen Vermutung" gerechtfertigt, die auf K.F. hingedeutet habe, und stellt sich selbst eine richtige Vorgehensweise aus. Die Volksanwaltschaft arbeitete heraus, dass es verdichtende Indizien zum von K.F. ausgehenden Gefahrenpotenzial gab, das aber zu keiner Meldung an die Staatsanwaltschaft führte.

Für Volksanwaltschaft keine bloß "vage Vermutung"

Die Frage ist: Erfüllte K.F. einen Straftatbestand, der eine Meldung an die Staatsanwaltschaft verlangte?

Die Volksanwaltschaft kommt in ihrer mehrmonatigen Prüfung zu dem Schluss, dass genügend Hinweise vorlagen, die auf eine Anschlagsplanung hindeuteten. Die Behörde bezieht sich hier vor allem auf den versuchten Munitionskauf für ein Sturmgewehr:

Zwei Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz haben K.F. auf einem unscharfen Foto zu erkennen geglaubt.

Ihnen war auch bekannt, dass K.F. wegen einer versuchten Ausreise nach Syrien verurteilt und nur bedingt entlassen worden war. Außerdem gab es Informationen einer Quelle, dass er wieder "eine Ausreise nach Syrien zu terroristischen Zwecken" plane.

K.F. nahm auch bei einem Dschihadistentreffen in Wien teil, zu dem islamistische Personen aus Deutschland und der Schweiz angereist sind.

Für die Volksanwaltschaft war durch die genannten Gründe schon im Spätsommer 2020 der strafrechtliche Sachverhalt gegeben, der zum Handeln verpflichtet hätte. Sie spricht von einem "folgenschweren Verwaltungsmissstand" und empfiehlt dem Innenministerium "eine lückenlose disziplinarrechtliche Aufklärung".

"Institutionelle Abschottung" führe zu mangelnder Informationsweitergabe

Bei der mangelhaften Kommunikation zwischen den divesen Behörden erkennt die Volksanwaltschaft eine systemische Problematik des Verfassungsschutzes: "Das Bewusstsein, permanent mit höchst sensiblen und daher geheim zu haltenden Informationen zu tun zu haben, begünstigt eine gewisse institutionelle Abschottung", heißt es im Bericht. Das führe dazu, dass die Informationsweitergabe möglichst zu vermieden werde. Auch die Volksanwaltschaft sei damit bei ihrer Prüfung konfrontiert gewesen, obwohl keine Amtsverschwiegenheit gegenüber diesem Organ bestanden habe.

Im Hinblick darauf erneuerte die Volksanwaltschaft ihre Kritik an der Neuorganisation des BVT zur Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN): "Die organisatorische Konzeption erscheint geeignet, die Problematik weiter zu verschärfen". Die Trennung zwischen Nachrichtendienst und Staatsschutz schaffe Potenzial für Kommunikations- und Koordinationsprobleme, so die Volksanwaltschaft, die nun kritisiert, dass der Gesetzgeber diese im Rahmen des Begutachtungsverfahrens geäußerten Bedenken nicht gewürdigt habe.

Kritik an Innenministerium auch wegen verweigertem Zugang zu Akten

Die Prüfer hielten in ihrem Bericht auch fest, dass es anfängliche Probleme bei der Prüfung gab. So wollte der zuständige Sektionsleiter im Innenministerium nicht auf Fragen antworten, weil es derzeit strafrechtliche Ermittlungen gibt. Das Ministerium habe seinen Irrtum allerdings korrigiert, so die Volksanwaltschaft.

Das gleiche passierte auch beim Bundesamt für Korruptionsprävention und -bekämpfung (BAK), das gegen Beamte wegen möglichen Amtsmissbrauchs ermittelte. Das BAK unter der Leitung von Otto Kerbl verweigerte jedwede Akteneinsicht. Die Volksanwaltschaft bekam die Akten daraufhin vom Justizministerium, das "tadellos" kooperiert habe.