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Tempo bei Energiewende gegen Imagetief

Von Karl Ettinger

Politik

Bei ihrer Regierungsklausur arbeiteten ÖVP und Grüne Maßnahmen für Klimaschutz und gegen Korruption aus.


"Der letzte Vorschlag war um vier Uhr Früh akkordiert." Mit diesem Hinweis unterstrich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch bei der Pressekonferenz, dass es ÖVP und Grünen beim Start ins Jahr 2023 bei der Regierungsklausur ums Arbeiten gegangen sei. Inszenierung und Imagefragen seien "völlig zweitrangig".

Erleichterungen bei großen Umweltverfahren, mehr Tempo beim Ausbau von erneuerbarer Energie und damit für die Energiewende, Einigung über das seit Langem ausständige verschärfte Korruptionsstrafrecht und Anreize für längeres Arbeiten im Alter, die bis Ende März ausgehandelt sein sollen: Mit einer Fülle an Änderungen wollte die Koalition in Mauerbach bei Wien unter Beweis stellen, dass sie trotz massiver Unzufriedenheit der Bevölkerung bis zum regulären Neuwahltermin 2024 weiterarbeiten will.

Einmal mehr wurde das verknüpft mit der schon erfolgten Bewältigung der Krisen von der Pandemie bis zur Teuerung nach dem Ausbruch des russischen Krieges in der Ukraine Ende Februar des Vorjahres. "Diese Regierung, diese Legislaturperiode geht bis 2024", betonte der Regierungschef: "Wir sitzen nicht zusammen und denken über unser Image nach. Ich halte das auch für unangebracht." Der "Faktencheck" mache sicher, meinte er unter Hinweis auf bereits beschlossene Milliarden-Entlastungen in Zeiten der Teuerung und für den Wirtschaftsstandort: "Ja, es ist uns viel mehr gelungen, als uns unterstellt wird."

Aktivsten vor dem Eingang

Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler assistierte bei dem Presseauftritt mit Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne), ein arbeitsreiches Jahr stehe bevor: "Das Wichtigste ist doch, dass wir die Ärmel aufgekrempelt lassen und weiterarbeiten." Allerdings packte die türkis-grüne Bundesregierung bei der Klausur im Schlosspark-Hotel Mauerbach vor allem Vorhaben an, die schon einige Zeit auf dem Kabinettstisch liegen. "Die Zeit läuft ab, Klimagesetze jetzt", forderten Greenpeace-Aktivisten vor dem Eingang zum Tagungsort.

Drinnen wurde zwar nicht das schon länger umstrittene Klimaschutzgesetz fertiggeschnürt, aber ein Bündel an anderen Gesetzen. Mit diesen sollen Umweltverfahren für Großbauten und der Ausbau von erneuerbarer Energie mit Windkraft, Fotovoltaikanlagen und der Ersatz von russischem Gas auch durch heimisches Biogas beschleunigt und vorangetrieben werden. Die Reduzierung der Abhängigkeit von russischem Gas sei "ein ganz großer Fortschritt", sagte Nehammer. Die "Energiewende" sei der "Schlüssel für Unabhängigkeit" Ministerin Gewessler formulierte: "Der Misthaufen soll zum Kraftwerk werden."

Nach monatelangen, koalitionsinternen Verhandlungen stieg weißer Rauch bei strengeren Regeln zur Eindämmung der Korruption auf. Damit konnte Grünen-Chef Kogler neben der Offensive in Richtung Energiewende nun auch einen Erfolg für seine Partei verkünden: "Jetzt kommt‘s. Jetzt ist es da und es ist unumstößlich", sagte der Vizekanzler.

Neue Regeln gegen Korruption

Die Details des Anti-Korruptionspakets werden am Donnerstag von der Regierung nachgeliefert und verkündet. Es geht um strengere Regeln gegen Mandatskauf bei Spenden sowie für Amtsträger. Genüsslich erinnerte Kogler daran, Auslöser seien "blaue Skandale" - Stichwort Ibiza-Video mit Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache - gewesen: "Das ist ein Lückenschluss im Korruptionsstrafrecht." Zuletzt richteten sich allerdings Korruptionsvorwürfe vielfach gegen (ehemalige) Politiker des Regierungspartners ÖVP. Dennoch betonte auch Nehammer, diese Koalition habe von Beginn an das Ziel gehabt, dass sich Korruption als "Gift" für die Gesellschaft nicht weiter ausbreitet.

Auffallend war, was nicht als Thema der türkis-grünen Regierungsklausur zum Start ins Jahr 2023 vorgestellt wurde: die Asyl- und Flüchtlingspolitik. Dabei hatte die ÖVP noch im Dezember die hohe Zahl von 100.000 Asylanträgen und illegale Migration nach Österreich nicht nur scharf kritisiert, sondern zum Leidwesen der Grünen auf EU-Ebene auch den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum Schengen-System blockiert. Damit blieb eine Problematik, die unweigerlich Unstimmigkeiten zwischen den Koalitionspartnern offenkundig hätte werden lassen, ausgeklammert.

Leistbares Wohnen und Klimaproteste

Ähnliches galt für ein anderes, zuletzt von der ÖVP und vor allem von Finanzminister Magnus Brunner vorangetriebenes Thema, die Abschaffung der Grunderwerbsteuer beim ersten Eigenheim. Man werde an dem Thema leistbares Wohnen weiterarbeiten, versicherte der Bundeskanzler lediglich. Das sei komplex, da falle viel hinein, ergänzte Vizekanzler Kogler.

Angesichts der jüngsten Aktionen, bei denen sich Klimaaktivisten aus Protest auf Wiener Straßen angeklebt haben und sich aus der ÖVP die Rufe bis hin zu Haftstrafen gemehrt haben, probierte es der Bundeskanzler und ÖVP-Bundesparteiobmann mit einem Mittelweg. Versammlungs- und Demonstrationsrecht seien wichtig in der Demokratie. Er richte aber "meinen Appell "an jene, die das tun", sich die Folgen mit Staus zu überlegen.

Vizekanzler Kogler verwahrte sich dagegen, diese Aktivisten als "Klimaterroristen" zu bezeichnen. Mit dem Verwaltungsstrafrecht und Strafgesetzbuch würden sich aber bereits jetzt viele Möglichkeiten zum Vorgehen dagegen bieten.