Nach rund einer Stunde zogen sich die Geschworenen am 15. und letzten Verhandlungstag zu ihren endgültigen Beratungen zurück. Sie mussten entscheiden, ob die sechs Angeklagten dem Attentäter K.F., der am 2. November 2020 vier Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt hatte, bei der Planung seines Anschlags geholfen haben. Ihnen wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen, was genauso zu bestrafen ist, wie Mord. Vier der sechs Angeklagten drohte lebenslange Haft, den beiden jüngsten 10 bis 20 Jahre, weil sie zum Zeitpunkt der Tat unter 21 Jahren alt waren.
Vier Schuldsprüche wegen Mordes
Nach über neun Stunden Beratung kamen die acht Geschworenen zu einer Entscheidung: Vier von sechs Angeklagten wurden im Hauptpunkt, der Beihilfe zum Mord, schuldig gesprochen. Der Drittangeklagte, der dem Attentäter gefälschte Identitätsdokumente besorgen wollte, der Viertangeklagte, dessen DNA auf allen Waffen gefunden wurde, und der Fünftangeklagte, der ihm die Waffen übergeben hat, wurden ebenso wegen Mordes schuldig gesprochen wie der Sechstangeklagte, der den Kontakt zum Waffendealer hergestellt hat.
Der Drittangeklagte wurde zu 20 Jahren, der Sechstangeklagte zu 19 Jahren Haft verurteilt, der Viert- und Fünftangeklagte zu lebenslanger Haft.
Der Erstangeklagte, der mit dem Attentäter in die Slowakei gefahren ist, und der Zweitangeklagte, der K.F. am Tag vor dem Anschlag besucht hat, wurden des Mordes freigesprochen.
Die Erst- bis Viertangeklagten wurden außerdem wegen der Verbreitung von islamistisch extremistischer Propaganda verurteilt. Zusammen mit dem Sechstangeklagten wurden sie auch wegen der Unterstützung des IS verurteilt.
Der Erst- und Viertangeklagte wurden zwar wegen Mord freigesprochen, bekommen allerdings wegen dem Verbreiten von IS-Propaganda eine Strafe von 24 Monaten, wobei 16 Monate bedingt nachgesehen werden. Sie haben drei Jahre Bewährung. Der Zweitangeklagte darf das Gefängnis noch am Donnerstag verlassen, der Erstangeklagte war schon auf freiem Fuß.
Der Fünftangeklagte wurde auch wegen Verstößen gegen das Waffengesetz verurteilt. Dazu bekannte er sich auch schuldig. Freigesprochen wurde er hingegen bei der Frage, ob er die Terrororganisation IS unterstützt hat. Die terroristische Verbindung wurde auch aus seinem Mord-Schuldspruch herausgenommen.
Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig, die Verteidiger und Staatsanwaltschaft haben jetzt drei Tage Zeit, um Rechtsmittel einzulegen. Die Anwälte der Dritt- bis Sechstangeklagten kündigten Berufung und Nichtigkeitsbeschwerden an.
Schlussworte der Angeklagten
Zu Beginn des letzten Verhandlungstages am Landesgericht für Strafsachen in Wien bekamen die Angeklagten vor der Urteilsverkündung noch einmal die Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen und dem Prozess zu äußern. Die Jugendfreunde des Attentäters, I.B. und B.K., schlossen sich lediglich den Worten ihrer Verteidiger vom Vortag an.
Der Erstangeklagte, der mit dem Attentäter in die Slowakei gefahren ist, wo K.F. Munition kaufen wollte, gab ein längeres Statement ab, das er mehrmals unterbrechen musste, weil er mit den Tränen kämpfte. Er sprach den Opfern des Anschlages zu Beginn sein Mitleid aus, "sie sind hier bisher zu kurz gekommen", meinte er. Die Fahrt in die Slowakei sei "wie ein schlechtes Date" gewesen. K.F. habe nichts geredet, es sei eine unangenehme Stimmung gewesen. "Wie soll jemand wie ich ihn intellektuell motiviert haben, der zweimal versucht hat ins Kriegsgebiet auszureisen", fragte er die Geschworenen. Hätte er vom Versuch Munition zu kaufen etwas mitbekommen, hätte er es gemeldet. "Aber sowas von." Er distanzierte sich abschließend von jeglicher extremistischer Ideologie.
Der Viertangeklagte, dessen DNA-Spuren auf allen Waffen gefunden worden waren, erzählte weniger von seinen Lebensumständen, sondern brachte noch einmal die Argumente seines Verteidigers vor. Er sprach vor allem darüber, wie seine DNA-Profile seiner Meinung nach auf die Tatwaffen gekommen sind. Er habe mehrere Wochen bei K.F. gewohnt, weil er Streit mit seiner Frau hatte. "Man kann es Pech nennen, man kann es Schicksal nennen. Im Leben passieren Dinge, auf die man keinen Einfluss hat", versuchte er zu erklären.
Der Fünftangeklagte gestand, dass er die Waffen an K.F. übergeben hatte, widersprach aber der Darstellung der Staatsanwältin, wonach er Teil einer islamistisch extremistischen Szene sei. In seinem Beruf als Sicherheitsmann habe er Hollywood-Stars und Prominente beschützt.
Der Sechstangeklagte hielt sich kurz: "Hätte ich je geahnt, dass der Attentäter zu so etwas fähig ist, hätte ich die verdammte Nummer nie weitergegeben." Er hatte K.F. mit dem Fünftangeklagten zusammengebracht.
Geschworene mussten 28 Fragen zur Schuld klären
Den Geschworenen wurden insgesamt 28 Schuldfragen gestellt, die sie mit einem Ja oder einem Nein zu beantworten hatten. Die ersten sechs Fragen waren der Fokus des Verfahrens: Haben die Angeklagten wissentlich dabei geholfen, den Anschlag vorzubereiten? Bei den restlichen Fragen befassen sich die Geschworenen mit Nebendelikten, die auch angeklagt wurden: den Waffendeals des Fünftangeklagten sowie der Verbreitung von IS-Propagandamaterial der Erst- bis Viertangeklagten.
Außergewöhnlich war der Schritt des Richtersenats. Der entschloss sich, bei den Beratungen der Geschworenen teilzunehmen, vertreten durch den Vorsitzenden. Eigentlich sind Geschworene bei ihren Beratungen unter sich. Der Richter begründete das mit der Menge an Akten und der Komplexität des Verfahrens. Die Verteidiger sagten, dass dieser Schritt zwar ungewöhnlich, in Anbetracht des großen Aktenumfangs aber gutzuheißen sei.