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Steuereinnahmen erreichen Dreistelligkeit

Von Simon Rosner

Politik

Der Staat nahm zum ersten Mal mehr als 100 Milliarden Euro Abgaben ein. Inflation nur teilweise verantwortlich.


Am Dienstag wird Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) den Budgetvollzug des Vorjahres präsentieren. Das ist immer eine ambivalente Angelegenheit, denn die Erfolgsmeldung des Finanzministers ärgert auf anderen Seite die Steuerzahler, die ihm diesen Erfolg beschert haben. Was sich schon sicher sagen lässt: Im Jahr 2022 haben die Menschen in Österreich eine Rekordsumme an den Staat abgegeben.

Erstmals übersprangen die Gesamteinnahmen aus Steuern und Abgaben die 100-Milliarden-Euro-Marke. Insgesamt wurden im Vorjahr 105,2 Milliarden Euro an Steuergeld eingenommen, um 9,5 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Wenig verwunderlich sind die Einnahmen durch die Umsatzsteuer deutlich angestiegen, nämlich von 30,6 auf 35,4 Milliarden Euro. Das ist auch ein Effekt der Teuerung. Gestiegene Preise sorgen unmittelbar für höhere Abgaben, erst mit Verzögerung ist ein Rückgang des Konsums zu erwarten.

Dass sich Menschen mit geringen Einkommen bei einer derart hohen Inflation sofort weniger leisten können, also ihren Konsum recht schnell zurückschrauben müssen, ist zwar auch eine Tatsache, doch dieser Effekt ist für die Gesamtschau nur bedingt relevant. Da überwiegen die höheren Abgaben deutlich.

Bruno Rossmann, der über drei Jahrzehnte Budgetexperte in der Arbeiterkammer war und als Abgeordneter für die Grünen und später die "Liste Jetzt" im Nationalrat saß, erwartet für dieses Jahr aber eine stärkere Zurückhaltung beim Konsum, die sich auch aus den Details des Budgetvollzugs herauslesen lassen wird. Zu bedenken ist auch: In der Covidkrise ist die Sparquote in sehr kurzer Zeit stark gestiegen: Geschäfte und Lokale waren lange geschlossen und auch Urlaube nur eingeschränkt möglich. Im Vorjahr ist die Sparquote dann fast wieder auf das Vor-Pandemie-Niveau gefallen.

Eine gewisse Veränderung im Konsumverhalten ist vielleicht aus der Entwicklung der Mineralölsteuer abzulesen. Im März spülte sie noch fast 400 Millionen Euro hinein, in den Monaten der zweiten Jahreshälfte, trotz höherer Benzinpreise, weniger. Allerdings war der Rekordwert für das gesamte Jahr dann der Dezember mit 455 Millionen Euro. Auch in früheren Jahren gibt es solche Ausreißer, ein längerer Betrachtungszeitraum ist daher notwendig.

Explosion der Körperschaftsteuer

Interessant ist die Entwicklung der Körperschaftsteuer (KÖSt), die im Vorjahr geradezu explodiert ist. Erstmals wurde die Zweitstelligkeit bei den Milliarden erreicht - und die Grenze sogar deutlich übersprungen. Die Besteuerung der Unternehmensgewinne brachte im Vorjahr 13,6 Milliarden Euro ein. Nach Berechnungen der Agenda Austria lag dieser Wert um 45,2 Prozent über jenem aus dem Jahr 2019, also vor der Pandemie.

Bei der KÖSt ist ein Auf und Ab nicht ungewöhnlich, ein Wachstum um fast vier Milliarden Euro binnen einem Jahr ist aber bemerkenswert. Dabei ist die Teuerung beziehungsweise sind etwaige "Zufallsgewinne" noch nicht enthalten, da diese erst im Vorjahr angefallen sind und sich erst im Jahr 2023, teilweise sogar 2024 im Budgetvollzug niederschlagen werden. "Auch im Jahr 2023 wird ein neues Rekordhoch der Steuereinnahmen erreicht werden", sagt Marcell Göttert, Ökonom bei der wirtschaftsnahen Denkfabrik Agenda Austria.

Es sind wohl mehrere Effekte, die hier zum Tragen kommen, denn auch die veranlagte Einkommensteuer offenbart eine ähnliche Steigerung wie die KÖSt, natürlich auf einem deutlich geringeren Niveau, von 4,5 auf immerhin 5,9 Milliarden Euro. Das Wachstum aber ist ähnlich.

Zum einen hat Österreich nach dem ökonomischen Schock im Jahr 2020, ausgelöst durch das Coronavirus, eine sehr gute konjunkturelle Entwicklung im zweiten Pandemiejahr verzeichnet, die sich bis ins Vorjahr zog. Die Wirtschaft wuchs 2021 nominell um 6,6 Prozent (real um 4,6 Prozent), das schlug sich naturgemäß auch auf die Unternehmensgewinne nieder. Zum anderen dürften aber auch die großzügigen Corona-Hilfen, die teilweise noch ins Jahr 2020 zurückreichen, als allein für November und Dezember ("Umsatzersatz") 3,2 Milliarden Euro an Unternehmen flossen, eine Rolle spielen. Wie stark dies ins Gewicht fällt, ist aber unklar.

Welche Rolle spielendie Covid-Hilfen?

Erst vor zwei Wochen hatte der "Standard" über eine Studie der Nationalbank berichtet, dass die heimischen Betriebe im ersten Pandemiejahr sogar einen Finanzpolster aufbauen konnten. Die Vermögenswerte der Firmen hätten demnach um 4,4 Prozent zugelegt und damit mehr als im Jahr vor der Pandemie. Auch das Eigenkapital sei 2020 um 7,5 Prozent nach oben gegangen. Für die Studie waren 122.000 Unternehmensbilanzen ausgewertet und Bankdaten analysiert worden.

Die Lohnsteuer - neben der Umsatzsteuer der größte Brocken aus Sicht des Finanzministers - war im Vorjahr eine Punktlandung, wobei dieser Posten besser zu prognostizieren ist. Im Budget waren 31,6 Milliarden Euro veranschlagt worden, am Ende waren es 2022 etwas mehr als 31,4 Milliarden Euro.

Die Rekordeinnahmen haben übrigens nicht zu einem Rekordüberschuss geführt, denn die Ausgaben sind auch deutlich gestiegen und verursachten insgesamt ein Minus von rund 20 Milliarden Euro.