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Der Bericht eines vorsichtigen Richters

Von Patrick Krammer

Politik

Im Abschlussbericht lehnt sich Wolfgang Pöschl nicht weit aus dem Fenster. Zwischen den Zeilen findet sich aber Kritik.


"Außer Spesen nichts gewesen." So fasste ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger den "ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss" zusammen. Seine Partei sah sich, nur drei Stunden nach der Vorlage des 500-seitigen Berichts, in ihrer Meinung bestätigt. Der Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl habe seiner Partei "fast zu 100 Prozent" recht gegeben.

Andere Fraktionen haben den Entwurf aber doch etwas anders gelesen, den Pöschl zusammen mit seiner Stellvertreterin Christa Edwards und mehreren Juristen der Parlamentsdirektion verfasst hatte. Mittwochnachmittag war der Bericht dann offiziell vom Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP) eingereicht worden. Laut Pöschl übrigens ohne dabei auch nur einen Strich verändert zu haben. Die Opposition sieht ihrerseits vieles bestätigt. Jan Krainer (SPÖ) sieht "massives korruptives Verhalten". Er erklärt die vorsichtig gewählten Formulierungen Pöschls mit dessen Vergangenheit als Strafrichter.

Tatsächlich lässt der Bericht unterschiedliche Auslegungen zu, Pöschls Ansatz wirkt sehr juristisch: Mehrfach stellt er Auffälligkeiten fest, sieht durch die Befragungen des U-Ausschusses jedoch zu wenig Stichhaltiges, um es Korruption zu nennen. Er lässt stattdessen Rückschlüsse offen, verweigert strafrechtliche Einordnungen und sagt, wo der U-Ausschuss nichts zutage fördern konnte. Bei widersprüchlichen Aussagen von Auskunftspersonen hält er lediglich fest, dass gesicherte Feststellungen nicht getroffen werden konnten.

Auftragsvergaben in Ministerien

Im längsten Kapitel des Berichts beschäftigte sich der Verfahrensrichter mit Auftragsvergaben, etwa Studien, Inserate, Umfragen und Veranstaltungen. Die behandelten Einzelfälle sind zu umfangreich, um sie alle zu erwähnen. An einem Punkt findet es Pöschl bemerkenswert, "dass bei den in diesem Ausschuss untersuchten Vergaben ausschließlich ÖVP-nahe Unternehmen zum Zug kamen".

Im Fall des "Beinschab-Tools" spricht Pöschl von einer "massiven korrupten Vorgangsweise", die "geradezu auf der Hand zu liegen scheint". Im U-Ausschuss ortet er allerdings einen Beweisnotstand, weil die involvierten Sabine Beinschab, Sophie Karmasin sowie die Medienmacher Wolfgang und Helmuth Fellner nicht geladen wurden. Gleichzeitig sei das Entstehen eines solchen Tools denkbar, da im Finanzministerium schwere Mängel herrschten.

Der Sachverhalt steht also nicht infrage, nur konnte im U-Ausschuss dazu nichts erhoben werden. Eine Zurechnung der politischen Verantwortung trifft Pöschl trotzdem: Für das Handeln Schmids "hat der jeweilige Finanzminister in politischer Hinsicht die Verantwortung zu übernehmen".

Die Steuerverfahren von Wolf und Benko

Auch bei Steuerverfahren rund um Siegfried Wolf und Rene Benko war das Verfahrensrichter-Duo vorsichtig: Man prüfe keine strafrechtlichen Verantwortungen, das sei Aufgabe unabhängiger Gerichte, stellt Pöschl an den Anfang einer schonungslosen Chronologie, die im Fall Wolf "die Korruption jedenfalls im Sinn politischer Einflussnahme und Verantwortlichkeit nahelegen".

Zur Erinnerung: Der Unternehmer Wolf wollte bei einer Steuernachforderung weniger zahlen, als die Behörden gefordert hatten. Er wandte sich an Schmid, der "sehr aktiv war, um diesem einen Freundschaftsdienst zu erweisen". Es wurden daraufhin Besprechungen verschoben, Wolf traf sich mit der Leiterin des zuständigen Finanzamtes und koordinierte mit ihr und Schmid eine Stellungnahme, nachdem kontrollierende Stellen auf Unregelmäßigkeiten gestoßen waren. "Alles in allem deuten sämtliche Vorgänge [. . .] auf gezieltes und politisch intervenierendes Zusammenwirken hin", stellt Pöschl nüchtern fest. Im Fall Rene Benkos sieht Pöschl zwar Auffälligkeiten aber keine gesicherten Aussagen, mit denen er "allfällige Hinweise auf Korruption" hätte festmachen können. Auch deswegen, weil die Auskunftspersonen nicht mit Schmids Aussagen vor der WKStA konfrontiert werden konnten. Das ist eines jener Ergebnisse, mit denen Hanger in seiner Aussendung die Position der ÖVP bestätigt sieht. Pöschl richtete Hanger am Donnerstag aus, er "möge den Bericht noch ein bisschen genauer" lesen.

Die Postenbesetzungen im Innenministerium

So richtig deutlich wird Pöschl, wenn es um Postenbesetzungen im Innenministerium geht. Hier sind immer wieder Personen mit ÖVP-Naheverhältnis zum Zug gekommen. Dass diese Personen unqualifiziert waren, sei dafür nicht "dezidiert festgestellt" worden. Der Verfahrensrichter bezieht sich in seinem Bericht dabei vor allem auf die sogenannten Kloibmüller-Chats, des ehemaligen Kabinettschefs mehrerer ÖVP-Innenminister, der als "Drehschreibe" bezeichnet wird. Der habe selbst nach seinem Ausscheiden aus dem Innenministerium weiterhin Besetzungswünsche entgegengenommen und weitergeleitet.

"Bei allem Verständnis für die bürgernahen Aufgaben eines Politikers", seien solche "Vorkommnisse daher geeignet, einen Eindruck von Beeinflussbarkeit zu erwecken und zu stärken." Für Pöschl ist das Ergebnis klar: Bei Postenbesetzungen "gibt es "eine faktische Einflussmöglichkeit" auf Begutachtungskommissionen und Besetzungsvorschläge. "Insgesamt reichen die solcherart hervorgekommenen Ergebnisse des Untersuchungsausschusses aus, den Versuch parteipolitischer Einflussnahme auf Postenbesetzungen deutlich zu machen."

Politische Netzwerke in der Justiz

Auch bei vermuteten politischen Netzwerken und Einflüssen in der Justiz rund um den suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek, Oberstaatsanwalt Johann Fuchs und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sieht Pöschl zwar einerseits weniger parteipolitische Aktionen als eskalierte, persönliche Animositäten. Andererseits stellt er Pilnacek ein nicht allzu gutes Zeugnis aus, wenn er meint: "Wohl ist die [. . .] politische Einstellung von Pilnacek bei mehreren Gelegenheiten deutlicher erkennbar geworden, als es seiner nahezu beispiellosen Spitzenfunktion in der Justiz angemessen und zuträglich war." Pöschl führt Pilnaceks Chats ("Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?") auf "politische Nähe" zurück. Gleichzeitig sprach er auch die WKStA und deren Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda nicht von Fehlern frei.