Eine mögliche Aufhebung der Regelungen zur Verjährungshemmung besorgt Justizministerin wie Staatsanwälte. Ressortchefin Alma Zadic (Grüne) sah nach dem Ministerrat Probleme bei der Verfolgung von Korruptions- und Terrorbekämpfung sowie von organisierter Kriminalität. Ähnlich war die Reaktion der Staatsanwältevereinigung: Sollten die angefochtenen Regelungen ersatzlos wegfallen, würde man keine Möglichkeit haben, die Verjährung von Straftaten zu stoppen, sagte Vizepräsident Bernd Ziska zur APA.
Hintergrund ist, dass im Buwog-Prozess erstinstanzlich Verurteilte die Regeln zur Verjährungshemmung beim VfGH angefochten haben. Eine Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen im Strafgesetzbuch (konkret betroffen ist der gesamte Paragraph 58) durch den VfGH hätte nicht nur Konsequenzen für den konkreten Fall. Betroffen wären dann automatisch auch alle anderen Strafverfahren.
Keine Stellungnahme
Die Regierung hat dazu bisher keine gemeinsame Stellungnahme an das Höchstgericht übermittelt. Die Frist dazu läuft Ende Februar ab. Zadic warnte als Justizministerin, das Verfassungsministerium von Karoline Edtstadler (ÖVP) zeigte sich indessen verwundert, "dass bei den - in diesem Stadium - normalerweise wenig Beachtung findenden Verfahren vor dem VfGH nun mehr ein mediales Interesse entstanden" sei. Laut der Tageszeitung "Kurier" will Edtstadler die Angelegenheit bei der Reform der Beschuldigtenrechte neu definieren. Dazu laufen seit Monaten koalitionäre Verhandlungen.
Die Staatsanwälte sehen in diesem Fall keinen Änderungsbedarf. Ziska meint dazu: "Das kann man nicht wollen." Der Staatsanwälte-Vertreter kann sich aber nur schwer vorstellen, dass das Höchstgericht den Paragraphen tatsächlich kippen sollte. Der VfGH habe erst vor etwa zwei Jahren in einem Verfahren um die Verfahrensdauer bei Strafverfahren die Verjährungsbestimmungen geprüft.
Schon derzeit seien die Verjährungsfristen für manche Delikte relativ kurz, sagt Ziska. Die Verjährungsfrist beginnt bereits mit dem Ende der Ausführung der Tat und wird erst mit Ermittlungsschritten wie der ersten Einvernahme des Beschuldigten oder dessen Ausschreibung zur Fahndung gehemmt. Da man aber im Regelfall zunächst gegen unbekannte Täter ermittelt, läuft die Frist zunächst.
Gerade im Vermögensbereich dauert es laut Ziska aber manchmal bereits einige Zeit, bis eine Tat einmal bekannt wird und sich die Opfer an die Behörden gewendet haben. Für Diebstahl (Strafdrohung sechs Monate bzw. Geldstrafe, Anm.) beträgt sie etwa ein Jahr. Daher sei man schon jetzt oft sehr knapp dran mit manchen Verjährungsfristen. Verliere man nun auch noch die Möglichkeit, die Fristen mit bestimmten Ermittlungsfristen zu stoppen, würden die Täter straffrei ausgehen.
Gegen eine Änderung der Verjährungsregeln spricht sich auch die stellvertretende Vorständin des Instituts für Strafrecht der Uni Wien, Ingeborg Zerbes, aus. In der Schweiz gebe es absolute Verjährungsfristen, die unabhängig von Ermittlungsschritten der Behörden laufen, erklärte sie gegenüber Ö1. Damit habe man zuletzt das Verfahren im Umfeld des Weltfußballverbandes Fifa in den Sand gesetzt. "Aus meiner Sicht halte ich absolute Fristen für die undifferenzierte Methode. Wenn man eine differenzierte hat, sollte man diese lassen."
Edtstadler weist auf Reform
Zadic verwies darauf, dass bei Korruptionsdelikten die Ermittlungen oft länger dauern würden. Seit Gründung der Zweiten Republik seien die Verjährungsfristen "ein Kernelement der Verbrechensbekämpfung". In fast allen westlichen Demokratien gebe es ähnliche Regelungen. Dass der Koalitionspartner das anders sieht und eine entsprechende Stellungnahme der Regierung an den VfGH über die Verfassungsministerin blockiert, wollte Zadic nicht kommentieren: "Da müssen sie die Kollegin selbst fragen."
Das Ministerium Edtstadler verwies auf den laufenden Prozess innerhalb der Koalition zu einer Reform der Strafprozessordnung. Ziel dabei sei, "Strafverfahren zu verkürzen, Beschuldigtenrechte zu stärken und einen Kostenersatz im Fall von Freispruch oder Einstellung einzuführen". Weiter heißt es: "Vor diesem Hintergrund ist es aus unserer Sicht nicht sinnvoll, die aktuelle Rechtslage zur Verjährungshemmung zu verteidigen. Denn genau das ist ein Punkt, an dem eine breiter angelegte Reform anknüpfen könnte."(apa/red)