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UVP-Beschluss mit Beigeschmack

Von Simon Rosner

Politik
Der Streit um die Windkraft wird prolongiert.
© Rosner

ÖVP will Nachverhandlungen vor dem Bundesrat, der Gemeindebund gleich juristisch vorgehen.


Der Abend war schon weit fortgeschritten, als im Nationalrat die Novelle zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz beschlossen wurde. Die Mehrheit war stabil, nicht nur durch die Stimmen von ÖVP und Grünen, die den Entwurf im Sommer des Vorjahres auf den Weg gebracht hatten. Auch Neos und SPÖ stimmten der Gesetzesänderung zu, die Freiheitlichen nicht.

Als vorletzte Rednerin war aber Martina Diesner-Wais, Abgeordnete der ÖVP aus dem Waldviertel, ans Rednerpult getreten. Sie lobte den Schritt, den die Grünen zuvor sogar als "Turbo" beim Ausbau von erneuerbarer Energie bezeichnet hatten. Substanzlose Beschwerden hätten nun keine aufschiebende Wirkung mehr, Doppelprüfungen würden vermieden, so Diesner-Wais. "Aber in einem Punkt", ergänzte die Mandatarin und wandte sich an Ministerin Leonore Gewessler, "sehe ich noch Handlungs- und Verhandlungsbedarf." Der Beschluss erhielt dadurch eine Fußnote.

Denn noch ist das Gesetz nicht in legistisch trockenen Tüchern, es muss erst durch den Bundesrat. Da bis auf die FPÖ alle Parteien zustimmten, sollte die Länderkammer kein allzu großes Hindernis darstellen. Aber durch den von Diesner-Wais angesprochenen Verhandlungsbedarf könnte sich auf den letzten Metern noch eine neue Dynamik ergeben. Konkret geht es dabei um mutmaßliche Eingriffe in die Gemeindeautonomie durch die Novelle.

Andreas Kollross, Abgeordneter der SPÖ und Bürgermeister von Trumau, bezeichnete das Gesetz zwar als gute Grundlage, "aber in manchen Bereichen ist es schlecht gemacht". Auch er bezog sich auf die Eingriffe in die Autonomie der Kommunen.

Grundsätzlich dient der Paragraf 4a unter dem Titel "Windkraftanlagen" dem Bund dazu, säumige Länder, die keine Energieraumpläne vorzuweisen haben, an die Kandare zu nehmen. Das Fehlen eines solchen Zonenplans oder, wie in Oberösterreich, ein ungenügender, soll den Windkraftausbau nicht mehr blockieren können. Die Projektwerber brauchen in diesen Fällen die Zustimmung der Standortgemeinde, aber nicht mehr des Landes.

"So geht man nichtmit den Gemeinden um!"

Der umstrittene Paragraf sieht aber auch vor, dass überall dort, wo ein Energieraumplan vorliegt, gebaut werden kann - ohne Zustimmung der Kommunen. So deuten es die Juristen des Gemeindebundes. In den Erläuterungen zum Entwurf heißt es: "In diesen Fällen kann auch ohne entsprechende Widmung ein Vorhaben in einer Vorrangs- bzw. Eignungszone genehmigt, errichtet und betrieben werden.

"So geht man nicht mit den österreichischen Gemeinden um", heißt es dazu in einem Präsidiumsbeschluss des Gemeindebundes, der noch am Mittwoch verabschiedet wurde. Man wehre sich parteiübergreifend, heißt es da, und der Gemeindebund kündigte auch juristische Schritte an. Wenn eine Gemeinde vor den Verfassungsgerichtshof ziehen sollte, werde man dies unterstützen.

Die konkrete Sorge der Gemeinden ist, dass vor allem dort, wo bereits Windräder stehen, nachverdichtet und aufgestockt wird, ohne rechtliche Einflussmöglichkeit. Das sei auch eine unverständliche Schlechterstellung gegenüber den Gemeinden in jenen (westlichen) Bundesländern, in denen es keinen Zonenplan gibt und die weiterhin mitentscheiden können.

Vor allem in Niederösterreich laufen derzeit die Drähte heiß. Dem Vernehmen nach überlegt das Land sogar, ihren rund zehn Jahre alten Energieraumplan aufzuheben. Dann müssten die Projektwerber wieder gesetzlich mit den Gemeinden verhandeln. "Verfahren werden nicht beschleunigt, sondern verzögert, wenn im Vorfeld nicht die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger ausgeräumt sind", heißt es im Papier des Gemeindebundes.

Die Zeit für Verhandlungen ist zwar eher knapp, denn in zwei Wochen soll das Gesetz im Bundesrat beschlossen werden, aber wohl ausreichend. Grundsätzlich. Im zuständigen Ministerium von Klimaschutzministerin Gewessler erwartet man, dass der Bundesrat seine Zustimmung geben wird, zumal im Nationalrat alle bis auf die FPÖ zustimmten. Es sei nun Angelegenheit des Parlaments, man sehe aber die Interessen der Gemeinden durchaus gewahrt, heißt es aus dem Büro Gewessler.

Der Druck auf die Abgeordneten der Volkspartei wird in den kommenden Tagen zunehmen. Der Umweltverein "Virus" befürchtet bereits, dass die UVP-Novelle bei erstbester Gelegenheit "zeitraubend vor dem Verfassungsgerichtshof landen wird."