Unverhoffte Erfolge sind besondere. Dass offenbarte sich auch bei der ÖVP Kärnten, als nach der ersten Trendrechnung Landesgeschäftsführerin Julia Löschnig die Freudentränen kamen. Erwartet worden war ein Minus, erhofft wurden nur kleine Verluste, befürchtet wurde ein Absturz unter 10 Prozent. Stattdessen wurden es rund 17 Prozent und, entgegen des Bundestrends, ein kleines Plus von fast zwei Prozentpunkten.

In den ersten Stellungnahmen der Spitzenkandidaten wollten sich zwar weder Landeshauptmann Peter Kaiser noch ÖVP-Landesrat Martin Gruber darauf festlegen, ob sie die Koalition fortsetzen, aber es deutet doch viel darauf hin. Trotz der großen Verluste ist die SPÖ klar auf Platz eins, fast 50 Prozent der Kärntnerinnen und Kärntner wollen laut Befragungen auch eine Fortsetzung von Kaisers Amtszeit. Da die Grünen und die Neos den Einzug in den Landtag verpassten, geht sich eine Mehrheit abseits der Roten aus. Doch eine Koalition zwischen ÖVP, FPÖ und dem Team Kärnten von Gerhard Köfer, wie es die SPÖ als Horrorszenario an die Wand gemalt hatte, ist unwahrscheinlich.

Warum die Koalition fortgesetzt wird

Ein Grund dafür ist die Situation im Bund: In Umfragen liegt die FPÖ seit Monaten auf Platz eins, was Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seiner Angelobung dazu veranlasste, zu bekunden, dass er nicht automatisch dem Erstplatzierten einen Regierungsauftrag erteilen werde. Die Freiheitlichen reagierten erbost, warfen dem Staatsoberhaupt vor, "antidemokratisch" zu agieren. Sich nun in Kärnten als Zweitplatzierte zum Landeshauptmann wählen zu lassen oder gar den drittplatzierten Gruber in dieses Amt zu hieven, nur um regieren zu können, würde das Narrativ der blauen Bundespartei, wonach der Erste auch regieren müsse, unterlaufen.

Auch deshalb ist eine Fortsetzung der rot-schwarzen Koalition in Kärnten wahrscheinlich, aber wohl unter etwas geänderten Rahmenbedingungen und mit mehr schwarzen Inhalten als bisher. Die Zukunft des Flughafens Klagenfurt könnte da vielleicht noch einmal auf den Tisch kommen. Gruber hatte eine Re-Verstaatlichung gefordert, wurde aber von Kaiser zurückgepfiffen. Bis zur Wahl gab es keine Einigung in dieser Frage.

Die Auswirkungen von Landtagswahlen auf den Bund sollte man nicht zu hoch hängen. Die unmittelbare ist: Die türkis-grüne Regierung in Wien wird im Bundesrat die in Niederösterreich verloren gegangene Mehrheit zurückbekommen. Einen großen Unterschied macht das zwar nicht, aber gewisse Beschlüsse sind einfacher, wenn auch in der Länderkammer eine Mehrheit besteht. Das Ergebnis aus Kärnten, noch dazu die positive Überraschung, dient aber der zuletzt arg gebeutelten Volkspartei jedenfalls als Stimmungsaufheller. Zuletzt hatten auch auf Bundesebene Umfragen darauf hingedeutet, dass es für die Kanzlerpartei womöglich wieder leicht bergauf gehen könnte.

Das sollte man nicht unterschätzen. Politik ist grundsätzlich ein zehrendes Geschäft, die Koalition mit den Grünen aktuell mühsam und die fundamentalen Krisen der Gegenwart sorgen auch für Druck. Da hilft es nicht, wenn dann auch noch Wahlergebnisse deprimieren, wie das in Tirol und dann vor allem in Niederösterreich der Fall war. Ein Minus in Kärnten hätte Nehammer zwar innerparteilich keine Probleme bereitet - da war Niederösterreich der härtere Stresstest - aber nach diesem Abschneiden in Kärnten wird sich am kommenden Mittwoch der Ministerrat für die türkisen Regierungsmitglieder wohl etwas anders anfühlen.

Es wird darauf zu achten sein, ob sich dies auch in der Zusammenarbeit mit den Grünen niederschlagen wird. Bei der geplanten Mietpreisbremse offenbarten sich zuletzt erhebliche Differenzen, wobei beide Regierungsparteien auf ihren Positionen beharrten. Die von der ÖVP geforderte Befreiung von der Grunderwerbsteuer hatten die Grünen bisher kategorisch abgelehnt. Neuer Status nach der Kärnten-Wahl: Schauen wir mal.

Für die Grünen war Kärnten immer schon schwierig, der erneut verpasste Einzug in den Landtag ist für den Juniorpartner auf Bundesebene aber doch bitter. Es ist dennoch kein Grund für übertriebene Nervosität. Die Umfragen weisen die Grünen im Bund seit Monaten sehr stabil aus, etwas schwächer zwar als bei der Wahl 2019, aber ohne Gefahr wie im Jahr 2017 aus dem Parlament zu fliegen. Und solange die Grünen das Gefühl haben, ihre Vorhaben dem Kräfteverhältnis entsprechend durchbringen zu können, wird es für sie keinen Anlass geben, die Koalition infrage zu stellen.

Warum die SPÖ gar nicht so schlecht abschnitt

Dass die SPÖ unter den 40 Prozent zu liegen kommt, war für die Partei ein sichtbarer Schock. Kaiser nahm diese Niederlage mit immerhin minus neun Prozentpunkten auf seine Kappe, wollte erst gar keine Signale in Richtung Bundespartei schicken, die bekanntlich seit Wochen wieder hart im Clinch mit sich selber ist. Die am Ende 39 Prozent stellen aber für die SPÖ noch immer das zweitbeste Abschneiden bei einer Landtagswahl in Kärnten seit 1989 dar, knapp besser auch als bei Kaisers erster Wahl 2013, als die FPÖ zerbröselt war. Auch angesichts der Tatsache, dass Kaiser als Landeshauptmann gute Werte aufweist, lässt sich das Ergebnis am Sonntag durchaus als eine Art Normalisierung interpretieren.

Wie in Tirol mit der Liste Fritz gab es durch das Team Kärnten von Gerhard Köfer eine regionale Kraft, welche die Landeshauptmann-Partei Stimmen kostete. Köfer war über Jahrzehnte hochrangiges Mitglieder SPÖ, der Tiroler Listengründer Fritz Dinkhauser bei der ÖVP. Auf Bundesebene sind Listen von Partei-Dissidenten eher nicht zu erwarten, sie werden ein regionales Phänomen bleiben. Das ist für SPÖ und ÖVP die gute Nachricht.