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Alter Plan mit bekannten Hindernissen

Von Simon Rosner

Politik

Für neue Migranten den Zugang zu Sozialleistungen zu beschränken, ist nur selten möglich.


Karl Nehammer hat bei seiner Rede am Freitag auch den Parteiwurlitzer bedient und ein paar alte Schlager aufgelegt. Unter anderem auch den von der Beschränkung von Sozialleistungen für rezent zugewanderte Menschen. "Mein Ziel ist es", sagte der Bundeskanzler, "dass wir die Sozialleistungen in Österreich so regeln, dass nur der zum vollen Sozialleistungsbezug berechtigt ist, der mindestens fünf Jahre durchgängig in Österreich lebt. Und wenn nicht, nur die Hälfte."

Es ist zu vermuten, dass Nehammer nicht Sozialleistungen im Allgemeinen meinte, das würde auch den kostenlosen Schulbesuch und etwa das Kindergeld inkludieren. Eine Nachfrage dazu bei der ÖVP zwecks Klarstellung blieb unbeantwortet. Nehammer konkretisierte bei einem Hintergrundgespräch am Montag dies nicht weiter.

Bisher zielte die Volkspartei bei ihrer Forderung nach sozialstaatlicher Differenzierung auf die Mindestsicherung (Sozialhilfe) ab. Bereits 2016, noch unter Obmann Reinhold Mitterlehner, hatte die ÖVP dies angestrebt, Sebastian Kurz sich den Plan ins Wahlprogramm geschrieben und Oberösterreich sowie Niederösterreich hatten eigene landesgesetzliche Regelungen erlassen. Beide wurden aber höchstgerichtlich gekippt, einmal kassierte der Europäische Gerichtshof das Gesetz, im Fall von der etwas anders gelagerten Rechtsnorm in Niederösterreich der Verfassungsgerichtshof. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) ließ sich am Wochenende in einer Aussendung mit dem Hinweis auf Dänemark zitieren, "wo die Höhe der Mindestsicherung an die Aufenthaltsdauer geknüpft" sei, wie es hieß.

Die neue alte Forderung der ÖVP hat mit zwei Tagen Anlauf auch den grünen Koalitionspartner auf den Plan gerufen, der in Person von Sozialminister Johannes Rauch sein Missfallen ausdrückte. Eine sachliche Betrachtung zeigt, dass der Spielraum jedenfalls sehr gering ist.

Vor allem: Es gibt diese Wartefrist bereits. Im Grundsatzgesetz für die Sozialhilfe heißt es wörtlich, dass sie "ausschließlich österreichischen Staatsbürgern und Asylberechtigten, im Übrigen nur dauerhaft niedergelassenen Fremden" zu gewähren ist, "die sich seit mindestens fünf Jahren dauerhaft tatsächlich und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten".

Der entsprechende Paragraf geht aber noch weiter. Und die Realität mit ihren zig Aufenthaltstiteln, die dann in weiterer Folge individuell sehr unterschiedliche Gestalt annehmen können, macht die ganze Causa noch einmal komplizierter. Das gesamte Fremdenrecht ist zum Labyrinth geworden. Ein simples Beispiel: Wie soll mit Neugeborenen mit ausländischer Staatsbürgerschaft umgehenumgegangen werden? Babys können naturgemäß keinen fünfjährigen Aufenthalt vorweisen.

Gesetz mit Vorbehalt

Der Gesetzgeber hat sich daher, wohl auch aus Vorsicht, zwei Vorbehalte hineingeschrieben, nämlich dass eine Gewährung auch aufgrund von "völkerrechtlichen und unionsrechtliche Vorschriften" geschehen kann. Gerade das EU-Recht ist ein Hindernis, den Zugang zu Sozialleistungen zu beschränken. Vom Grundsatzgesetz ausgeschlossen sind daher nur subsidiär Schutzberechtigte.

Der Sozialrechtler Walter Pfeil hält auch das für rechtlich "umstritten", wie er sagt, aber er verweist darauf, dass bisherige höchstgerichtliche Entscheidungen diesen Ausschluss bestätigt haben. Personen, die kein Asyl erhalten, sondern eben einen temporären (subsidiären) Schutzstatus, bleiben bis zur Arbeitsaufnahme in der deutlich niedrigeren Grundversorgung, die auch Asylwerber und Vertriebene aus der Ukraine bekommen. Bei Asylberechtigten, also anerkannten Konventionsflüchtlingen, ist die Rechtslage aber klar: Sie müssen mit österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt werden. "Da ist der Spielraum null", sagt Pfeil.

Grob gesprochen gibt es drei Gruppen von Zuwanderern: Abseits von Geflüchteten sind es einerseits Unionsbürger, die sich über die Personenfreizügigkeit in Österreich niederlassen. Andererseits Personen von außerhalb der EU, die über einen der diversen Aufenthaltstitel für Drittstaatsangehörige verfügen. Rund 1,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner haben aktuell eine fremde Staatsbürgerschaft, die Hälfte davon entfällt auf EU-Bürger. Sie sind Österreichern in fast allen Bereichen gleichgestellt, das EU-Recht erlaubt aber Einschränkungen beim Bezug der Sozialhilfe. Dies soll verhindern, dass sich jemand in einem anderen Staat niederlässt, der sich nicht selbst erhalten kann.

EU-Bürger gleichgestellt

Anders ist es jedoch, wenn eine deutsche Tischlerin oder ein ungarischer Koch in Österreich eine Stelle annehmen, diese aber nach zwei Jahren verlieren. Diese EU-Bürger sind dann zwar kürzer als fünf Jahre im Land, durch ihre Arbeit haben sie aber die Erwerbstätigeneigenschaft erworben. Sie erhalten dann Arbeitslosengeld und, bei Bedarf, auch eine Aufstockung über die Sozialhilfe. Sie müssen dafür dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und innerhalb von sechs Monaten wieder ein Erwerbseinkommen vorweisen.

Bei Personen aus Drittstaaten, die keine Flüchtlinge sind, handelt es sich um eine sehr heterogene Gruppe. Das Innenministerium zählte im Jahr 2021 etwa eine halbe Million Personen, darunter Familienangehörige, Schlüsselarbeitskräfte (Rot-Weiß-Rot-Karte) und Kinder von Drittstaatsangehörigen. Der Großteil, mehr als 300.000, verfügen über den "Daueraufenthalt EU", der erst nach fünf Jahren legalem Aufenthalt beantragt werden kann.

Wer als Drittstaatsangehöriger (noch) über keinen Daueraufenthalt verfügt, ist tatsächlich schlechter abgesichert. Denn dann greift die Fünf-Jahres-Frist, die im Gesetz verankert wurde. Daran knüpft auch die Kritik von Minister Rauch an. "Den Bezug von Sozialleistungen für Zuwanderer und Zuwanderinnen in den ersten fünf Jahren zu beschränken, wird nicht dazu führen, 10.000 Pflegekräfte aus dem Ausland für Österreich zu gewinnen, wie es Bundeskanzler Karl Nehammer in seiner Rede als Ziel formuliert hat", sagte Rauch dem "Standard".