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Schwerer Gang

Von Simon Rosner

Politik

In der Not wird die SPÖ basisdemokratisch und befragt ihre Mitglieder über den Vorsitz. Das ist eine Zäsur.


Peter Kaiser ist der mit Abstand am längsten dienende SPÖ-Landesparteichef. Seit Jahren ist er das Gewissen der Partei. Kaum ein Funktionär, der am bitteren Wahlabend nicht auch betonte, wie leid es ihm oder ihr für Kaiser ganz persönlich tue. Nach seiner reflektierten, aber auch sehr besonnenen Reaktion auf dieses Debakel wurde er parteiintern gar zum "Sir" geadelt.

Als Kaiser knapp vor 13 Uhr beim Parlament eintraf und sich kurz den Journalisten stellte, hatte er sichtbar Mühe seine "Sir"-haftigkeit aufrechtzuerhalten. Aus seinem Gesicht und aus der Tonalität jeder einzelnen Antwort war abzulesen, wie sehr ihm diese Fahrt nach Wien und ihr Grund auf die Nerven gehen. "Ich hoffe auf irgendetwas Vernünftiges, wenn überhaupt noch etwas Vernünftiges herauskommen kann", sagte er. Dann begab er sich ins Parteipräsidium. Sechs Stunden später stand ein Ergebnis fest, mit dem die Partei – vorerst – ganz gut leben kann. Man sah Erlösung. Auch bei Kaiser selbst.

Das Präsidium, ein nur mehr kleines Gremium, hatte bis kurz nach 16 Uhr getagt. Als die Türen aufgingen, strömten die zehn Mitglieder plus eins – nämlich Doskozil – aus dem Besprechungszimmer und machten sich eiligst auf den Weg in den größten Klubraum zur nächsten Sitzung. Ganz vorne gingen die beiden Kontrahenten Rendi-Wagner und Doskozil, Seite an Seite, beide sogar lächelnd. Niemand sagte etwas, jedenfalls nichts inhaltlich bedeutendes, beim Durchrauschen der hohen Parteifunktionäre konnte man nur das Wort "Vorstand" vernehmen, denn das war die nächste Station.

Erst Befragung, dann Parteitag

Das Präsidium bereitet bei der SPÖ die Entscheidungen vor, der Vorstand mit seinen mehr als 50 Mitgliedern fällt die Beschlüsse. Das war bereits kurz nach halb sieben Uhr der Fall. Parteiintern war noch am frühen Nachmittag mit seinem sehr langen Abend gerechnet worden. Die Funktionäre blieben auch danach schmallippig, Rendi-Wagner bestätigte in einer Pressekonferenz, was schon unter Tags durchgesickert war und sich auch im Vorstand nicht mehr drehte.

Um den für die Partei verheerenden Streit um Personal und Kurs zu beenden, fällten die Gremien eine für die Sozialdemokraten ungewöhnliche Entscheidung – und zwar einstimmig. Die SPÖ wird erstmals ihre Mitglieder befragen, wer die Partei führen soll, wobei ein Parteitag dann das finale Wort haben wird. Statuarisch geht auch nicht anderes.

Statuarische Schwierigkeiten

Der Mitgliederentscheid, den Doskozil wollte, ist nicht für den Parteivorsitz vorgesehen. Das ist zwar inhaltlich nicht ganz logisch, da für den Parteitag stimmberechtigte Funktionäre von den Mitgliedern delegiert werden und daher eine Abstimmung aller Mitglieder eigentlich ein stärkeres Votum darstellt. Aber die Statuten sind, wie sie sind. Die gegenwärtige Situation konnte oder wollte sich die Partei bei der Statutenerstellung ganz offensichtlich nicht vorstellen.

Das genaue Procedere und die Fristen werden erst kommende Woche festgelegt. Beauftragt wurde damit das Präsidium, wobei Doskozil, der sich eigentlich aus diesem zurückgezogen hat, auch dabei sein wird. Das Vertrauen der burgenländischen Partei in die Bundespartei dürfte enden wollend sein.

Kein Wahlkampf - oder doch einer?

Doskozil stellte am Mittwoch in Abrede, dass es einen echten Wahlkampf geben werde, es hieß jedoch, dass er auch ein Team präsentieren werde, was Rendi-Wagner auch bestätigte. Sie sagte aber auch, dass er dieses Team nicht im Vorstand schon bekannt gegeben habe. Und sie erklärte auch, dass es im Zuge des Prozesses sehr wohl "Veranstaltungen und inhaltliche Präsentationen" geben werde. Bewerbungen von dritten Kandidatinnen und Kandidaten schlossen weder sie noch Doskozil aus.

Es muss auch das kleine Problem gelöst werden, dass sich die Delegierten am Parteitag dann auch an das Ergebnis der Mitgliederbefragung halten. Rendi-Wagner betonte bei der Pressekonferenz, dass das "Ergebnis dann von allen zu akzeptieren" sein werde. Doch das kann man sich zwar als Partei vornehmen und den Delegierten auf ihren Weg ins Wahllokal mitgeben, aber es handelt sich um eine geheime Abstimmung. Ein klares Resultat bei der Befragung wird wohl kein Problem sein, doch was, wenn beim Mitgliedervotum nur wenige Stimmen entscheiden? Das könnte die SPÖ, die sich mit der Entscheidung am Mittwoch sicher etwas Ruhe verschaffte, in wenigen Wochen vor das nächste Dilemma stellen.

Hohes Durchschnittsalter der Mitglieder

Dieser Schritt stellt für die Partei zweifellos eine Zäsur dar. Die Basisdemokratie war der SPÖ bisher fremd. Diese Art der Beschlussfindung birgt Unsicherheiten und es bedeutet für die gewählten Vertreter einen Kontrollverlust. Der zuletzt angesichts schwacher Umfragen eskalierende Konflikt war aber nicht mehr anders lösbar. Doch was dann? Wenn die Premiere nicht völlig in die Hose geht, wird es künftig nicht mehr so einfach sein, Begehrlichkeiten nach einem Mitgliedervotum zu ignorieren. Dieser Befreiungsschlag könnte damit zum Präjudiz werden.

Die Parteijugend will das ohnehin seit Jahren. Der Trend geht national wie international auch verstärkt in Richtung Basisdemokratie. Es wird auch allgemein als probates Modell gesehen, die Jugend wieder mehr für Politik (und Parteien) zu begeistern. In der SPÖ ist die Jugend allerdings bisher nicht sehr stark vertreten. Das Durchschnittsalter der Mitglieder beträgt laut Angaben der Partei vom Mittwoch 63 Jahre.

In der Not wird die SPÖ basisdemokratisch und befragt ihre Mitglieder über den Vorsitz. Das ist für die Partei eine Zäsur.