Bei dem Stück, das die SPÖ-Gremien am Mittwoch zur Aufführung brachten, kann man wieder Bertolt Brecht zitieren: "Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen/Den Vorhang zu und alle Fragen offen." Denn tatsächlich wurden sehr relevante Fragen nicht gelöst und auch nicht einmal angesprochen. Weder wurde über Fristen diskutiert noch über die genaue Textierung der Umfrage und ob auch Inhalte abgefragt werden sollen und wenn ja in welcher Form. Ob der Sieger oder die Siegerin dann alleine am Parteitag zur Wahl stehen wird, ist zwar wahrscheinlich, festgeschnürt wurde aber auch das nicht.
In die Sitzungen hineingegangen waren die beiden Lager um einerseits die Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner und andererseits Hans Peter Doskozil mit zwei unterschiedlichen Ideen zur Klärung der Führungsfrage: Sonderparteitag oder Mitgliedervotum? Herauskam, aber auch statutenbedingt, der Kompromiss, zuerst die Mitglieder zu befragen und danach einen Parteitag abzuhalten. Bemerkenswert ist, dass sowohl die Bundespartei als auch die Delegation aus dem Burgenland ihre jeweiligen Ideen offenbar gar nicht konkret ausgearbeitet hatten, wie Anwesende berichten.
Aktuell wird versucht, ein Termin für das in der kommenden Woche geplante Präsidium zur genauen Festlegung des Ablaufs zu finden. Allein das dürfte sich aufgrund der Kurzfristigkeit nicht einfach gestalten. Das Team um Doskozil wird sich den Fragen zu Fristen, Inhalten und Ablauf am Freitag besprechen.
Gewerkschaftliche Bedenken
Der Herausforderer hat am Donnerstag angekündigt, ein möglichst breites Team aufstellen und so der "Polarisierung meiner Person" entgegenwirken zu wollen. Bis das Team steht, werde es aber ein bisschen dauern: "Da wird man sich noch etwas gedulden müssen", sagte Doskozil am Rande einer Pressekonferenz.
Hört man sich bei roten Funktionären um, zeichnet sich insofern ein Dilemma ab, weil das Vertrauen in eine Kehrtwende unter der aktuellen Parteiführung, die inhaltlich auch wenig konturiert agiert, gering ausgeprägt ist. Andererseits ist gegenüber Doskozil der Vorbehalt auch sehr groß, und zwar grundsätzlich aufgrund seines Wirkens innerhalb der Partei, und auch wegen der Sprunghaftigkeit. Dazu kommen noch die spezifischen Bedenken der in der SPÖ gewichtigen Gewerkschaft.
Unter anderem waren am Mittwoch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian und FSG-Chef Rainer Wimmer in den Gremien vertreten und steckten auch ihre roten Linien ab, die Doskozil, der einen gesetzlichen Mindestlohn propagiert und schon einmal die Gesundheitskasse abschaffen wollte, mehrfach überschritten hat.
Es wird auch eine genaue Inventur der Mitglieder notwendig sein. Der "Wiener Zeitung" nannte die Bundespartei am Mittwoch die Zahl 140.000, wobei das Durchschnittsalter bei 63 Jahren liegt. Bei der bisher letzten Mitgliederumfrage 2020 waren es noch rund 158.000 Personen.
Die SPÖ Wien verfügt über die meisten Mitglieder, doch die Stadtpartei hält die Zahlen, laut APA mit Verweis auf den Datenschutz, geheim. Niederösterreich, wo die Landespartei im Gegensatz zu Wien in Richtung Doskozil tendiert, verfügt derzeit laut APA über 30.000 Mitglieder, in Oberösterreich sind es 23.500. Das kleine Burgenland hat davon immerhin die Hälfte. (sir/apa)