Zum Hauptinhalt springen

145 Betroffene von sexueller Belästigung in Ministerien

Von Patrick Krammer

Politik

Neos erfragten Übergriffe im Staatsdienst der vergangenen fünf Jahre. 14 Personen wurden entlassen oder beendeten ihre Tätigkeit.


Ein möglicher sexueller Übergriff beim Bundesheer sorgte im November 2022 für Schlagzeilen. Der Militärkommandant von Niederösterreich soll sich an einer Vertragsbediensteten vergangen haben. Er bestreitet das. Ein Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft St. Pölten liegt derzeit beim Justizministerium, um zu klären, wie es weitergehen soll. Bis dieses Verfahren rechtskräftig erledigt ist, ruht auch ein Disziplinarverfahren, dass danach weitergeführt wird, heißt es aus dem Heer.

Auch dem Leiter des Bundesamtes für Korruptionsprävention und -bekämpfung (BAK) wurde Anfang 2020 sexuelle Belästigung vorgeworfen. Er soll im Büro einen Bademantel getragen haben, nach Beschwerden wurde er in eine Sektion des Innenministeriums versetzt. Er selbst sprach damals von einer Intrige.

Es sind nur zwei Fälle von vielen, wie nun eine parlamentarische Anfragenserie der Neos-Abgeordneten Henrike Brandstötter zeigt. Sie wollte von allen Ministerien wissen, wie viele Meldungen zu sexueller Belästigung es in den letzten fünf Jahren gab, was aus ihnen wurde und zu welchen Regeländerungen sie führten.

Mehr Personal führtzu mehr Meldungen

Aus den Beantwortungen ergibt sich, dass in den vergangenen fünf Jahren 89 Meldungen zu sexueller Belästigung bei den Ministerien eingegangen sind. Betroffen sind insgesamt 145 Personen. Die Zahl der mutmaßlichen Täter liegt bei 101 Personen, was den Rückschluss auf mögliche Wiederholungstäter nahelegt. Vor allem im Innenministerium gehen die Zahlen von 80 Betroffenen und 41 Beschuldigten weit auseinander. Dort gibt es auch die meisten Meldungen (25), gefolgt vom Verteidigungs- und Justizministerium (24 und 15 Meldungen).

Für Brandstötter lässt sich aus den Beantwortungen ein Problem von Ministerien mit sexueller Belästigung ablesen: "Unsere Zahlen jetzt haben ergeben, dass Polizei, Bundesheer und Justiz im Vergleich eindeutig die größten Probleme haben - was auch auf ein strukturelles Missverständnis von Macht hinweist, und zwar sowohl von der Exekutive gegenüber anderen als auch von Männern gegenüber Frauen in der Exekutive", so die Abgeordnete.

Dass die Zahlen just bei Polizei und Heer höher sind, sei nicht sonderlich überraschend, meint wiederum ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Immerhin seien das mitunter die mitarbeiterstärksten Ministerien der Republik. Im Bundesheer gebe es rund 22.500 Soldaten, bei einer so hohen Anzahl an Personen komme es auch zu mehr Zwischenfällen. Auch das Innenministerium verweist auf seine rund 38.000 Bedienstete. Nur das Bildungsministerium ist mit rund 46.600 Mitarbeitern noch größer. Dort haben sieben Frauen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gemeldet. Die Universitäten sind nicht miterfasst.

Sexuelle Belästigung ist ein selten geahndetes Delikt

Über Machtverhältnisse lässt sich durch die Anfragenserie wenig sagen. Es gab in den Ministerien aber kaum Versetzungen oder Änderungen bei der Diensteinteilung. Nur im Innenministerium gab es im Vergleich viele, nämlich 25 Versetzungen und Zuteilungsänderungen. Im Verteidigungsministerium gab es zwar 24 Meldungen, 20 Strafverfahren, die zu sieben Schuldsprüchen und vier Diversionen führten. Eine Versetzung der Täter oder Opfer gab es allerdings nicht. In nur einem Fall kam es laut Verteidigungsministerium zu einer Entlassung, bundesweit insgesamt zu 14 Auflösungen von Arbeitsverhältnissen.

Ob das jetzt viele oder wenig Fälle sind, ist schwer zu sagen. Die Zahl wirkt auf den ersten Blick gering, 2021 gab es in ganz Österreich 1.626 Anzeigen und nur 167 Verurteilungen wegen sexueller Belästigung. Die Fälle in Ministerien führten zu 28 strafrechtlichen Ermittlungen, deren Tatbestände deutlich enger abgesteckt sind, als Belästigungen am Arbeitsplatz. Der Verein "Frauenberatung bei sexueller Gewalt" rechnet mit einer hohen Dunkelziffer. Betroffene hätten oft Angst vor Repressalien, auch sozialer Art, wenn sie sexuelle Belästigung melden. Eine Gesprächspartnerin des Vereins sagte der "Wiener Zeitung", dass es deshalb sehr darauf ankomme, wie die Führungsebene auf solche Fälle reagiert.