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Vom Gecko lernen

Von Vilja Schiretz

Politik

Die Gecko-Kommission ist bald Geschichte. Lehren für künftige Krisen wurden kaum gezogen.


Der Leopardgecko hat eine Lebenserwartung von 15 bis 25 Jahren. Die gesamtstaatliche Covid-Krisenkoordination, die sich ihre Kurzbezeichnung von dem kleinen Reptil geliehen hatte, gibt es seit nicht einmal eineinhalb Jahren. Mit Ende März wird sie aufgelöst. Denn obwohl das Mandat des im Bundeskanzleramt angesiedelten Beratungsgremiums noch bis Juni gelaufen wäre, empfahl die Kommission bei ihrer Sitzung am Montag ihr eigenes Ende. Zuvor hatten Gerüchte über mögliche Rücktritte der im Gremium vertretenen Expertinnen und Experten die Runde gemacht. Die Krisenkoordination soll nun in den Regelbetrieb der Ressorts überführt werden.

Ins Leben gerufen wurde Gecko in einer besonders chaotischen Phase des österreichischen Pandemiemanagements. Die Impfpflicht war gerade angekündigt worden, gleichzeitig fand die hochansteckende Omikron-Variante ihren Weg nach Europa. Die Politik musste also rasch Entscheidungen treffen, schneller sein als Omikron, wie der damalige Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein betonte. Die entsprechenden Fakten sollten dabei eine Vielzahl von Gremien liefern: das Nationale Impfgremium, die Corona-Ampelkommission, das Prognose-Konsortium, der Oberste Sanitätsrat im Gesundheitsministerium. Für Krisen- und Katastrophenschutz sowie die Einsatzorganisationen war und ist wiederum das Innenministerium zuständig und auch die Bundesländer haben eigene Krisenstäbe und Beratungsgremien.

Gesamtstaatliche Perspektive

Die neu gegründete Gecko sollte etwas Ordnung in den Dschungel der Beratungsgremien und Kommissionen bringen und eine gesamtstaatliche Perspektive auf eine gesamtstaatliche Krise ermöglichen.

Die neue Kommission sollte die Regierung zu den Themen Impfen, Testen und Covid-Medikamenten informieren und beraten, aber sie auch durch ihre Vorschläge auch bei der operativen Umsetzung unterstützen. "Wir verzahnen die bestehenden Strukturen, um sie noch resilienter zu machen", sagte damals Mückstein.

Grundsätzlich eine sinnvolle Idee, meint Wolfgang Gratz, Jurist, Sozialwissenschaftler und einer der Proponenten der "Initiative bessere Verwaltung". Die Entflechtung von Tagespolitik und Krisenstäben sei positiv gewesen, ebenso die lose Anbindung von Experten an das Krisenmanagement. Gecko habe die Möglichkeit gehabt, sich ohne Zeitdruck auch mit längerfristigen Perspektiven zu beschäftigen, Untergruppen befassten sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Gratz lobt außerdem die Transparenz des Gremiums, immerhin konnten Beratungsergebnisse von Gecko in Protokollen im Internet nachgelesen werden.

Doch bereits im Frühjahr 2022 sorgte das Handeln der Politik für Unmut in der Kommission. Es ging damals um weitreichende Öffnungsschritte, ein Zurückfahren der Maskenpflicht in den Schulen und neue Testregeln. Gecko-Mitglieder kritisierten, dass die Kommission zu manchen Fragen erst gar nicht befragt wurde, in anderen Fällen gegen ihre Empfehlung gehandelt worden war. Bei unpopulären Entscheidungen würde sich die Politik dagegen hinter dem Gremium verstecken, wurde von Experten kritisiert, die um die eigene Reputation fürchteten.

Ähnliche Gefühle dürften knapp ein Jahr später im Februar 2023 dann Äußerungen von Bundeskanzler Karl Nehammer ausgelöst haben, wonach man in der Pandemiebekämpfung zu "expertenhörig" gewesen sei.

Inwieweit diese Äußerung sowie das Versprechen der schwarz-blauen Koalition in Niederösterreich, die Corona-Impfung nicht mehr zu "bewerben", die Entscheidung der Experten, Gecko zu verlassen, hineingespielt hat, ist offen. Kommissionsmitglied Andreas Bergthaler nennt jedenfalls auf Twitter "politische Entwicklungen" als Teil seiner Beweggründe, näher ins Detail geht am Dienstag keiner der Gecko-Experten.

"Unrühmliches Ende"

Für Gratz ist es ein "unrühmliches und "unbefriedigendes" Ende. Zwar könne er die Entscheidung der Experten nachvollziehen, aber "in einer besseren Welt würde der Bundeskanzler jetzt Gecko den Auftrag geben, ihre Tätigkeit auszuwerten. Was sind eure ,Lessons Learned‘ über Krisenmanagement und die Verkoppelung von politischen Entscheidungsträgern und einer solchen Expertenorganisation?" Auch wenn keine systematische Auswertung des Krisenmanagements stattgefunden habe, habe zumindest ein gewisses implizites Lernen stattgefunden - und zur Einsetzung von Gecko geführt. Nun müsse man diese Lernerfolge explizieren, auswerten, daraus für zukünftige Krisen lernen.

"Es ist selbstverständlich, dass man bei einem Hochwasser, wenn der Schlamm weggeschaufelt ist, eine genaue Auswertung macht. Wie war unser Zusammenspiel, unsere Kommunikation, unsere Kooperation? Was machen wir das nächste Mal besser?", sagt Gratz. "Aber die Diskussion um Corona wird jetzt unter dem Prätext geführt, welche Entscheidungen waren gut, welche waren weniger gut? Man müsste sich aber auch fragen: Wie war die Qualität des Krisenmanagements und was lässt sich daraus lernen?"