Zum Hauptinhalt springen

Umfrage mit Sinnfrage

Von Georg Hönigsberger

Politik

Die SPÖ prolongiert mit der "untauglichen" Mitgliederbefragung die parteiinternen Diskussionen. Laut Umfrage wäre sie mit Doskozil bei Nationalratswahl auf Platz 1.


Gerade erst vom SPÖ Parteipräsidium einstimmig beschlossen, wird die Sinnhaftigkeit der Mitgliederbefragung über den Parteivorsitz gleich wieder in Zweifel gezogen. Präsidiumsmitglied Selma Yildirim meinte nach der mehr als dreistündigen Sitzung am Mittwoch gegenüber Journalisten: "Die Statuten sehen eine Befragung eigentlich nicht vor, weil es kein taugliches Instrument ist."

Wie kam es dazu, dass das Präsidium der SPÖ ein aus eigener Sicht untaugliches Mittel wählt, um über die künftige Parteichefin oder den künftigen Parteichef abstimmen zu lassen? Das Tor zu Mitgliederbefragungen hatte SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner selbst aufgestoßen. Anfang 2020 stellte sie den Parteimitgliedern die Vertrauensfrage. Bei einer Wahlbeteiligung von 42,65 Prozent der damals 157.800 Mitglieder sprachen sich 71,4 Prozent für ihren Verbleib an der Parteispitze aus. "Eine Befragung, die in der Sozialdemokratie niemand wollte", resümierte damals Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ).

Querschüsse

Das Ziel, interne Kritiker, insbesondere den burgenländischen SPÖ-Vorsitzenden Doskozil, mit dem Votum zu besänftigen, ist nur mäßig gelungen. Immer wieder kamen aus Eisenstadt Querschüsse gegen Rendi-Wagner. Fast drei Jahre später hat sich diesbezüglich wenig geändert. Mit der überraschenden Einberufung eines Bundesparteipräsidiums und des Bundesparteivorstandes am 15. März dieses Jahres ging Rendi-Wagner mit einem vorgezogenen Parteitag samt Wahl der oder des Parteivorsitzenden in die Offensive. Flugs erklärte Doskozil in einem offenen Brief, gegen sie antreten zu wollen. Allerdings forderte er einen Mitgliederentscheid, der später zur Mitgliederbefragung wurde. Möglicherweise wieder eine "Befragung, die niemand wollte".

Doskozil setzte die Bundespartei mit diesem Vorstoß unter Zugzwang. "Man konnte natürlich nicht in Richtung der Öffentlichkeit dokumentieren, dass man die Mitglieder nicht einbindet", analysierte der Politikberater Thomas Hofer am Mittwoch in der "Zeit im Bild 2". Also stimmte das Präsidium zu. Die rund 140.000 Parteimitglieder sollen befragt werden.

Wie die SPÖ das abwickeln will, weiß die Öffentlichkeit seit 17.15 Uhr, Mittwoch dieser Woche. Da traten Rendi-Wagner und die Nationalratsabgeordnete Yildirim nach dem neuerlichen Parteipräsidium vor die Journalisten. Kurz zusammengefasst: Die Mitgliederbefragung wird von 24. April bis 10. Mai stattfinden. Die Stimmabgabe wird sowohl elektronisch als auch postalisch möglich sein. Wahlberechtigt sind alle, die bis Freitag, 24. März, 23.59 Uhr, als SPÖ-Mitglieder erfasst sind. Das Gleiche gilt für mögliche Kandidaten, die für den Parteivorsitz kandidieren wollen.

Bisher bekannt ist die Kandidatur von fünf Personen. Neben Rendi-Wagner und Doskozil sind das der Wiener Bezirksfunktionär und parteiinterne Kritiker Nikolaus Kowall sowie die bundespolitisch unbeschriebenen Blätter Gerhard Weißensteiner aus dem Waldviertel und Berthold Felber (Burgenland). Laut Medienberichten soll die Liste aber bereits ein Dutzend Namen umfassen.

Mehr Mitglieder

Einen messbaren Effekt hat die angekündigte Befragung. Die Zahl der SPÖ-Mitglieder ist im Steigen begriffen. In den vergangenen Tagen seien jedenfalls "einige Hundert" Anträge eingelangt, hieß es am Donnerstag aus der Partei. Konkrete Zahlen wurden aber noch nicht genannt. Einer der Neuen ist der Schriftsteller Robert Menasse: "Ich kann dem Siechtum einer Partei, der wir historisch so viel zu verdanken haben, nicht länger zuschauen. Ich war jahrelang SPÖ-Mitglied, ich bin irgendwann aus Frust ausgetreten. Die Kandidatur von Niki Kowall veranlasst mich, wieder in die Partei einzutreten."

"Heute sind nach der Präsidiumssitzung mehr Fragen offen, als eigentlich beantwortet werden konnten", meint Politikberater Hofer. So sei etwa unklar, was geschehe, wenn keiner der Kandidaten (es können noch mehr als fünf werden) mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalte. Eine Stichwahl ist laut Rendi-Wagner nämlich nicht vorgesehen.

Unklar war vorerst auch, wie verbindlich das Ergebnis der Mitgliederbefragung ist. Denn laut Parteistatut wird der oder die Bundesparteivorsitzende am Parteitag von den Delegierten gewählt. Das wird auch beim jüngst beschlossenen Parteitag am 3. Juni dieses Jahres so sein. Der Bundesparteivorstand, der für kommenden Montag einberufen wurde, soll darüber entscheiden, ob etwa "die vier oder fünf Bestgereihten" der Befragung dem Parteitag zur Wahl vorgeschlagen werden. Noch dazu kann sich jedes Parteimitglied am Parteitag um den SPÖ-Vorsitz bewerben, auch ohne bei der Mitgliederbefragung zur Wahl gestanden zu sein. Und die Delegierten müssen sich bei ihrer Stimmabgabe nicht am Abstimmungsergebnis der Mitgliederbefragung orientieren.

Es ist einfach nicht klar, wofür es diese Befragung braucht.

"Mir als Parteivorsitzende ist es wichtig, dass dieser Prozess so zügig wie möglich verläuft, um so schnell wie möglich Klarheit zu schaffen und als Sozialdemokratie so schnell wie möglich wieder zu 100 Prozent zu unseren inhaltlichen Themen und Lösungen zurückkehren zu können", erklärte SPÖ-Chefin Rendi-Wagner im Anschluss an das Präsidium. Teuerung, Pensionen und Energiewende müssten im Mittelpunkt stehen. "Es gilt, keine Zeit zu verlieren."

Oder, um es mit den Worten des Kärntner Landeshauptmannes Peter Kaiser (SPÖ) zu sagen: "Die nervigen und uns selbst fesselnden Führungsdiskussionen sind unverzüglich einzustellen." Das sagte er vor drei Jahren - am 6. Mai 2020 - nach Rendi-Wagners gewonnener Vertrauensabstimmung.

Mit Rendi-Wagner nur Dritte

In der SPÖ-Führungsdiskussion attestiert eine "Unique Research"-Umfrage für die Tageszeitung "Heute" der Partei unter Herausforderer Hans Peter Doskozil in der Sonntagsfrage bessere Chancen als mit der aktuellen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Würde jetzt der Nationalrat gewählt, käme die SPÖ mit Doskozil an der Spitze demnach auf Platz 1 und würde 31 Prozent Stimmanteil erreichen. Mit Rendi-Wagner würde ihr hingegen nur Platz 3 mit 24 Prozent drohen.

Bei der theoretischen Bundeskanzler-Direktwahl bietet sich ein ähnliches Bild: Rendi-Wagner kommt hier auf 21 Prozent Zustimmung und wieder nur auf Rand 3 hinter dem bestgereihten Karl Nehammer (ÖVP) und Herbert Kickl (FPÖ). Doskozil würde hingegen mit 28 Prozent diese beiden überflügeln.

Die Umfrage wurde von 20. bis 23. März durchgeführt, mit einem Sample von 800 befragten Personen (telefonisch/online). Andere der inzwischen zahlreich vor den Vorhang getretenen Kandidaten wurden nicht abgefragt, weil sich zum Zeitpunkt des Designs der Untersuchung noch keiner davon deklariert hatte, wie Peter Hajek von Unique Research auf Anfrage "Austria Presse Agentur" erklärte.