Das dominierende Thema der Nationalratsitzung am Donnerstag stand nicht einmal auf der Tagesordnung. Nach der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im österreichischen Parlament, die nicht offiziell Teil der Nationalratssitzung war, nutzten die Parlamentsfraktionen die Fragestunde mit Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) für Anerkennung und Kritik.
Die Abgeordnete Petra Steger (FPÖ), deren Partei der Rede ferngeblieben war, bezeichnete die Freiheitlichen als einzige Fraktion, die Österreichs Neutralität verteidige. Schallenberg entgegnete, die FPÖ sei die einzige Partei im Plenum, die nicht wisse, was Neutralität bedeute. Es handle sich um eine militärische und nicht um eine Gesinnungsneutralität. Ausdrücklich unterstützte Schallenberg den internationalen Haftbefehl gegen Russlands Präsident Wladimir Putin.
Scharfe Kritik an der Haltung der Freiheitlichen
Selbstverständlich sei des ukrainischen Präsidenten Rede mit der Neutralität vereinbar, betonte auch der außenpolitische Sprecher der ÖVP, Reinhold Lopatka ebenso wie Vertreter von SPÖ, Grünen und Neos. "Wenn hier im Hohen Haus jemand die Neutralität verrät, dann ist es die FPÖ", meinte etwa die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic. "Österreich ist solidarisch an der Seite der angegriffenen Ukraine."
"Wenn man in einem Jahr ausschließlich 30 pro-russische Anträge hier einbringt, ist das weder ein Signal für Frieden noch ein Signal für Neutralität", meinte SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried in Richtung FPÖ. Österreich habe von Beginn an schnell und entschlossen auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine reagiert. Er hoffte, dass die "Konfliktspirale" bald gestoppt werden könne. Allerdings fehlten zahlreiche SPÖ-Abgeordnete, auch Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner, die erkrankt war. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprach Selenskyj dagegen ihre Anerkennung aus. Russland führe nicht nur Krieg gegen die Ukraine, sondern gegen ganz Europa.
Im Anschluss an die Fragestunde beschlossen ÖVP, Grüne und Neos, den Arbeitsmarktzugang für ukrainische Vertriebene zu erleichtern. Besitzer eines Vertriebenenausweises dürfen künftig bewilligungsfrei jede Beschäftigung in Österreich aufnehmen. Außerdem wurde der Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte erleichtert, etwa müssen Stammsaisonniers künftig nur noch Deutschkenntnisse auf A1 statt A2-Niveau nachweisen.
Erleichterungen wurden auch bei der Kreditvergabe von Senioren beschlossen, Banken müssen künftig nicht mehr vorrangig die Lebenserwartung sondern vorhandene Sicherheiten berücksichtigen. Seniorenvertreter hatten einen solchen Schritt sei längerem gefordert.
Beschlossen wurden außerdem eine Reform des Fundrechts sowie die Aussetzung der Aliquotierung der Pensionen für zwei Jahre.
Medienpaket bedeutet das Ende der "Wiener Zeitung"
ÖVP und Grüne brachten außerdem drei Initiativanträge zu Reformen im Medienbereich ein. Neben dem Medientransparenzgesetz und einer neuen Förderung für Qualitätsjournalismus ist das auch das Gesetz zum Ende der "Wiener Zeitung" als gedruckte Tageszeitung. (apa / vis)