Es ist mitunter schwierig, sich an einen Tisch zu setzen, wenn festgefahrene Standpunkte fruchtbare Verhandlungen aussichtslos machen. Jahrelang war der Transitverkehr über die Brennerstrecke Zankapfel zwischen den drei Regionen Bayern, Tirol und Südtirol. Hier die Tiroler, die im überbordenden Lkw-Verkehr zu ersticken drohten und Sperren und Blockabfertigungen des Güterverkehrs an den Grenzen anordneten. Dort die beiden Nachbarregionen Bayern und Südtirol, die auf den reibungslosen Ablauf des freien Warenverkehrs pochten und die Blockade-Maßnahmen als EU-rechtswidrig ansehen.
Nun zeichnet sich eine Lösung ab, die die beiden Landeshauptmänner und der Ministerpräsident am Mittwoch präsentierten. Auf der Festung Kufstein wurde die Einigung auf ein "Slot-System" präsentiert, ein Verkehrsmanagement-System für Lkw. Künftig, so der Plan, soll jeder Lkw digital ein Zeitfenster buchen müssen, in dem er via Inntal und Brenner von Bayern nach Italien (und retour) kommt. So sollen Staus und Überlastungen der Tiroler Straßen vermieden werden. Verbesserungen der Situation erhoffen sich die drei Regionen auch durch den Bau der neuen Eisenbahnverbindung. Der Brenner Basistunnel wird aber frühestens 2032 für die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene herangezogen werden können.
"Die Vereinbarung ist wegweisend für die Zukunft", erklärte Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP). Die Anzahl der über den Brenner rollenden Lkw habe sich von 1,1 Millionen im Jahr 2000 auf 2,5 Millionen im Jahr 2022 mehr als verdoppelt. 40 Prozent des Alpentransits würde über diese Strecke erfolgen. "Dazu kommen noch elf Millionen Pkw auf der Brennerachse", erklärt Mattle.
"Verkehrskollaps"
"Wir hatten einige Jahre Funkstille", erläuterte der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CDU). Mit dem neuen Landeshauptmann habe es bessere Gespräche gegeben, als mit dessen Vorgänger Günther Platter (ÖVP). Der Brenner stehe "vor dem Verkehrskollaps", deswegen habe man die "innovative Lösung mit dem Verkehrsmanagement" auf Schiene gebracht. Auch die EU-Kommission wisse man auf Seite der drei Regionen. Söder: "Dort gibt es einen großen Wunsch nach einer Lösung."
Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) pflichtet Söder bei und sieht jetzt Italien, Östrerreich und Deutschland gefordert. Diese müssen den Plan in Gesetzesform gießen. "Wir bieten nun die Basis für eine Staaten-übergreifende Lösung", sagte Kompatscher. Alle drei Politiker sind sich einig, dass der Güterverkehr für den wirtschaftlichen Wohlstand notwendig sei. Und dass mit einer weiteren Steigerung gerechnet werden müsse. "Transit, der Schutz der Bevölkerung und der Schutz der Umwelt sind gemeinsam möglich", war Kompatscher optimistisch.
Unterstützung von Gewessler
Von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) kommt Unterstützung. "Viele Jahre war die Diskussion, wir brauchen einen Vorschlag aus der Region", nun liege dieser vor, sagte sie am Mittwoch. Weil es dafür die Zustimmung Italiens brauche, werde sie die Gespräche mit den Nachbarländern vorantreiben. Der italienische Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega), der vehement gegen die Blockabfertigungen in Tirol polterte, zeigte sich "grundsätzlich gesprächsbereit", was das Verkehrsprojekt betrifft. (gh)