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Prozess um BVT-Operation "White Milk" gestartet

Von Patrick Krammer

Politik
Die BVT-Operation "White Milk" führte zu drei Jahre langen Ermittlungen und fünf Anklagen.
© getty images / Yagi Studio

Am Freitag standen ehemalige Spitzenbeamte des BVT vor Gericht. Sie sollen Asylbehörden getäuscht haben, um einen syrischen General nach Österreich zu holen.


Auf den ersten Blick wirkt das alles nicht sonderlich spektakulär: Fünf Angeklagten wird vorgeworfen, gegen Paragraf 302 des Strafgesetzbuches verstoßen zu haben. Das ist Amtsmissbrauch. Doch hinter dem Vorwurf verbirgt sich ein Vorfall internationaler Ausmaße. Nicht nur das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und der israelische Geheimdienst Mossad sind betroffen, sondern auch Syrien, Frankreich und eine international agierende Organisation.

Es geht dabei um den syrischen General Khaled H., den das BVT 2015 auf Bitten des Mossad nach Österreich holte, ihm Asylstatus ermöglichte und vor Ort betreute. 2021 berichteten das deutsche Magazin "Spiegel" und der österreichische "Standard" ausführlich. Für die Israelis war H. von enormer Bedeutung, weil er sie mit Informationen über die syrische Organisation von Militär und Geheimdienst versorgte. Eigentlich hätte er in Frankreich aufgenommen werden sollen, doch das gelang nicht, weil der französische Geheimdienst "nicht so kooperativ war", wie sich das der Mossad gewünscht hätte, sagte die Staatsanwältin in ihrem Anfangsplädoyer. Später stellte sich heraus, dass H. im Verdacht steht, für massive Menschenrechtsverletzungen in der syrischen Stadt Ar-Raqqa verantwortlich zu sein. In einem Gefängnis des Geheimdienstes, das er befehligte, soll systematisch gefoltert worden sein. Seit Auffliegen der Affäre ist H. deshalb als "Foltergeneral" bekannt. Er und sein österreichischer Anwalt haben die Vorwürfe bei Einvernahmen stets bestritten.

Amtsmissbrauch oder völlig normaler Vorgang

Soweit zur Vorgeschichte. Fünf der Beamten, die ihn nach Österreich geholt haben, stehen nun vor Gericht. Vier von ihnen waren früher in hohen Positionen beim BVT beschäftigt, einer leitete das Erstaufnahmezentrum des Bundesamtes für Fremdenrecht und Asyl (BFA), bei dem H. seinen Asylantrag stellte. Beim ersten Verhandlungstag am Wiener Landesgericht für Strafsachen Freitagfrüh erzählten die Staatsanwältin der Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft (WKStA) und die Verteidiger der Angeklagten völlig unterschiedliche Versionen ein und derselben Geschichte, wie ein Verteidiger feststellte. Welche wahr ist, muss ein Schöffengericht entscheiden. Ein Urteil wird kommende Woche erwartet.

Die Version der WKStA begann geradezu entschuldigend: Die Staatsanwältin erklärte, dass sich die Ermittlungen nicht aus der Hausdurchsuchung beim BVT ergeben und damit auch nichts zu tun hätten. Diese Causa führte zu einem Untersuchungsausschuss und der internationalen Isolation des BVT, das eine Neuaufstellung als Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) notwendig machte.

Vielmehr sei der stellvertretende BVT-Direktor auf die WKStA zugekommen, weil französische Behörden nach dem syrischen General gesucht hätten. Die WKStA nimmt an, dass die Beamten die Asylbehörde gezielt getäuscht haben, um dem General einen positiven Asylbescheid zu garantieren. Der BFA-Beamte "weiß natürlich, wo man im Ablauf des Asylverfahrens eine Manipulation ansetzen kann", meinte die Staatsanwältin. Der soll seinen Mitarbeitern im Mai 2015 die Weisung gegeben haben, eine Frist verstreichen zu lassen. So wurde Österreich offiziell für die Prüfung des Asylantrages zuständig. Das habe er vorher mit einem Mitangeklagten so abgesprochen, so die Staatsanwältin, die Mails zwischen den Angeklagten dahingehend liest. Ganz anders sehen das die Verteidiger. Das BVT habe sich beim BFA lediglich erkundigt, wie ein syrischer Staatsbürger in Österreich Asylstatus bekommen könne. Von Absprachen sei weit und breit nichts zu sehen, meinte Verteidiger Klaus Ainedter. Die WKStA habe "falsche rechtliche Beurteilungen, die auf falschen rechtlichen Sachverhaltsdarstellungen beruhen", getroffen. Die Vorgänge wären für einen Nachrichtendienst üblich gewesen.

Berichtspflichten an Justiz oder Absprache mit Mossad

Den BVT-Mitarbeitern wirft die WKStA nicht nur vor, der Asylbehörden in Österreich gezielt falsche Tatsachen vorgespielt zu haben. Sie sollen später der Staatsanwaltschaft ihren Wissensstand zu H. nicht mitgeteilt haben, wie es die Strafprozessordnung vorsieht. Anfang 2016 kam nämlich die internationale Organisation CIJA, die Kriegsverbrechen in Syrien dokumentierte, ins Justizministerium, um von H. zu erzählen. Man vermute ihn in Österreich, und er stehe im Verdacht, Kriegsverbrechen begangen zu haben. Bei dem Termin waren auch zwei angeklagte BVT-Beamte anwesend. Um in Österreich wegen Kriegsverbrechen ermitteln zu können, muss sich der Verdächtige auch tatsächlich im Land befinden. Das BVT habe den Auftrag bekommen, das zu prüfen. "Zu diesem Zeitpunkt war nichts mehr geheim, CIJA hat ja schon vorgelegt, dass der General im Land ist", so die Staatsanwältin. Spätestens hier hätten die Beamten sagen müssen, was sie wissen.

Ohne Zustimmung des Mossad habe man keine geheimen Informationen teilen dürfen, schon gar nicht mit einer unbekannten Organisation, rechtfertigte wiederum ein Verteidiger das Zurückhalten der Informationen. "Es ist einleuchtend, dass eine streng geheime Geheimdienstaktion nicht vorgelegt werden darf."

Von den fünf Angeklagten waren nur vier bei der Verhandlung. Der Erstangeklagte, ein früherer Abteilungsleiter des BVT, legte ein gesundheitliches Attest vor, um fernbleiben zu können. So ganz will die WKStA das aber nicht glauben und beantragte ein externes Gutachten eines Arztes. Der Angeklagte wird aller Voraussicht nach aus dem Verfahren ausscheiden und separat behandelt werden. Die anderen vier übrig gebliebenen Angeklagten bekannten sich allesamt nicht schuldig. Der Prozess ist für fünf Tage angesetzt und wird am Montag fortgesetzt.