Es ist nicht zu früh", betont Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Nicht zu früh, über Medienpolitik zu reden, über die Finanzierung und Förderung einer pluralistischen Medienlandschaft, über den Vertrauensverlust in den Journalismus und über die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Am Montag luden die Neos rund um Mediensprecherin Henrike Brandstötter darum zu einer Medien-Enquete ins Parlament.
Zu diskutieren gibt es in Bezug auf die österreichische Medienlandschaft jedenfalls einiges. Demnächst wird ein Entwurf zum neuen ORF-Gesetz erwartet. Fix scheint bereits, dass die bisherige GIS-Gebühr durch eine ORF-Abgabe für alle Hauptwohnsitze und Betriebe ersetzt wird. Unklar ist dagegen noch, welche Möglichkeit dem ORF künftig im digitalen Raum eingeräumt werden sollen.
Andere medienpolitische Vorhaben der türkis-grünen Koalition sind bereits weiter fortgeschritten. Bei der Sitzung des Verfassungsausschusses am Mittwoch steht neben einem neuen Medientransparenzgesetz und einer neuen Förderung von Qualitätsjournalismus auch das vielfach kritisierte "WZEVI"-Gesetz auf der Tagesordnung. Letzteres würde das Ende der "Wiener Zeitung" in ihrer derzeitigen Form besiegeln, neben Brandstötter haben auch die beiden SPÖ-Abgeordneten Jörg Leichtfried und Sabine Schatz Gegenvorschläge als Initiativantrag eingebracht.
"Dramatische Situation" auf dem Medienmarkt
Unabhängig davon wurde vergangene Woche bekannt, dass der Tageszeitung "Kurier" ein massives Sparpaket auferlegt wurde, Personalabbau inklusive. Auch die "Kleine Zeitung" soll aus Kostengründen planen, Stellen in der Redaktion zu kürzen.
Der Medienmarkt sei "extrem unter Druck", österreichische Medien stünden nicht bloß untereinander in Konkurrenz, sondern auch mit Silicon-Valley-Giganten und Sozialen Netzwerken, so die Neos-Chefin. Damit sei es zunehmend schwierig, ohne Unterstützung am Markt bestehen zu können. Brandstötter sprach von einer "dramatischen Situation". "Alte Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr, neue sind nicht einfach hochzuziehen und einiges wurde auch durch falsche Anreize durch die Medienpolitik verschlafen", meinte Brandstötter. Es gebe keinen einfachen Ausweg aus der Krise, "aber eine Gesellschaft ohne Medien ist eine schlechte Gesellschaft, eine Gesellschaft, die wir nicht wollen können".
Gleichzeitig erodiere aber auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Medien - wohl auch, weil immer weitere Vorwürfe in der ÖVP-Inseratenaffäre bekannt werden, kritisierte Meinl-Reisinger. Medienpolitik sei in den vergangenen Jahren "entlang der Frage diskutiert worden: Was nutzt uns das? Und: Wie können wir das beeinflussen, dass es in unserem Sinne ist?", so die Neos-Chefin.
In einer anschließenden Diskussionsrunde kritisierte Medienhaus-Wien-Initiator Andy Kaltenbrunner die Verteilung von Inseraten der öffentlichen Hand nach "höchst unklaren Prinzipien". Das Inseratenvolumen in Österreich sei im internationalen Vergleich pro Kopf sehr hoch, vielfach seien die Mittel fehlgeleitet, im schlimmsten Fall nach politischen Interessen verteilt. Mit der geplanten Novelle des Medientransparenzgesetzes, die weitreichendere Veröffentlichungspflichten bringen soll, sei "ein kleiner Schritt nach vorne" erreicht, meinte Kaltenbrunner.
Kritisch sieht er jedoch, dass auch an anderer Stelle - bei klassischen gesetzlichen Förderungen - intransparent agiert werde. So werde bei der erst unlängst erstmals ausgeschütteten Digitaltransformationsförderung "nicht einmal ansatzweise erklärt", wie die Fördersummen vergeben werden, bemängelte er. Dabei müsste man jetzt junge, innovative Projekte fördern, was in Österreich aber kaum geschehe. Derzeit würde sich die Vergabe von Förderungen und Inseraten an Medien darauf konzentrieren, "das Kaputte am Leben zu erhalten".
Man könne nicht sagen, dass es keine Innovation gebe, konterte Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ). Auch der Anteil der Inserate von Bund und Ländern am Umsatz von Kaufzeitungen und -magazinen sei "gar nicht so dramatisch", liege etwa zwischen 2,5 und 8 Prozent.
Zukunft des ORF soll demnächst geregelt werden
Einen weiteren Schwerpunkt setzten die Neos auf die Rolle öffentlich-rechtlicher Medien, vor allem im Hinblick auf zukünftige Rahmenbedingungen für den ORF. Derzeit sei der ORF aufgrund seiner Gebührenfinanzierung und Werbemöglichkeiten "stark privilegiert", bemängelte Markus Breitenecker, CEO der ProSiebenSat.1Puls4-Gruppe. Was der ORF in Konkurrenz zu den Privaten mache, müsse zurückgefahren werden, was in Konkurrenz zu den Silicon-Valley-Giganten geschehe, müsse dagegen gestärkt werden. In diesem Kontext forderte Breitenecker mehr Kooperation zwischen ORF und privaten Medienhäusern. Abgesehen davon müssten die Werbemöglichkeiten für den ORF reduziert werden, auch ein etwaiger Auftrag für den ORF, etwa Inhalte speziell für die Ausspielung auf Youtube zu produzieren, sei "verrückt".
"Die Sozialen Medien als Sperrgebiet für den ORF zu definieren, halte ich für falsch. Wo denn sonst sollen wir junge Menschen mit qualitativen Inhalten erreichen?", meinte dagegen ORF-
Radiodirektorin Ingrid Thurnher. Auch warnte sie davor, ORF.at als reichweitenstärkste Online-Nachrichtenseite einzuschränken. Das forderten zuletzt vor allem Verleger, die das "zeitungsähnliche" Produkt als Konkurrenz wahrnehmen. "Es kann nicht die Lösung sein, den ORF zu schwächen", so Thurnher. Es sei "unrealistisch", dass sich Personen nur aufgrund einer reduzierten "blauen Seite" ein Kaufabo einer Zeitung nehmen würden.
Auch von Werbeeinschränkungen hält die ORF-Radiodirektorin sie wenig. Laut Studien würden die Werbegelder nämlich in diesem Fall nicht 1:1 zu anderen österreichischen Anbietern wandern, sondern zur großen Konkurrenz ins Silicon Valley, so Thurnher.(apa/vis)