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Teure Diskriminierung

Von Catherina May und Patrick Krammer

Politik
Das Innenministerium besetzt im Jahr durchschnittlich 1.200 Posten und hat die meisten Diskriminierungsvorfälle.
© Stanislav Kogiku

Ministerien mussten in den letzten elf Jahren mindestens 826.000 Euro an Betroffene zahlen.


Ob Geschlecht, Religion, Alter oder doch das falsche Parteibuch. Die Ursachen von Diskriminierungen im Bundesdienst sind mannigfaltig. Die Folgen auch. Viele vermuten zwar, bei Postenbesetzungen diskriminiert worden zu sein, doch nur wenige wagen es, sich dagegen zu wehren. Die Dunkelziffer dürfte groß sein. Zu groß die Angst vor negativen Folgen. Wer es doch tut, ist mit einem langen Prozess konfrontiert, während man just jener Person unterstellt ist, deren bessere Qualifizierung man anzweifelt und gegen deren Besetzung man vorgeht. Gesetzliche Möglichkeiten, unrechtmäßig zustande gekommene Besetzungen rückgängig zu machen, gibt es derzeit keine.

Personen, die glauben, diskriminiert worden zu sein, können ihre Rechte auch vor Gericht einklagen. Der bekannteste Fall eines solchen Prozesses war die Causa Wöginger. Eine Beamtin wurde bei der Besetzung einer Leitungsfunktion übergangen, ein weniger geeigneter ÖVP-Bürgermeister hat die Stelle bekommen. Das stellte auch das Bundesverwaltungsgericht fest. ÖVP-Klubobmann August Wöginger soll für den ÖVP-Bürgermeister interveniert haben, wie der frühere Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid in einer Zeugeneinvernahme aussagte. Wöginger dementiert. Die diskriminierte Beamtin bekam vor Gericht immerhin den entgangenen Lohn zugesprochen.

Innenministerium mit den meisten Fällen

Eine Anfragenserie des SPÖ-Abgeordneten Mario Lindner zeigt nun, wie teuer der Republik und den Steuerzahlern Diskriminierungen dieser Art kommen.

Zwischen 2011 bis 2022 musste die Republik insgesamt 826.622 Euro an diskriminierte Bundesbedienstete leisten. Allein im vergangenen Jahr standen Bundesministerien 27 Mal als Arbeitgeber vor Gericht. Die meisten Fälle von Diskriminierungen und sich daraus ergebenden Gerichtsverfahren verursacht das Innenministerium. In den vergangenen elf Jahren gab es 36 Gerichtsverfahren (und außergerichtliche Einigungen), die dem Ministerium 331.000 Euro kosteten. Das Innenministerium ist damit sowohl bei der Höhe der Zahlungen als auch den Verfahren an erster Stelle.

Der SPÖ-Mandatar Lindner kritisiert das Ministerium, weil es seit mehr als einem Jahrzehnt im Bereich Ungleichbehandlung "Spitzenreiter" sei. "Es kommen ganz anscheinend nicht die Besten zum Zug, sondern jene, mit dem passenden Parteibuch", so Lindner. Er bezieht sich dabei nicht nur auf Gerichtsverfahren, sondern auch auf die Bundes-Gleichbehandlungskommission (B-GBK) im Kanzleramt. Die kann wegen Diskriminierungen im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis zum Bund angerufen werden. Wird ein Antrag gestellt muss die Kommission feststellen, ob eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt - ein Antrag kann auch von Amts wegen eingebracht werden.

Am öftesten muss sich die Bundes-Gleichbehandlungskommission mit dem Innenministerium beschäftigen. Eine Auswertung der "Wiener Zeitung" zeigt: Seit 2018 gab es insgesamt 161 Gutachten, 99 davon betrafen allein das Innenressort. In insgesamt 65 Fällen wurden die Beschwerden von Gutachten der B-GBK bestätigt - bei diesen konnte also eine Diskriminierung festgestellt werden.

Ein Sprecher des Ministeriums führt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" ins Treffen, dass das Innenministerium auch die meisten Bewerbungsprozesse aller Ministerien durchführe, was die vergleichsweise hohe Zahl der Diskriminierungsfälle erkläre. "Im Zeitraum 2006 bis 2022 kam es jährlich zu durchschnittlich 1.200 Besetzungen", so der Ministeriumssprecher. Andere Gründe verneinte er.

Teuer kam den Steuerzahlern bisher auch das Finanzministerium zu stehen. Das hat zwar nur fünf Verfahren geführt, dabei aber 267.500 Euro an Bundesbedienstete zahlen müssen.

Beantwortungen mancher Ministerien unvollständig

Die 826.000 Euro können allerdings nur als Mindestwert für Entschädigungszahlungen gesehen werden. Denn während das Innenministerium und das Finanzministerium alle Fragen beantwortet haben, ließen andere Ministerien bei der parlamentarischen Anfragebeantwortung vieles unbeantwortet. Das Bundeskanzleramt von Karl Nehammer (ÖVP) verweist etwa nur auf den Gleichbehandlungsbericht, der 2022 veröffentlicht wurde und die Jahre 2020 und 2021 abdeckt. Damals war gerade ein Gerichtsverfahren anhängig. Das eigentlich erfragte Jahr 2022 lässt das Kanzleramt gänzlich draußen. Und damit auch, wie das Verfahren aus dem Vorjahr ausgegangen ist.

Auch das Bildungsministerium kann kein vollumfängliches Bild zeichnen, es antwortete nur für die Zentralstelle und pädagogischen Hochschulen. Informationen zu Schulen wären "nur durch manuelle Durchsicht aller Personalakten" zu bekommen, antwortete es in seiner Beantwortung. Man fliegt also blind. Das Ministerium hat es anscheinend bis jetzt verabsäumt ein Melde- und Kontrollsystem in Diskriminierungsfragen einzuführen. Und deshalb kann das Bildungsministerium auch nicht sagen, ob es in den nachgelagerten Dienststellen zu Gerichtsverfahren mit Entschädigungszahlungen und außergerichtlichen Einigungen gekommen ist.

Das ist nicht ganz unerheblich, hatte das Bildungsministerium 2021 mit 51.175 Beschäftigten, darunter 43.889 Lehrerinnen und Lehrer, das meiste Personal aller Ministerien. Eine Anfrage, wie viele Postenbesetzungen es im Einflussbereich des Bildungsministeriums jährlich ungefähr gibt, konnte bis Redaktionsschluss nicht beantwortet werden.