Sophie Karmasin steht vor Gericht. Sie ist die Erste aus dem Umfeld von Ex-Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz, die sich vor dem Landesgericht für Strafsachen in Wien verantworten muss, wird aber nicht die Letzte sein. So manch ein Verteidiger rechnet mit Anklagen für seinen ÖVP-Mandanten.
Gerüchte, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) demnächst Sebastian Kurz wegen Falschaussagen vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss anklagen könnte, machen seit einiger Zeit die Runde. Ein Vorhabensbericht der WKStA liegt derzeit im Justizministerium. Kurz Verteidiger rechnen mit einer Anklage - aber auch mit einem Freispruch im Prozess.
Fix angeklagt ist die ehemalige Familienministerin Karmasin. Sie soll einerseits wettbewerbsbeschränkende Absprachen getroffen haben, um an Aufträge des Bundesministeriums für Öffentlichen Dienst und Sport zu kommen. Andererseits soll sie schweren Betrug begangen haben, weil sie nach ihrem Ausscheiden aus dem Ministerinnenamt unrechtmäßig weiterhin eine Bezugsfortzahlung in Anspruch nahm. Von dem dabei entstandenen Schaden von knapp 80.000 Euro hat Karmasin nach Medienberichten 62.000 Euro zurückgezahlt. Ihr Verteidiger plädiert deshalb auf tätige Reue. Die WKStA widerspricht dieser Darstellung.
Drei Studien geplant, zwei Studien durchgeführt
Die Anklage liest sich folgendermaßen: Karmasin wendete sich Anfang 2019 an das Bundesministerium für Öffentlichen Dienst und Sport des damaligen Vizekanzlers und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Sie bot eine Zusammenarbeit zum Thema "Verhaltensökonomie" an und schickte dem zuständigen Beamten, der in der Sache ebenfalls angeklagt ist, ein Angebot. Weil ministeriumsinterne Richtlinien aber das Einholen von Vergleichsangeboten vorsehen, hat sich Karmasin an ihre ehemalige Mitarbeiterin Sabine Beinschab gewandt.
Die Meinungsforscherin ist Kornzeugin zum "Beinschab-Tool", bei dem zugunsten von Kurz bearbeitete Umfragen in der Zeitung "Österreich" veröffentlicht wurden. Bezahlt worden sein soll dies einerseits über Aufträge des Finanzministeriums an Beinschab und andererseits über Inseratenschaltungen in "Österreich". Auch hier ermittelt die WKStA.
Beinschab und eine zweite Unternehmerin haben sich bereit erklärt, abgestimmte Angebote zu legen, damit Karmasin den Auftrag bekommt. Im Gegenzug sollen sie kleinere Subaufträge bekommen haben. Dementsprechende E-Mails befinden sich in der Anklage, die der "Wiener Zeitung" vorliegt. Karmasin leitete die Kontaktdaten an den mitangeklagten Spitzenbeamten des Ministeriums weiter. Der wird sich die Frage gefallen lassen müssen, weshalb er von einer Unternehmerin, die beauftragt werden möchte, andere Unternehmen vorschlagen ließ, die konkurrierende Vergleichsangebote legen sollen.
Nach dem vorzeitigen Ende der türkis-blauen Regierung wurde Karmasin als Bestbietende mit zwei Studien beauftragt. Kostenpunkt: 127.490 Euro. Auch eine dritte Studie um 68.980 Euro war geplant, Karmasin zog ihr Angebot allerdings zurück. Am Tag davor hatte bei ihr eine Hausdurchsuchung wegen des "Beinschab-Tools" stattgefunden. Gleichzeitig kamen dem mittlerweile von Werner Kogler (Grüne) geführten Ministerium Zweifel an den Vergaben.
Auch die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) wurde in diesem Fall tätig. Sie beantragte wegen des Verdachts auf wettbewerbsbeschränkende Preisabsprachen Geldbußen gegen die Unternehmen von Karmasin, Beinschab und der dritten Unternehmerin.
Ministerinnenbezug trotz Nebenjobs
Der zweite Anklagepunkt hat mit den Studien für das Sportministerium nichts zu tun. Dabei geht es um die Bezugsfortzahlung, die Karmasin nach ihrer Zeit als Familienministerin in Anspruch nahm. So eine Fortzahlung steht Ministern begrenzt zur Verfügung, solange sie keine neuen Jobs haben. Karmasin soll deshalb beim Bundeskanzleramt fälschlicherweise angegeben haben, nichts zu verdienen.
Auf der anderen Seite soll sie, so die WKStA, schon wieder als Meinungsforscherin tätig gewesen sein. Um das zu verschleiern soll sie Auftraggeber aufgefordert haben, erst später Rechnungen zu stellen. In der Anklage finden sich dementsprechende E-Mails.
Bei einem Schuldspruch blicken Karmasin und der mitangeklagte Spitzenbeamte auf eine Haft von bis zu drei Jahren. Da Karmasin vergangenes Jahr knapp dreieinhalb Wochen in Untersuchungshaft war, würde diese Zeit abgezogen werden. Ein Urteil wird für den 9. Mai erwartet.