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"Es hat nie ein liberales Lager gegeben"

Von Vilja Schiretz

Politik

Für die Neos ist der Rauswurf aus dem Salzburger Landtag bitter. Leicht hatten es liberale Parteien aber nie.


Für die Pinken war es ein schwarzer Tag. Gerade noch Teil einer "Dirndl-Koalition" mit ÖVP und Grünen, müssen die Neos nach der Salzburg-Wahl ihre Plätze im Landtag räumen. Mit 4,2 Prozent der Stimmen scheiterten sie an der Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug in den Landtag, 2018 hatten sie noch 7,3 Prozent der Wähler überzeugen können. Das pinke Team rund um Spitzenkandidatin Andrea Klambauer trat am Dienstag geschlossen zurück, vorübergehend wird die Bundespartei die Geschäfte übernehmen. Die Neuaufstellung in Salzburg soll bis zum Herbst erfolgen, gaben Klambauer und Douglas Hoyos, Generalsekretär der Bundespartei, auf einer Pressekonferenz bekannt.

Eine größere Krise seiner Partei wollte Hoysos allerdings nicht ausmachen. Auf Bundesebene liege man in Umfragen stabil im zweistelligen Bereich, was Zugewinne im Vergleich mit dem Ergebnis von 2019 bedeuten würden. "Wir schaffen es aber momentan nicht, diese großen Zuwächse, die uns prognostiziert werden, auf Landesebene herunterzubrechen", resümierte Hoyos.

Historisch kein liberalesLager in Österreich

Denn auch, wenn das Salzburger Ergebnis aus pinker Sicht wohl besonders schmerzhaft ist - von zweistelligen Ergebnissen waren die Neos bei den Landtagswahlen in Tirol, Niederösterreich und in Kärnten weit entfernt. Zwar gab es in allen drei Bundesländern minimale Zugewinne zu verzeichnen, in Kärnten reichte es aber trotzdem wieder nicht für einen Einzug in den Landtag.

Und das, obwohl offenbar in ganz Österreich große Unzufriedenheit mit den regierenden Parteien herrscht. Bei allen vier Landtagswahlen in den vergangenen Monaten verlor die Partei des Landeshauptmanns beziehungsweise der Landeshauptfrau massiv an Zustimmung, in Salzburg musste die ÖVP ein Minus von 7,4 Prozentpunkten schlucken. Die Neos konnten bei den Landtagswahlen vom allgemeinen Missmut aber nur minimal bis gar nicht profitieren. Ob es auf Bundesebene tatsächlich besser gelingt, Unzufriedene abzuholen, wird sich spätestens im Herbst 2024 zeigen.

Sollten die Neos im Bund ein zweistelliges Ergebnis einfahren können, "wäre das ein ganz großer Erfolg", sagt Wolfgang Bachmayer, Gründer des Meinungsforschungsinstituts OGM. Denn leicht haben es die Neos oder liberale Bewegungen im Allgemeinen in Österreich nicht. "Historisch gesehen, hat es in Österreich ein nationales, ein konservatives und ein sozialdemokratisches Lager gegeben. Aber nie ein liberales", sagt Bachmayer. Der Meinungsforscher war 1995 Spitzenkandidat des Liberalen Forums in Wien, trat aber noch vor der Gemeinderatswahl zurück.

Ein gewachsener Grundstock, auf dem andere Parteien aufbauen konnten, fehlt den Neos also weitgehend. Ihr Potenzial am österreichischen Wählermarkt sei daher "überschaubar". Vor den Neos war es nur dem Liberalen Forum gelungen, für kurze Zeit in den Nationalrat einzuziehen.

Und auch in der aktuellen Teuerungskrise dürften (wirtschafts-)liberale Ideen nicht unbedingt einen Aufschwung erleben. Einerseits fährt die FPÖ mit einem klar rechtspopulistischen Kurs Rekordergebnisse ein. Andererseits finden angesichts des großen Wahlerfolgs der KPÖ Plus in Salzburg und der Debatte um die künftige Ausrichtung der SPÖ auch wieder klassisch linke Ideen Einzug in den politischen Diskurs. Mehr Staat also statt weniger - keine erfolgsverheißende Gemengelage also für eine wirtschaftsliberale Partei. Gleichzeitig haben die Neos Bildung zu ihrem Kernthema erhoben - doch damit sind offenbar in Österreich keine Wahlen zu gewinnen. "Das ist die traurigste Aussage zur politischen Situation in Österreich. Bildung ist kein Treiberthema und holt nur vereinzelte Personen hinter dem Ofen hervor", sagt der Meinungsforscher.

Neos als "Scharnierpartei" zwischen Links und Rechts

Abseits von der politischen Ausrichtung machen den Neos zumindest in den Bundesländern auch strukturelle Schwächen zu schaffen. Der Partei fehle es größtenteils an einem Unterbau aus Funktionären auf Länder- und Gemeindeebene, "die für die Partei rennen", sagt Bachmayer.

Auf Bundesebene sind die Neos besser aufgestellt, auch sei Beate Meinl-Reisinger in ihrer Rolle als Parteichefin in der Opposition "hervorragend", meint Bachmayer. Vor allem aber sieht er einen potenziellen strategischen Vorteil für die pinke Partei, die immer wieder betont, für die politische Mitte zu stehen. In einer zunehmend fragmentierten Parteienlandschaft könnten Zweierkoalitionen in Zukunft seltener eine Mehrheit finden. Neos und Grünen könnten hier als potenzielle Dritte im Bunde eine entscheidende Rolle bei zukünftigen Koalitionsüberlegungen erhalten. Die Neos seien dabei eine "Scharnierpartei, die sowohl mit Parteien links der Mitte als auch rechts der Mitte gemeinsame Sache machen kann", sagt Bachmayer.

Ob sie von diesem Bonus nach der kommenden Nationalratswahl profitieren können, ist derzeit fraglich. Denn eine schwarz-blaue oder blau-schwarze Mehrheit rechts der Mitte ist in Österreich seit Jahrzehnten stabil - und dürfte es Umfragen zufolge vorerst auch zu bleiben.

Für die Neos ist der Rauswurf aus dem Salzburger Landtag bitter. Leicht hatten es liberale Parteien in Österreich aber nie.