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Ende per Gesetz

Von Simon Rosner

Politik

Was der am heutigen Donnerstag zu beschließende Entwurf für die Redaktion und die "Wiener Zeitung" bedeutet.


Der Nationalrat besiegelt heute das Aus für die "Wiener Zeitung" in ihrer bisherigen Form. Die älteste Tageszeitung der Welt wird in der Folge nur noch online und allenfalls monatlich in Papierform erscheinen. Hier geht es zum Livestream im Nationalrat.

Es war für die Redaktion eine große, negative Überraschung, als das Medienministerium im Vorjahr seinen Entwurf für die gesetzliche Neuaufstellung der "Wiener Zeitung" in Begutachtung schickte. Denn die Erwartung der Redaktion war eine andere, da auch die Signale aus der Politik in eine positive Richtung gegangen waren. Der Entwurf machte aber deutlich: Die "Wiener Zeitung", wie sie in Print und online existiert, wird ein Ende finden. Das Unternehmen wird transformiert und andere Teile der Gesellschaft aufgewertet.

Seit Mitte der 1990er-Jahre regelt das Staatsdruckereigesetz die Belange der "Wiener Zeitung". In dem Gesetz findet sich ein schlicht formulierter Daseinszweck für die GmbH, die seit 1998 als Unternehmen existiert. In § 2 heißt es: "Unternehmensgegenstand der Wiener Zeitung GmbH ist die Herstellung und der Verlag der Wiener Zeitung." Das ist ein enger Rahmen.

In den wenigen übrigen Paragrafen ist unter anderem die Bestellung "des Chefredakteurs" geregelt (geschlechterneutral formuliert wurde damals nicht) sowie die Preisbildung. Die Gebühren für Einschaltungen und der Verkaufspreis der Zeitung sind demnach vom "Bundeskanzler nach kaufmännischen Grundsätzen und unter Berücksichtigung öffentlicher Interessen festzusetzen". Eine Anhebung oder gar Valorisierung der Einschaltgebühren fand aber nie statt, obwohl der kumulierte Kaufkraftverlust seither rund 80 Prozent beträgt.

Das neue Gesetz zur "Wiener Zeitung", das am Donnerstag vom Nationalrat, vermutlich nur mit den Stimmen von ÖVP und Grünen, beschlossen werden soll, legt nun über fünf Seiten eine sehr genaue Darstellung des Unternehmens, seines Zweckes und auch den finanziellen Rahmen fest. Damit hatte auch der damalige Chefredakteur Walter Hämmerle nicht gerechnet. Er legte sein Amt Ende des Vorjahres nieder und verlässt die Zeitung nach mehr als 20 Jahren in dieser Woche.

"Ich kenne kein Unternehmen, bei dem die Tätigkeit und die Organisation bis auf Unterabteilungen gesetzlich so festgeschrieben werden", sagt Hämmerle. Teil von Gesprächen mit politisch Verantwortlichen war dies nicht. "Man hat mir zugehört, den Rahmen des Möglichen aufgezeigt und das Bemühen bekundet, eine gute Lösung zu finden", so Hämmerle. Informationen zu Überlegungen der gesetzlichen Ausgestaltung gab es ihm gegenüber nicht.

Umso entsetzter war die Redaktion, als der Entwurf im Herbst in Begutachtung geschickt wurde. Denn aus diesen fünf Seiten war nicht nur die Einstellung der Tageszeitung herauszulesen, sondern der Entwurf übertraf auch die Befürchtung, wonach die Zeitung vorwiegend auf eine Online-Erscheinung mit wöchentlicher Printausgabe umgestellt werden könnte. Vorgesehen war nur mehr eine gedruckte Ausgabe "nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel", wobei aus den Erläuterungen zum Entwurf, die aber nicht rechtlich bindend sind, hervorging, dass es mindestens zehn Mal pro Jahr eine Print-Publikation geben soll. Daran hat sich seither nichts geändert. Nach Auskunft von Martin Fleischhacker, Geschäftsführer der Wiener Zeitung GmbH, ermöglicht der finanzielle Rahmen kein häufigeres Erscheinen.

Unternehmenszweck wird deutlich breiter gesteckt

Statt bisher rund 20 Millionen Euro, vorwiegend aus Gebühren, soll das Unternehmen aus dem Budget künftig 16,5 Millionen Euro erhalten, wobei 7,5 Millionen Euro für die Redaktion und das Medium vorgesehen ist. Der Rest fließt in neu aufgebaute Unternehmensbereiche sowie das neue "Online-Amtsblatt" EVI.

Die bisher als Tageszeitung und mit einer Online-Ausgabe erscheinende "Wiener Zeitung" soll überdies laut Entwurf zu einem "Aus- und Weiterbildungsmedium" werden. Da es sich dabei um einen in der Publizistik nicht bekannten Begriff handelt, ist unklar, was sich der Gesetzgeber darunter vorstellt. Auch die Erläuterungen geben keinen Aufschluss. Fleischhacker verweist auf "Synergieeffekte" mit anderen Geschäftsbereichen, um den Medienstandort weiterzuentwickeln.

Kritik an Content Agentur

Neu ist nämlich, dass der Unternehmenszweck der Gesellschaft viel breiter als bisher definiert wird. Unter § 2 des Entwurfs sind nun acht Aufgaben aufgelistet, wobei die "Herausgabe der Wiener Zeitung" eine davon ist. Fünf Aufgaben betreffen die "elektronische Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes", kurz EVI, den digitalen Nachfolger des Amtsblatts.

Die von Fleischhacker angesprochenen Synergieeffekte betreffen die übrigen zwei Aufgaben: die Einrichtung und den Betrieb eines "MediaHub" sowie der "Content Agentur Austria". Ersteres ist bereits erledigt, denn diese beiden Geschäftsbereiche waren von der aktuellen Unternehmensleitung schon vor einigen Jahren eingerichtet worden und wurden zuletzt auch personell erweitert.

Die Content Agentur soll laut Gesetz gewisse Dienstleistungen für den Bund übernehmen, darunter etwa die "Erstellung von Medienprodukten" sowie "Social-Media-Betreuung". Zum Beispiel produziert die Agentur für das Bundeskanzleramt ein EU-Magazin ("Unser Europa. Unsere Gemeinde") und für die Vertretung der EU-Kommission in Österreich den Social-Media-Auftritt.

Die Kritik in der Begutachtung, auch jene der Redaktion, betraf vor allem die Möglichkeiten, die eine solche Konstruktion bieten könnte. Auf der einen Seite bietet die Option sogenannter Inhouse-Vergaben für den Bund das Potenzial der Effizienzsteigerung, andererseits könnte ein "demokratiepolitisches Defizit entstehen", wie der Redaktionsbeirat in seiner Stellungnahme in der Begutachtung schrieb, weil derart vom Bund ausgelagerte Leistungen damit auch aus dem parlamentarischen Interpellationsrecht fallen könnten. Einnahmen aus dieser Geschäftstätigkeit dürfen laut Gesetz nicht für andere Unternehmensbereiche, damit auch nicht für das Medium der "Wiener Zeitung", verwendet werden.

Synergien für Fortschritte des Medienstandorts

Synergien ergeben sich unter anderem durch den MediaHub, der Medienwissen vermitteln, für Journalisten ein Praxisprogramm anbieten und Mediengründungen unterstützen soll. Für Letzteres wurde ein sogenanntes Innovation-Lab eingerichtet. Für den MediaHub stehen jährlich künftig sechs Millionen Euro brutto zur Verfügung, drei Millionen Euro entfallen auf den Betrieb von EVI.

Im Zentrum des MediaHub steht aktuell das "360°Traineeship", das derzeit 24 voll bezahlte Stellen für ein Jahr umfasst. In diesem Zeitraum arbeiten junge Journalistinnen und Journalisten in Redaktionen von Kooperationspartnern (derzeit unter anderem "Profil", "Puls 4" und "Dossier"), jener der "Wiener Zeitung", aber eben auch für die Content Agentur. Genau diese Synergie sorgt für viel Kritik. "Wir betreten damit Neuland. Das Sinn ist, den gesamten Medienstandort weiterzubringen", so Fleischhacker. Daher auch das "Inno-Lab" sowie die "Wiener Zeitung" als "Aus- und Weiterbildungsmedium".

Der für die weitere Zukunft der Redaktion entscheidende Abschnitt des Gesetzes ist Paragraf 3 zu sehen (siehe Faksimile). Er hat sich seit dem ersten Entwurf leicht verändert. So wurde nachträglich noch eingefügt, dass es sich um ein journalistisches Medium handelt und zudem das Redaktionsstatut zu beachten ist. Letzteres wird aber abgeändert werden müssen, da es in einigen Stellen durch das Gesetz obsolet wird. Verhandlungen dazu gab es noch nicht.

Der §3 normiert den Auftrag an die Redaktion in vier Punkten. Darunter fällt etwa "die Veröffentlichung von Informationen über zeitgeschichtliche und gegenwärtige Ereignisse unter besonderer Berücksichtigung von historischen [. . .] und gesellschaftspolitischen Aspekten" und auch die "Förderung des Verständnisses und des Interesses für und an politischen Sachverhalten."

Nur was heißt das? Klar ist vorerst nur, dass es künftig keine klassische tagesaktuelle Berichterstattung mehr geben wird, wie auch Geschäftsführer Fleischhacker bestätigt. Das Nachfolgemedium ist aber noch in Entwicklung. Daran werkt ein eigenes Team, dem auch fünf Mitglieder der Redaktion zugeteilt wurden.

Aus der Produktentwicklung heißt es, dass die "Wiener Zeitung" auch in Zukunft "ein unabhängiges Qualitätsmedium" sein werde. Der neue öffentlich-rechtliche Auftrag bedeute aber, dass sie sich stärker als bisher "als Medium für alle Bürgerinnen und Bürger versteht und daher ihren hochqualitativen Journalismus auch jüngeren Zielgruppen zugänglich machen wird". Dafür werden gerade "innovative Online-Formate" entwickelt. "Im Wesentlichen orientieren sich diese an den Grundsätzen des konstruktiven Journalismus."